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Full text of "Die Verbreitung und die Herkunft der Deutschen in Schlesien"

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Die 




erbreitung 
und die 
Herkunft der 
Deutschen .. 




Karl Weinhold 




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DIE 



VERBREITUNG UND DIE HERKUNFT 



DER 



DEUTSCHEN IN SCHLESIEN. 



VON 



Dr. Karl Weinhold 

ff 

ord. Professor an der Universität Breslau. 



UNIVERSHY \ 

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STUTTGART. 
VERLAG VON J. ENGELHORN. 

1887. 



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Das alte Land Schlesien reicht von dem unteren Boher und dem 
Queiss bis an die Przemsa und die oberste Weichsel. Es liegt zwischen 
Böhmen und Polen und ist die deutsche Hand, welche sich um den 
vorgestreckten tschechischen Nacken legt. 

Schlesien ist ein Grenzland von gemischter Bevölkerung. Die 
Deutschen bewohnen den Westen und die Mitte, die Polen und tschechi- 
schen Mährer den Osten. Aber die heutigen Verhältnisse sind nur 
allmählich geworden. Vor sechs- bis siebenhundert Jahren sassen die 
Deutschen in verhältnismässig kleiner Zahl und als neue Gäste in dem 
Oderthaie und an den Sudeten, und vor achthundert Jahren gab es nur 
Slaven in dem Lande, das ein Zankapfel zwischen den Polen- und 
Tschechenfürsten war. 

Schlesien ist also für Deutschland erst gewonnen worden. Und 
zwar ist es nicht mit dem Schwert erobert, gleich den Marken an der 
Elbe und Saale und an der Donau, sondern friedlich und unmerklich 
ist es durch deutschen Fleiss und deutsche Klugheit in Sprache und 
Sitte zum grössten Teile deutsch gemacht worden. 

Wie dieses geschehen ist, wollen wir nachweisen und zunächst 
über die Verbreitung der Deutschen in Schlesien berichten. Daran 
wird sich die Frage nach der Herkunft der deutschen Schlesier knüpfen. 



I. Die Verbreitung der Deutschen in Schlesien. 

Die Slaven sind nicht die ältesten Bewohner Schlesiens gewesen. 
Vor ihnen haben Germanen des wandalischen Stammes hier gesessen, 
die Lugier, wie Tacitus und Ptolemäus sie nennen. Seit dem marko- 
mannischen Kriege erscheinen dieselben unter dem allgemeinen Stamm- 
namen der deutschen Ostvölker, als Wandalen. Das Gebirge, in wel- 
chem die Elbe entspringt, nannte Dio Cassius (LV, 1) das wandalische. 

Teile von ihnen verliessen unter Führung des Königsgesehlechts 
der Asdingen das Land und hatten im 3. und 4. Jahrhundert in Pan- 
nonien wechselnde Schicksale. Andere blieben gleich dem kleinen ver- 



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Karl Weinhold, 



wandten Nachbarvolke der Silingen in der alten Heimat 1 ), bis sie im 
Anfang des 5. Jahrhunderts ebenfalls auszogen, sich mit den übrigen 
vereinten und im Bunde mit Sweben und den ungermanischen Alanen 
Noricum, Rhätien und Gallien verwüsteten. Wie sie in Spanien mit 
den Westgoten kämpften, wobei die Silingen aufgerieben wurden; wie 
sie 429 Nordafrika unter König Geiserich eroberten und nach mehr 
als lOOjähriger Blüte im Kriege gegen die Byzantiner durch Beiisars 
Feldherrnkunst den Untergang fanden (534), ist bekannt. 

In Afrika waren die Wandalen nach den byzantinischen Erzäh- 
lungen ebenso reich und üppig geworden, als sie in der alten lugischen 
Heimat arm und dürftig gewesen sein müssen. Denn die schlesischen 
Grabfunde aus den lugischen Zeiten beweisen eine geringe Wohlhaben- 
heit: ziemlich rohe Thongefässe, Stein Werkzeuge, kleine Bronzesachen, 
das ist alles. Um so überraschender war die 1886 zu Sakrau im Kr. Oels 
gemachte Ausgrabung, die Gold, Silber, Erz und Glas in schöner Ver- 
arbeitung bietet und deren Gegenstände pannonische Ornamente auf- 
weisen. Man darf wohl (behaupten, dass hier ein Beweis der Ver- 
bindung vorliegt, die zwischen den pannonischen und den schlesischen 
Wandalen aufrecht blieb. 

Im Anfang des 5. Jahrhunderts n. Chr. ist Schlesien von seinen 
uralten germanischen Bewohnern gänzlich verlassen. Denn was etwa 
von Leuten zurückblieb, die zum Auszug unfähig oder unwillig waren, 
kann nur sehr gering und ohne Bestand gewesen sein. Es verschwand 
unter den Lechen und Tschechen, die wahrscheinlich sofort von der 
Weichsel her das Land besetzt haben. 

Ausser den Namen der Oder (OütaSoc, OwaSouag, von den Slaven 
zu Odora umgestaltet), der Elbe (Albis) und der Weichsel (Vistula, 
OototouXac, bei Jornandes Viscia unter Einfluss des slavischen Visla) 
erinnert kein Name eines Wasserlaufes dieses Landes an die vorslavische 
Zeit. Von den Bergnamen kein einziger; denn der tschechische Name 
des Riesengebirges Krkonoske" hory wird das Rabengebirge bedeuten 
und ohne Zusammenhang stehen mit dem von Ptolemäus genannten 
Volke der Kopxovrot, die nach ihm am askiburgischen Gebirge sassen 2 ). 

Alle Fluss- und Bachnamen und alle Benennungen der Berge und 
Wälder, die wir in den alten schlesischen Urkunden finden, sind sla- 
visch, ein genügender Beweis gegen die dilettantische Behauptung, dass 
im Gebirge eine urdeutsche Bevölkerung sich gehalten habe. Ebenso sind 
alle alten schlesischen Ortsnamen slavisch. Die deutschen Namen werden 
in geschichtlich durchsichtiger Zeit vor unseren rückwärtsschauenden 
Augen gegeben und geformt. Schlesien war also seit dem 5. Jahr- 
hundert ein ganz slavisches Land geworden. Die germanische Kultur, 
die etwa vorher hier anzusetzen ist, war mit dem ausziehenden Volke 
einer anderen Volksart gewichen. 

Die ersten Urkunden, die wir dann über schlesische Zustände 
haben, zeiffen das Land ebenso mit einzelnen slavischen Völkerschaften 



') Müllenhoff, im Anhang zu Th. Mommsens Ausgabe des Verzeichnisses 
der römischen Provinzen von 297. Abhandl. der Berl. Akademie d. Wissensch, 
von 1862, S. 524. 

•) K. Zeus s, Die Deutschen und die Nachbarstämme S. 123. 



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Die Verbreitung und die Herkunft der Deutschen in Schlesien. 163 



besetzt, als Tacitus und Ptolemäus es früher unter lugischen Stämmen 
geteilt zeigten. 

Die zweite slovenische Völkertafel aus dem 9. Jahrhundert nennt *) 
die Sleenzane, Dadosesane, Opolini, die nach Schlesien fallen und die 
wir in der Urkunde Kaiser Heinrichs IV. von 1086 über die Grenzen 
des Prager Bistums 2 ) als Zlasane und Dedosize ohne die Opolini, aber 
dafür mit den Poborane wiederfinden. Nach den Zlasane oder Slen- 
zane, die an dem Flusse Slenz (1155 Sclenza) d. i. der Lohe (La) in 
der fruchtbaren Mitte des Landes sassen, aus welcher der weithin in 
Mittelschlesien sichtbare Zobtenberg aufsteigt, der nach Thietmar III, 44 
selbst den Namen Zlenz vom Gau empfangen hatte, darin er lag, ist 
das ganze Land später benannt worden. Der Name des pagus Silen- 
sis, wie Thietmar latinisiert, breitete sich über Ober- und Niederschlesien 
auf beiden Oderseiten aus. 

Aus den zahlreichen polnischen Ortsnamen in den heute deutschen 
wie in den undeutschen Landesteilen können wir einen Schluss auf 
starke Bebauung Schlesiens machen. Diese slavisch benannten Dörfer 
haben zum grossen Teil schon vor Einwanderung der Deutschen be- 
standen. Sie sind nicht auf die fruchtbaren und ebenen Gegenden be- 
schränkt, sondern kommen überall, auch auf den sandigen Landrücken 
und im Vorgebirge sowie in den Gründen des ganzen Sudetenzuges 
vor. Indessen muss zugegeben werden, dass der von den Slaven be- 
triebene Ackerbau an Ausdehnung und Tiefe dem späteren deutschen 
nicht vergleichbar war 3 ) ; dass die Dorfmarken kleiner und wenig ge- 
urbart gewesen sind und dass es, nach der Bedeutung nicht weniger 
Ortsnamen zu schliessen, Dörfer gab, deren Bewohner nur von der 
Jagd, der Bienenzucht oder dem Fischfang lebten, oder von Gewerben 
im Dienste des Herzogs oder grosser adelicher Grundbesitzer. 

Schlesien war eine Provinz des grossen Polenreiches. Von den 
grössten Folgen ist nun geworden, dass es um 1163 eine selbständige 
Stellung dadurch erhielt, dass Boleslav IV. den Söhnen seines vertrie- 
benen Bruders Wladyslaw II. Schlesien als Urbabfindung überwies. 
Es geschah mit Vorbehalt seiner und seiner Nachfolger Oberhoheit. Aber 
mit dem Tode des polnischen Grossfürsten Mesko des Alten i. J. 1202 
ist diese bedingte Abhängigkeit der schlesischen Piasten erloschen und 
Schlesien seitdem von Polen unabhängig geblieben 4 ). Sicher wirkte 
darauf die grosse Machtstellung Herzog Heinrichs I., des Sohnes Bo- 
leslavs des Langen; sein Gebiet dehnte sich von den Nordgrenzen der 
Neumark bis über Krakau hinaus. 

Jene Wendung in den Geschicken Schlesiens ist nicht ohne Ein- 
fluss Kaiser Friedrichs I. geschehen. Wladyslaw II. war mit einer 
Stiefschwester Kaiser Konrads III., mit Agnes von Oesterreich ver- 

') Zeuss, Die Deutschen S. 601. Schafarik, Slavische Altertümer. Heraus- 
gegeben von H. Wuttke, 2, 673 ff. 

*) Stumpf-Brentano, Die Reichskanzler des X., XI., XU. Jahrhunderts, 

III, 80. 

•) Aug. Meitzen, Ueber die Kulturzustände der Slaven in Schlesien vor 
der deutschen Kolonisation (Abhandl. der Schles. Gescllsch. 1864, II, 75) behauptet, 
dass dem slavischen Anbau noch kein Dritteil des Landes unterzogen war. 

*) Grünhagen, Geschichte Schlesiens I, 47. 



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Karl Weinhold, 



mahlt gewesen. In zweiter Ehe heiratete er Christine, die Tochter 
Albrechts des Bären, des grossen Slavenzwingers. Seine Nachkommen 
zeigen starke Neigung, durch Verbindung mit den deutschen Fürsten- 
häusern sich an Deutschland anzulehnen. Boleslav der Lange, Wladys- 
laws II. Sohn, war mit Adelheid von Sulzbach vermählt; Heinrich L 
mit Hedwig von Andechs-Meran, der heiliggesprochenen; Heinrich II. 
hatte freilich Anna von Böhmen zur Gattin, allein seine Schwester 
Gertrud war mit Otto von Wittelsbach verlobt gewesen und ging nach 
des Bräutigams Untergang in das Trebnitzer Kloster. Boleslavs IL 
Frau war die Askanierin Hedwig, Heinrichs III. zweite Gemahlin 
Helene von Sachsen. Heinrich IV. der Dichter war mit Mechtild von 
Brandenburg verbunden. Heinrich V. hatte zwar eine Polin, Elisabeth 
von Kaiisch zur Gemahlin, aber zwei Töchter vermählte er an Deutsche: 
Hedwig an Otto von Brandenburg, Euphemia an Johann von Branden- 
burg und das zweite mal an Otto von Kärnten. Heinrich VI., der 
letzte Breslauer Herzog, war König Albrechts L Eidam. 

Die Herzöge, die wir mit deutschen Frauen vermählt nannten, 
sind zugleich die wichtigsten Förderer deutscher Einwanderung in 
Schlesien gewesen. Boleslav I. und sein Sohn Heinrich I. haben die 
Germanisation ihres Landes begründet. Ohne sie hätte dieselbe nimmer 
den guten und raschen Verlauf genommen. 

Ehe wir hiervon reden, ist zu erwähnen, dass vor den Deutschen 
romanische oder genauer wallonische Gäste nach Schlesien gekommen 
waren. Zunächst Augustinermönche aus Arrovaise in der Grafschaft 
Artois, die einer der reichsten polnischen Grossen, Graf Peter Wlast, 
1109 am Nordabhang des Zobtenberges in Gorka ansiedelte, und denen 
Peters Bruder kurz darauf die Breslauer Adalbertskirche mit Grundbesitz 
verlieh. Etwas später erhielten sie einen Teil der Sandinsel in Breslau 
und übersiedelten deshalb gegen Ende des 12. Jahrhunderts vom Zobten 
in die Hauptstadt. 

Mit diesen Mönchen, deren Verbindung mit dem Mutterkloster 
Arrovaise erst 1440 gelöst worden ist, vielleicht auch etwas später von 
ihnen gerufen, sind romanische Flandrer nach Schlesien gekommen, 
teils als Gewerbs- und Handelsleute, teils als Ackerbauer. Im 12. Jahr- 
hundert schon lag südöstlich vom alten Breslau um die Mauritiuskirche 
die platea gallica vel romana, die 1261 als geschlossene Gemeinde, als 
vicus S. Mauritii, erscheint 1 ) und die ihren Namen noch im 15. Jahr- 
hundert fortführte als Walgasse (d. i. Walhengasse) vor dem (Mischen tore. 

In Jankau bei Ohlau werden 1235 Romani erwähnt; die Kirche 
zu Würben im Ohlauer Weichbild hiess die ecclesia gallicalis, die welsche 
Kirche. Kreidel bei Wohlau hiess einst Walhendorf (olim gallicum). 
Derselbe Name dauert bis heute, obschon entstellt, in Wallendorf bei 



l ) In dem Registrum Wratislaviense , dem Verzeichnis der bischöflichen 
Ländereien und Zinse aus dem 13./14. Jahrhundert, heisst sie Romana sive Rana 
platea; sie stand unter einem bischöflichen Schulzen. Vgl. auch Stenzel (und 
Tzschoppe), Urkundensammlung S. 364 und A.Schultz, Topographie Breslaus 
im 14. und 15. Jahrh. in der Zeitschr. f. Gesch. Schlesiens, X, 279. Ueber die wal- 
lonischen Ansiedlungen in Schlesien Grünhagen, Les colonies Wallones en Silesie, 
in den Memoires de l'Academie de Belgique, XXXIII, 1867. 



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Die Verbreitung und die Herkunft der Deutsehen in Schlesien. 1(55 



Namslau (poln. richtig Wiochy) fort, das 1353 und 1373 Walendorf 
geschrieben ward und in dem Kegistrum Wratislavieuse als Prziacowicz 
Gallicorum von Prziacowicz polonicalis unterschieden wird. 

Zahlreich ist die welsche Einwanderung in Schlesien kaum ge- 
wesen und eine romanisierende Absicht haben die Augustiner auf dem 
Sande bei ihrer Förderung derselben nicht gehabt; denn sie begün- 
stigten schon im Anfang des 13. Jahrhunderts die deutsche Ansiedelung. 
Volkswirtschaftlicher Gewinn, nicht nationalpolitische Absicht, liess 
fremde, fleissige und erwerbstüchtige Menschenkraft in das slavische 
Land ziehen von dorther, wo sie sich eben anbot. Dass die Augustiner 
von Gorkau-Breslau Wallonen angesiedelt haben, beweisen Jankau und 
Kreidel, die ihnen gehörten. 

In den Urkunden erscheinen zuweilen Leute mit dem Namen 
Gallicus, die zu jenen Einwanderern oder ihren Nachkommen gehören. 
In Breslau gab es eine vornehme Familie dieses Namens, aus welcher 
Simon Gallicus, Kastellan von Wielun (1281 ff.), später von Nimptsch 
(1288), besonders hervorragte. Der Name begegnet auch Ende des 
i3. Jahrhunderts in Ohlau, bei Ottmachau, in Matzkirch bei Leobschütz 
unter Bürgern und Bauern Die deutsche Uebersetzung Walch wird 
dem Gallicus auch beigesetzt. Es haben sich diese Walche oder 
Wallonen unter den Deutschen und Polen bald verloren. 

Die deutsche Einwanderung in Schlesien hat, soweit wir aus 
schriftlichen Urkunden uns belehren können, die Stiftung des Cister- 
zienserklosters Leubus an der Oder durch Herzog Boleslav I. im Jahr 
1175 zum festen Anhaltspunkt. Thüringische Mönche aus der Coeli 
porta bei Naumburg wurden nach Leubus berufen. Pforta selbst war 
eine Tochter von Walkenried, das mit Mönchen aus Altenkamp bei 
Meurs in Geldern besetzt worden war, dem ersten Cisterzienserkloster 
auf deutschem Boden. Mit Hilfe sogenannter niederländischer Bauern 
hatten die Pförtner Mönche gleich ihrem Nachbar, dem Naumburger 
Bischof, die unbebauten Strecken ihrer Güter ertragsfähig gemacht, und 
die von ihnen nach Leubus entsandten Brüder begannen ein gleiches 
Werk. Landbau war ihre Ordenspflicht. 

Ihre Güter aus der Schenkung des Herzogs lagen um das Kloster, 
ferner um Breslau, Ohlau, Strehlen, Striegau und Jauer. Auch über- 
wies ihnen Bischof Siroslav von Breslau den Zehnten von den neuen 
Dörfern in der Liegnitzer Pflege (in potestate Legnicensi), die bereits 
gegründet waren oder noch gegründet werden würden. Das deutet auf 
eine schon vor 1175 fallende Einwanderung, deren guter Entwicklung 
man entgegensah. Wie hoch sich der Jfctrag dieses Zehnten belief, 
beweist der Widerruf desselben durch Bischof Jaroslav gleich beim 
Antritt seines Amtes 1198 und die Entschädigung in Höhe von 
1000 Hufen, die er auf Drängen seines Vaters, Herzogs Boleslav, zwar 
nicht den Leubuser Mönchen, aber dem ganzen Orden der Cisterzienser 
zwischen den Flüssen Ozoblog und Straduna versprach. Für uns bleibt 



l ) Everhardus Gallicus, Ohlau 1295, Grünhagen, Regesten III, 213; 
Johannes Gallicus, Bauer in Matzkireh 1296, ebendas. 239; Jesco Gallicus, Registr. 
Nissense; Hanco dictus Gallicus sive Walch de Pranechin 1300, Regesten III, 286. 



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Karl Weinhold, 



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die Erkenntnis bedeutend, dass Ende des 12. Jahrhunderts deutsche 
Dörfer mit gutem Erfolg und in nicht geringer Zahl in der Umgegend 
von Liegnitz gegründet waren. 

Im einzelnen vermögen wir sie nicht zu bezeichnen, da die Orts- 
namen allein nicht genügender Beweis sind. Aber aus Urkunden können 
wir vom Ende des 12. Jahrhunderts bis gegen Mitte des 13. deutsche 
Leute in folgenden Orten und Gegenden aufzählen: 

Unter Bischof Siroslav (1170—1198) im Trebnitzischen. 
1202, 1203 zwischen Jauer, Schönau, Bolkenhain. 
* 1206 bei Goldberg, 

bei Hundsfeld zwischen Weide und Dobra. 
1207 um Striegau in den Johanniterdörfern, 

im Schwiebuser Weichbild, 

um Frankenstein. 
1210 in Kittlau bei Nimptsch. 

Vor 1211 hatte Goldberg deutsches Recht und jedenfalls deutsche 
Bürger. 

1213 Schönfeld, Konradswalde und Ingramsdorf, westlich vom 
Zobtenberge. 

Vor 1214 hatte Sroda - Neumarkt deutsche Einrichtung, 1214 
Breslau, beide als Dörfer. Deutsche Kaufleute sind in 
Breslau weit früher ansässig gewesen. 

1217 war Löwenberg eine deutsche Stadt. 

1222 Ujest mit Deutschen besetzt. 

1224 Deutsche im Neumarktischen sicher bezeugt. Sie nennen 
den Wald gay in ihrer Sprache hegewalt. Deutsches Recht 
hatten die Dörfer Viehau und Kostenblut schon 1214 er- 
halten. 

Vor 1225 Deutsche in Bela bei Zülz. 

1225 Deutsche in Kostenthal bei Kosel. 

1228 Deutsche in der Einöde zwischen Bolkenhain und Lähn, 
in Klein-Oels bei Ohlau, 
in Zarzisk bei Rosenberg. 

Vor 1230 Deutsche in Ober-Peilau bei Reichenbach. Ihre Ein- 
richtungen dienen zum Muster für die deutschen Ansiedler 
zwischen Banau im Frankensteinschen und dem Grenzhag 
(der preseka). 

1234 Deutsche in Thomaskirch bei Ohlau. 

1247 in Grossstrehlitz westlich vom Zobten. 

Dürfte man die Aussetzung der Dörfer zu deutschem Recht der 
Besiedelung mit deutschen Einwanderern gleichstellen, so würde diese 
Reihe weit grösser sein Allein auch polnische Dörfer erhielten die 
den deutschen Gästen (hospites) gewährte Befreiung von persönlichen 
Lasten, eine Art Selbstverwaltung unter dem Schulzen und die Acker- 

') Verzeichnisse von Dörfern mit deutschem Recht beiStenzel, Urkunden- 
sammlung zur Gesch. des Ursprungs der Städte in Schlesien S. 110 ff. , 120 ff., 
158 ff. und bei Neuling, Ueber die Aussetzungen bis 1250 in der Zeitschr. f. 
schles. Gesch. XII, 156 ff. 



Die Verbreitung und die Herkunft der Deutschen in Schlesien. 167 



teüung nach fränkischer oder flämischer Art, um sie für den Grund- 
herrn einträglicher zu machen. Man darf daher deutsches Recht und 
deutsche Einwohnerschaft nicht als sich deckend annehmen. 

Sicherer können die Städte mit deutschem Recht für wesentlich 
deutsch in den Bewohnern in Anspruch genommen werden, wenn auch 
Polen darunter gemischt sein mochten. Die älteste schlesische Stadt 
mit deutscher Einrichtung und deutscher Bevölkerung scheint Goldberg, 
das sich schon 1211 ein Weistum über städtische Strafrechtspflege in 
Magdeburg holte. Neumarkt, das nicht viel später von Herzog Hein- 
rich I. als deutsche Gemeinde eingerichtet ward und damit vielen Orten 
bis tief nach Polen hinein Vorbild gewesen ist, war zunächst nur Dorf. 
Auch Breslau war damals nur als Dorf eingerichtet: 1214 hatte es 
einen Schulzen Godin, 1229 einen Schulzen Alexander; erst 1248 wird 
ein Breslauer Vogt genannt, und damit Breslau als herzogliche Stadt 
bezeugt 1 ). 

Löwenberg besass bereits 1217 ein geschriebenes Stadtrecht. 
Neisse war vor 1223 mit flämischem Recht be widmet und hatte einen 
Vogt, also städtische Einrichtung. 

Wie in Breslau ist in vielen schlesischen Städten das Dorf der 
Stadt vorangegangen. Nicht selten war damit ein Platzwechsel ver- 
bunden. Das alte Dorf ward von den neuen Bürgern verlassen, lebte 
aber als bäuerliche Gemeinde weiter, dem Ortsnamen ward dann Alt 
vorangesetzt. So finden sich heute noch die Dörfer Altjauer und Alt- 
Patschkau in der Nähe der vom Bach hinweg auf eine Höhe gerückten 
Städte Jauer und Patschkau. 

Oder der alte Ort ward zwar städtisch eingerichtet. Man verlegte 
aber trotzdem in der Folge, wahrscheinlich durch öftere Wassersnot 
getrieben, den Wohnsitz der Bürgerschaft auf einen höheren geschützten 
Platz. Der frühere Ort dauerte mit der ehrenden Benennung Altstadt 
fort. So haben wir eine Altstadt Lüben, Namslau, Neisse, Nimptsch, 
Neustadt (antiquum Lubin, antiquum Namslaw, antiqua civitas; alta 
civitas Czulz [Neustadt]), aber jetzt als Dorfgemeinen. In der Altstadt 
Reichenbach, die nur aus einem Gute mit Schmiede und zwei Wasser- 
mühlen besteht, haben die Besitzer Bürgerrecht in der eine halbe Stunde 
weiter östlich auf einen Hügel gerückten Stadt behalten. Die Altstadt 
Strehlen ist eine Vorstadt der jüngeren städtischen Gemeine geworden. 

Bei Dörfern lässt sich ein ganz ähnlicher Vorgang beobachten. 
Neben das alte slavische Dorf ward das neue deutsche mit Pfarrkirche 
gesetzt und durch das Wort Gross ausgezeichnet, während das alte das 
Vorwort Wenig (jetzt meist mit Klein vertauscht) erhielt: so Gross- 
Monau neben Wenig-Monau, Gross-Rosen neben Wenigen - Rogosen 
(jetzt Klein-Rosen) , Gross -Wandris neben Wenigen- Wandris (Klein - 
YVandris), Wenigen -Wirbitz (heute Schlanz) neben Gross -Wirbitz. 
Wenigen- Burg (Kleinburg), Wenigen -Tinz (Kleintinz), liegen von 
Grossburg, Grosstiuz entfernt. 



') Godinus soltetus 1214, Korn, Breslauer Urkundenbuch Nr. 1, Alexander 
scultetus de Wratislavia 1229, ebenda Nr. 8. advocatus noster Henricus Wratis- 
lavie 1248, ebenda Nr. 14. 



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Karl Weinhold, 



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Deutsches Stadtrecht besassen ausser den vorhin genannten Gold- 
berg, Löwenberg, Neisse und Neumarkt, im Jahre 1241 Trebnitz, 1242 J2TU 
Breslau, Striegau, 1243 Steinau O/S. 1249 ward Landeshut von den Grüss- 
auer Mönchen als deutsche Stadt gegründet, im selben Jahr erhielt Dorf 
Leubus Stadtrecht. 1250 gründete Heinrich III. Brieg auf Neumarkter, 
Wansen auf Neisser Recht; 1252 ward Liegnitz städtisch eingerichtet, 
im selben Jahr Schawoine nach dem Muster von Neumarkt, Zirkwitz 
nach dem von Neisse; ebenso erhielt Hundsfeld damals Stadtrecht. 
1253 ist Trachenberg auf das Recht von Goldberg und Löwenberg an- 
gelegt worden; im selben Jahr bekam Glogau Stadtrecht. Beuten O/S. 
ward 1254 Stadt, Oels erhielt 1255 deutsches Neumarkter Stadtrecht, 
1261 Constadt. 12(36 sollte Wilhelm, der Vogt und Erbrichter von 
Reichenbach, Bernstadt, das schon civitas hicss, städtisch einrichten. 
Es erhellt daraus, dass Reichenbach damals schon länger Stadtrecht 
besass. Städtische Einrichtungen sind auch für Oppeln, Patschkau, 
Lähn, Lissa, Sprottau, Leobschütz, Münsterberg, Weidenau, Nanislau, 
Schweidnitz, Jauer, Bolkenhain, Nimptsch, Ohlau in jenen Jahren sicher 
zu behaupten. 

1268 ward Grottkau nach Neumarkter Recht eingerichtet; 1270 
bestätigte König Ottokar von Böhmen die Rechte der Bürger in Leob- 
schütz (Lubsicz); um 1283 hat Frankenstein städtische Verfassung er- 
halten; 1285 bekam Winzig das Recht von Steinau a/O. ; 1200 grün- 
dete Herzog Heinrich IV. Herrnstadt auf deutsches Recht, wie es Sa- 
gau und Sprottau genossen; 1292 ward Strehlen als Stadt ausgesetzt, 
1293 Festenberg. Man darf behaupten, dass am Schluss des 13. Jahr- 
hunderts alle in der Folge als Stadtgemeinen bekannten Orte Schlesiens 
schon Städte gewesen sind *). 

Alle deutschen Einwanderer galten in Schlesien als freie Männer 
und wurden in dieser persönlichen Rechtsstellung mit den ihrigen von 
den Herzögen geschützt, wenn sie etwa der polnische Landadel darin 
kränken wollte. Ja die Gemeinschaft mit ihnen machte frei. Der 
Pole, der in einer deutschen Stadt oder in einem zu deutschem Recht 
ausgesetzten Dorfe wohnte, genoss die darin giltigen Rechte und Frei- 
heiten 2 ). 

Das Verfahren bei der Ansiedelung entsprach durchaus dem ver- 
tragsmässigen Vorgang, der zuerst 1106 zwischen dem Erzbischof von 
Bremen und sechs Holländern über Urbarmachung eines sumpfigen Land- 
strichs geschlossen worden war und der sich im Verlauf des Jahrhunderts 
überall bei der Anlegung der sogenannt niederländischen Kolonieen in 
Norddeutschland wiederholt hatte 3 ). 

l ) Stenzel in seiner Urkundensammlung S. 125 ff.; Grünhagen, Gesch. 
Schlesiens I, 88 f. 

a ) Cod. dipl. Sil. IX, 219; Jahresher. der Schles. Gesellsch. f. vaterl. Kultur, 
1844, S. 102. 

3 ) Vgl. in Kürze R. Schröder, Die niederländischen Kolonien in Nord- 
deutschland zur Zeit des Mittelalters. Berlin 1880. — Ueber Schlesien vgl. Stenzel 
in seiner Urkundensammlung S. 148 ff. und in seiner Geschichte Schlesiens, 212 ff. 
Ueber die ganz ähnlichen Brandenburger Verhältnisse L. Korn, Geschichte der 
bäuerlichen Rechtsverhältnisse in der Mark Brandenburg in der Zeitschr. für Rechts- 
geschichte XI, 1—43. Weimar 1873. 



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13] Die Verbreitung und die Herkunft der Deutschen in Schlesien. 169 



Um einen Unternehmer sammelte sich eine Anzahl Männer mit 
ihrem Acker- und Hausgerät (bourät), um ein neues Dorf anzulegen 
oder ein altes nach ihrer Weise umzugestalten. Der Unternehmer 
hatte mit dem Grundherrn unter Bewilligung des Landesfürsten einen 
Vertrag über die Anlage geschlossen. Die Dorfflur ward ihm über- 
wiesen und er steckte die Grenzen ab gegen die Nachbardörfer. Da- 
rauf ward das Ackerland zu Hufen vermessen und die Gemeindeweide 
und der Gemeindewald ausgeschieden. Von den Hufen erhielt jeder 
Bauer eine, der Pfarrer als Widemut ein bis drei (gewöhnlich zwei), 
und der Unternehmer mehrere *). 

Alles war zu freiem erblichem Eigentum Übergeben, von dem an 
den Grundherrn nur der Hufenzins und an den Bischof der Zehnten zu 
geben war. An Diensten hatten die Deutschen nur die Heeresfolge 
(expeditio) und die Fuhren beim Bau landesfürstlicher Burgen zu leisten. 
Von allen polnischen Frohnen und Zinsen waren sie ebenso frei 2 ) als 
von dem Gericht der Kastellane. 

Die obere Gerichtsbarkeit über die deutschen Orte hatte der 
Herzog, der sie persönlich oder durch seinen Hofrichter übte. Die 
niedere war dem Unternehmer (locator) vom Herzog übertragen, der 
davon den Schultheissentitel führte : schlesisch scholtisse, scholtis, Scholz 
oder scholze, latinisiert scoltetus. Er leitete das Dorfgericht, das mit 
Schöffen aus der Gemeinde besetzt war und vollstreckte das Urteil. 
Von den Gerichtsgefallen erhielt der Herzog zwei Drittel, der Scholze 
eines, den sogenannten dritten Pfennig. 

Zu dem Schulzengut (scoltetia, Scholtissei) , das von Zinsen und 
Zehnten frei war, gehörten gewöhnlich noch eine Schenke (Kretscham, 
kreczira, poln. karczma), eine oder zwei Mühlen, die Schlacht- und 
Backgerechtigkeit, auch zuweilen eine Schmiede und andere Vorteile. 

Dafür hatte der Scholz den Grundzins der Bauern einzusammeln, 
im Kriege mit einem Rosse zu dienen und beim Dreiding (dem drei- 
mal im Jahre gehaltenen ungebotenen Gericht) den Gerichtsherren zu 
bewirten. Die ausserordentlichen Steuern (die Beden) des Herzogs 
musste der Scholz gleich den Bauern bezahlen. 

Seit 1260 werden die Bedingungen für die Aussetzer und Schulzen 
der deutschen Dörfer ungünstiger und die Auflagen auf die Bauern 
grösser, was als Beweis des Ueberflusses an Kolonisten gelten "darf. 

In dem ersten Jahrhundert wurden die Anbauer in der Regel auf 
eine bestimmte Zahl Jahre, je nachdem sie in Waldland oder auf ur- 
barem Boden angesetzt waren, von allen Abgaben befreit. 

Die deutschen Dörfer bildeten nach allem diesem freie Gemeinden 



') Die Zahl der Hufen des Schulzengutes ist sehr verschieden. In dem 
engeren Bezirk von Neissc im Bischofslande gab es nach dem 1280 — 1320 ange- 
legten Landbuche Scholtiseien von 2—18 Hufen. Wenn in sehr kleinen Dörfern, 
die im ganzen nur 11 oder 22 Hufen hatten, der Scholze nur 2 empfing, darf 
es nicht verwundern. Aber auch in dem 55 Hufen grossen Walddorf und dem 
70 Hufen grossen Jakobsdorf hatte er nur 2. 

a ) In den Gründungsurkunden werden die polnischen Lasten, von denen die 
Deutschen befreit sind, mehr oder minder ausführlich aufgezählt. Vgl. u. a. Stenzel, 
Urkundensamml. Nr. III, XXVII, XLII. Häusler, Geschichte des Fürstentums 
Oels S. 54 f. 



170 



Karl Weinhold, 



[14 



mit eigener Verwaltung, mit Teilnahme an der Rechtspflege, mit 
festen massigen Leistungen, deren keine die Freiheit minderte. Der 
Bauer war freizügig und konnte seinen Besitz nach seinem Willen ver- 
kaufen und nach seinem Recht vererben. In den polnischen Dörfern 
sassen dagegen unfreie Leute mit zahlreichen und schweren Lasten, 
träge auf einem Boden arbeitend, der, wie es scheint, nicht fest ver- 
teilt ward und von dem sie nach des Grundherrn Belieben verjagt 
werden konnten. 

Von einem vorbehaltenen Hufenbesitz der Grundherrsehaft oder 
einem Rittergut zeigt sich in den deutschen Dörfern, soweit die ältesten 
Urkunden in Betracht kommen, keine Spur. 

Die Anlage der deutschen Städte in Schlesien geschah in der- 
selben Weise als die der Dörfer. Auch hier ward zunächst die Flur 
vermessen und abgesteckt, denn jede Stadt erhielt ausser dem Bauplatz 
eine bestimmte Zahl Ackerhufen. Der Plan der Stadt wurde mit Mess- 
schnur und Winkelmass festgestellt. Ziemlich in der Mitte des Plans, 
meist auf der Höhe des Baugrundes, steckte man den viereckigen Haupt- 
platz ab, von dem genau nach den vier Himmelsgegenden die geraden 
Gassen ausliefen, teils aus der Mitte der vier Seiten, teils aus den 
Ecken, zuweilen aus Mitte und Ecken. Quergassen schnitten wieder 
die Langgassen im rechten Winkel. 

Der Marktplatz hiess und heisst der Ring in Schlesien, Böhmen, 
Mähren, Polen (rynek), in der Zips und in Siebenbürgen. Ring ist 
das deutsche Wort in der alten Bedeutung von Versammlung, Ver- 
sammlungsort, namentlich für öiFentliche Verhandlungen. Man könnte 
auch an rinc denken in der Bedeutung des Mittelpunktes eines Heer- 
lagers, wo des Anführers Zelt stand 1 ). Denn in der Mitte des Rings 
erhebt sich das Rathaus mit seinem Turm, dem Leinwandhause und 
allerlei Kaufkrämen und Bänken. 

Die Pfarrkirche der Stadt liegt dem Ringe ganz nahe. Kleinere 
Plätze, Pläne genannt, wurden am Ende mancher Nebengassen aus- 
gespart. 

So sind fast alle schlesischen Städte gebaut. Nur wenige alte 
Orte, die früh deutsches Recht erhielten, aber auf demselben Platze 
blieben t behielten die alte unregelmässige Anlage ihres ältesten Kerns 
bei; so Neumarkt. Die anderen alle sind auf einmal ganz neu nach 
dem Baumeisterriss aufgebaut, dem Charakter der Kolonistenstädte ent- 
sprechend. In Lübeck und Kiel, in Prag, Krakau, Kremsier und über- 
all im Osten, wo der deutsche Einwanderer neue Städte baute, treffen 
wir die gleichen regelmässigen Stadtpläne ausgeführt. 

Die Einrichtung der Stadt *) übertrug der Herzog einem meist 
ritterbürtigen Unternehmer, welcher der Vogt und Richter des Ortes 
ward und diese Aemter mit allen daran hängenden Genüssen in seiner 
Familie auf männliche und weibliche Glieder vererben durfte. Er hiess 
darum der Erbvogt oder Erbrichter, advocatus oder judex haereditarius, 



>) Be necke -Müller, Mittelhochdeutsches Wörterbuch II, 1, 707. 
2 ) Stenzel in seiner Urkundensammlung 178—265 und kürzer in seiner 
Geschichte Schlesiens 8. 217 fl'. 



Die Verbreitung und die Herkunft der Deutschen in Schlesien. 171 



und entspricht dem Erbscholzen der Dörfer. Er erhielt ein zins- und 
lastenfreies Haus oder die Nutzung der herzoglichen Burg nebst einem 
Anteil an den Ackerhufen, an den Brot-, Fleisch- und Schuhbänken 
oder auch den ganzen oder teilweisen Grundzins der Bänke, Einkünfte 
von der Gewandkammer und den Reichkrämen und örtlich verschieden 
auch noch andere Genüsse. Gleich dem Scholzen des Dorfes zog der städ- 
tische Vogt oder Richter den dritten Pfennig der Gefälle der niederen 
Gerichtsbarkeit, die er pflegte. Die hohe oder Strafgerichtsbarkeit 
hatte der Erbvogt nur in Breslau und in den Städten auf Bischofs- 
boden, sonst hegte sie der Herzog persönlich oder durch den Hofrichter 
ganz wie auf den Dörfern. Die Berufung ging überall von dem Unter- 
, richter (Scholz oder Vogt) an das Hofgericht. 

Die Beisitzer des Erbrichters waren die aus der Bürgerschaft ge- 
wählten Schöffen. 

Die Bürgerschaft hat sich zur selbständigen Gemeinde in den 
schlesischen Städten erst durch die Einführung der Magdeburgischen 
Städteverfassung erhoben. Breslau war die erste Stadt Schlesiens, die 
solches 12GG erreichte. Die grösseren und bedeutenderen Städte folgten 
noch im 13. Jahrhundert nach. Sie wurden nun von selbst gewählten 
Vorständen, den Ratmannen, deren Haupt Rat- oder Bürgermeister hiess, 
verwaltet. Dieselben hatten über Handel und Wandel, über innere und 
äussere Sicherheit, Über das Vermögensrecht, über die Innungen und 
über Zucht und Sitte zu wachen und des Nutzens der Stadt überhaupt 
wahrzunehmen. Dabei konnte es nicht an Zusammenstössen mit dem 
Erbvogt fehlen, in dessen Machtgebiet dies alles eingriff. So begannen 
die Städte nach Beseitigung des Erbvogts zu streben, um die ungehinderte 
Selbstverwaltung zu gewinnen. Den meisten bedeutenderen Städten ge- 
lang es im 14. Jahrhundert, am frühesten Breslau, Brieg, Glogau, Glaz 
und Striegau. Sie kauften erst teilweise, dann ganz die Erbvogtei und 
leisten also die Rechte der im Erbbesitz befindlichen Familie ab 1 ). 

Die Leistungen der Bürger an den Grundherren bestanden in dem 
Hufenzins und in dem Erdzins von dem Hause in der Stadt, sowie je 
nach dem Gewerbe in der Abgabe von den Bänken, Krämen oder 
Kammern. Die Zölle traten hinzu, so dass eine Stadt für den Herzog 
eine ergiebige Einnahmequelle ward. Ueberhaupt ging ein ungeahnter 
Wohlstand von dem sich kräftig entwickelnden Leben der Deutschen 
in Schlesien aus. 

Freilich hat es auch nicht an Hemmungen und manchem Miss- 
wachs gefehlt. Die deutschen Ansiedler fanden den Garbenzehnten, 
den Bischof Lorenz mit grosser Strenge von ihnen forderte, drückend 
und klagten bei dem Herzog Heinrich I. Da manche sofort das Land 
verliessen, fürchtete der Fürst ein Stocken oder gar ein Aufhören der 
Einwanderung. Er verklagte daher den Bischof beim Papst Honorius III. 
und dieser überwies (1220, den 2. März) die Sache an Naumburger und 
Meissener Geistliche zur Untersuchung. Ein Vergleich war die Folge, 
nachdem der Bischof mit Rücksicht auf die vom Herzog gebrachten 



') Ueber die Entwicklung der städtischen Verhältnisse in Breslau: Mark- 
graf, Breslauer Stadtbuch (Cod. dipl. Sil. XI) S. VII— L VI II. 



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172 



Karl Weinhold, 



[16 



Opfer in die Ablösung des Garbenzehnten der Deutschen zwischen 
Krossen und Otmachau gegen den Zins eines Vierdungs von jedem 
Morgen Neuland willigte x ). 

Etwas später beschwerten sich die Deutschen über die Forderung 
des Breslauer Bischofs, die langen polnischen Fasten vom Sonntage 
Septuagesimae bis zum Ostertag zu halten. Nach deutscher Art 
wollten sie erst mit Aschermittwoch auf den Fleischgenuss verzichten. 
Der päpstliche Legat Jakob trat auf der Breslauer Synode von 1238 
für sie ein und die Synode beschloss zu ihren Gunsten. Als Papst 
Urban IV. bestätigte der frühere Legat den Synodalbeschluss 12b'3 2 ). 

Solcher Erfolg war nur möglich, weil die fremden Gäste, die zum 
Anbau des Landes aus Deutschland gekommen waren (qui ad incolen- 
dam terram eandem de Theutonia advenerant) einen nicht mehr zu ent- 
behrenden Teil der schlesischen Bevölkerung ausmachten. Und durch 
sie ist es denn auch im wesentlichen bewirkt worden, dass der Garben- 
zehnten im ganzen Breslauer Sprengel 1262 allgemein in einen Geld- 
zins umgewandelt wurde. 

Aber gerade dieses reizte den polnischen Klerus, der von Anfang 
an gegen die Einwanderer, mit denen deutsche Geistliche in die neuen 
und einträglichen Pfarreien einzogen, nichts weniger als Zuneigung 
fühlte. Er hat, von dem polnischen Landadel und den oberschlesischen 
Herzögen unterstützt und durch die Bischöfe der alten polnischen 
Schwesterdiöcesen gefördert, seit jener Zeit der Verbreitung des Deutschen 
möglichsten Widerstand geleistet, und so erklärt es sich, dass von da 
ab dasselbe auf dem Lande keine rascheren Eroberungen gemacht hat. 

In dem grossen Kirchenstreite zwischen Herzog Heinrich IV. und 
Bischof Thomas IL spielten die Gegensätze zwischen Deutsch und Pol- 
nisch auch mit 3 ). Die deutschen Minoriten hielten zum Herzog, und 
es trennten sich infolge dessen acht Konvente, nämlich Breslau, Brieg, 
Schweidnitz, Neisse, Goldberg, Löwenberg, Sagan und Namslau von der 
polnischen Franziskanerprovinz und traten 1284 zur sächsischen über. 
Nur Liegnitz, Grossglogau, Oppeln und Oberglogau blieben im alten 
Verbände. Als der Gnesener Erzbischof den Bischof von Breslau 
wegen dieses unerhörten Vorgangs in seiner Diöcese zur Rede stellte, 
hatte dieser nur Worte der Erbitterung über die pestifera morbus, 
welche die sächsischen Minoriten eingeschleppt hätten, und welche die 
ganze polnische Kirche anzustecken drohe 4 ). 

Wie hoch die Zahl der Einwanderer gewesen ist, die bis gegen 
Ende des 13. Jahrhunderts in Schlesien sich festsetzten, ist kaum mit 
Sicherheit zu berechnen. August Meitzen hat nach der Zahl der 
Dörfer, in denen sich deutsche Flurteilung nachweisen lässt, und die 
er auf 1500 schätzt, und indem er jedes Dorf zu 40 — 50 Hufen und 
jede Hufe zu 2 — 3 Seelen berechnet, die deutsche ländliche Einwanderung 
im 13. und 14. Jahrhundert zu 150 — 180000 Köpfen angeschlagen 5 ). 

») Grünhagen, Regesten I, Nr. 304. 315. 

2 ) Bericht« der Schles. Gesellsch. f. vaterländ. Kultur. 1840, S. 199. 207. 

3 ) Stenzel, Gesch. Schlesiens S. 76. Grün ha gen, Gesch. Schlesiens 1, 107. 

4 ) Grünhagen, Regesten III, 54. 

*) Urkunden schlesischer Dörfer zur Geschichte der ländlichen Verhältnisse 
und der Flureinteilung insbesondere. (Cod. diplom. Siles. IV.) Breslau 1863, S. 103. 



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17] Die Verbreitung und die Herkunft der Deutschen in Schlesien. 173 

Ich möchte die Ziffer für zu hoch halten. Da im 14. Jahrhundert 
schwerlich noch irgend, erhebliche Nachschübe kamen, handelt es sich 
eigentlich nur um die Einwanderung des 12. und 13. Jahrhunderts. 
Diese aber mit einiger Sicherheit zu bestimmen, hindert die Ueber- 
tragung deutscher Ackerwirtschaft und Dorfverfassung auf ganz pol- 
nische Ortschaften. Wir sind also nicht imstande, die Zahl der Dörfer, 
die nicht bloss nach dem Recht, sondern auch nach Herkunft der Be- 
wohner deutsch sind, zu bestimmen und damit fehlt die Unterlage der 
Berechnung. 

Wenn von anderer Seite die heutigen deutschen oder deutsch 
klingenden Ortsnamen zur Grundlage einer Zifferaufstellung für die 
Einwanderung gemacht wurden, so ist das entschieden zu verwerfen, 
da der heutige deutsche Name oft ein jüngeres Erzeugnis ist. Ueber- 
setzungen und Umbildungen haben hier sehr stark eingegriffen ! ). 

Wir können leider die Geschichte der Germanisation Schlesiens 
nicht ausreichend und eingehend entwerfen, da die Mittel dafür nicht 
genügen. Indessen dürfen wir wohl mit einiger Sicherheit behaupten, 
dass die Städte am Gebirge vom Queiss bis Leobschütz in der zweiten 
Hälfte des 13. Jahrhunderts deutsch waren, und dass auch in den an- 
deren Städten Nieder- und Mittelschlesiens auf der linken Oderseite 
das Deutsche in dem angesessenen Bürgerstande überwog. 

Selbst Ratibor, das doch bis heute von einer polnischen Land- 
bevölkerung umgeben ist, weist 1293 nur deutsche oder biblische 
Namen der Kaufleute auf, und das ebenfalls ins Polnische eingebettete 
Oberglogau hat nur deutsche Bürgernamen in den Urkunden von 1295 
bis 1298 *). 

Auf dem Lande lagen die nationalen Verhältnisse freilich in der 
zweiten Hälfte des 13. Jahrhunderts noch so, dass es rein deutsche Ge- 
genden schwerlich gab. Deutsche und Polen wohnten im Gemenge, 
d. h. neben rein deutschen Kolonistendörfern lagen Dörfer mit ge- 
mischter Bevölkerung und durchaus slavische selbst im Gebirge. 

Der Frankensteiner Kreis z. B., der altes Kulturland ist, war im 
Anfang des 13. Jahrhunderts ganz polnisch. Die Stiftungsurkunde von 
Kamenz 1210 zeigt nur polnische Dorfnamen. Fünfzig Jahre später 
hat die Verdeutschung hier Boden gewonnen, denn in der Bestätigungs- 
urkunde von 1260 werden zwar noch viele ganz polnische Namen auf- 
geführt, einer Anzahl anderer aber deutsche Benennungen als die 
neueren oder jetzt allein gültigen beigefügt. 

Das Neisser Bischofsland war bei Aufnahme des Registrum (1280 
bis 1320) deutsch und polnisch gemischt, mit Uebergewicht des Deutschen. 
Der Otmachauer Bezirk jedoch war, nach Orts- und Personennamen zu 
schliessen, fast ganz polnisch. Zu deutschem Recht freilich waren von 
den ungefähr 5500 Hufen des Bischofslandes nur etwa 500 nicht aus- 
gesetzt. 

Der westlich an Frankenstein grenzende Reichenbacher Kreis ist 
mehr als die meisten anderen Neuland. An seinen Rändern freilich 



M Meine Ausführungen in der Zeitschr. f. Scbles. Gesch. XXI. 241 f., 248 f. 
»J Regeaten III, 193. 209. 257. 

ForRcbunKon inr deutlichen Landes- und Volkskunde. II. 3. 12 



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174 



Karl Weinhold, 



liegen alte polnische Dörfer: Ovesno Habendorf, Beiava Bielau, Pilava 
Peilau, Gola Guhlau, Lgota Elgut, Slupice Schlaupitz, Kelczin Költschen. 
Alle übrigen Orte aber sind Neugründungen des 13. .Jahrhunderts und 
selbst in Peilau waren früh zahlreiche Deutsche angesiedelt schon vor 
1230. Hier hatte also das Deutsche verhältnismässig zeitig das 
Uebergewicht. 

Aehnlieh steht es im Waldenburger und Landeshuter Kreise. 
Dagegen ist der Hirschberger stark von Slaven besiedelt gewesen und 
das Deutsche wird hier erst allmählich zum Uebergewicht gekommen sein. 

Um die Mitte des 14. Jahrhunderts gab es im Boberthai um 
Lähn so viel Polen, dass das Kloster in Liebenthal 1349 dem Pfarrer 
von Lähn die Bergkapelle neben dem Städtlein samt erforderlicher 
Ausstattung zur Anstellung eines Deutsch und Polnisch verstehenden 
Kaplans übertrug *). Damals wird also die Bobergegend bis über 
Löwenberg hinab zwar überwiegend, aber keineswegs rein deutsch ge- 
wesen sein. 

Wie es im Flachlande stund, mag der Neumarkter Kreis beweisen, 
in dem sehr früh, wie oben S. 16(5 [10] gezeigt ward, Aussetzungen 
zu deutschem Recht geschehen waren. Aus Urkunden von 1297, 1298 
sehen wir, dass der um Kostenblut und Schöbekirch angesessene Adel 
und die Bauernschaft von Landau noch ganz polnisch war 2 ). Das be- 
leuchtet die dortigen Verhältnisse überhaupt. Die Bauernnamen aus 
Krampitz in Urkunden des 15. Jahrhunderts machen noch einen ganz 
polnischen Eindruck. Man !>•-•>* 1401 Paschko Kramschitz, Swantko Hinder, 
Jan Drosla, Mathis Sdume, Janusch Damko, Janusch Laffky, Stacho de 
Wrizen, Maczko Kundschocke; 1406" Petir Przenczke; 1408 Peter Polt- 
schak; 1409 Stanko Krantschicz, Swantko von Nyperin, Pavel Strege; 
1411 Franczke Trziga; 1428 Nicolaschko von Crampicz; 1433 Nico- 
layke von Crampicz; 1465 Paul Kostka 3 ). Und wie im 15. Jahr- 
hundert, so hat der Neumarkter Kreis, wie wir sehen werden, auch 
noch weit später Reste der alten slavischen Bevölkerung bewahrt. 

Rückschlüsse von den Sprachverhältnissen des 18/19. Jahrhunderts 
auf die im 14/15. berechtigen zu der Behauptung, dass 3—4 Meilen 
südlich von Breslau das Polnische damals noch geherrscht hat und dass 
es auch südlicher bis an die böhmische Grenze hin, wenigstens östlich 
des Zobten, noch nicht ganz erloschen war. 1295 stiftete Herzog 
Heinrich V. die Marienkirche in der Stadt Nimptsch, damit Polen und 
Deutschen in ihr das Sakrament gespendet werden, d. h. Beichte ge- 
hört werden konnte 4 ). 

Ich habe mir tafelförmig die Personennamen zusammengestellt, 
die in den Urkunden von der ältesten Zeit bis 1250, dann von 1250 
bis 1280, endlich von 1280 — 1300 vorkommen. Da ergibt sich eine lang- 
same Abnahme des slavischen Elements. Doch muss erwogen werden, 
dass auch Polen deutsche Namen geführt haben und dass wohl auch 
das umgekehrte Verhältnis, namentlich beim Adel, vorkam. Der Bürger- 

') Liebenthaler Urkunden Nr. 7 im Breslauer Staatsarchiv. 

a ) Regesten III, 249. 256. 258. 

•) Cod. dipl. Siles. IT. 218 f., 220. 222. 

4 ) Regeeten III, 224. 



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Die Verbreitung und die Herkunft der Deutschen in Schlesien. 175 



stand tritt in diesen Urkunden weniger hervor. Man möge nach Aus- 
schnitten der Sammlung selbst urteilen: 

Bis 1250. Bis 1280. 

Gallus Gallus 
Gamba Gandko, Ganzka 

Gaudentius 

Gebehardus 1 ) Gebhardus 
Gerardus, Gerhardus, Gerhardus 
Gervardus 



Bis 1300. 

Gallus 
Gambovar 



Gerlacus, Gerlaus 
Gerold 
Gertrud 
Gerung 
Getlep, Getko 

Gnevomir 

Godefrid, Godek, Godko, 
Godisco, Godis, 
Godinus 

Golec, Golich, Goluch 

Goleb, Golost 

Gostislavus, Gostek 

Gozlaus, Goslaus, Gozyk 

Goswinus 

Gregorius 

Grimislaus 

Guntherus 



Gerlacus 

Gilbert, Giselbert 
Giselher, Gysier 

Gobiin 

Godislav, Godin, Gotkin, 
Gothard, Gotschalk 

Golinus, Goluh 

Gordianus 

Goslaus 

Goswinus 

Gregorius 

Grimislaus 

Guntherus 

Gundlach 



Gebehardus 

Gerhardus, Gerardus, 

Gervardus 
Gerlach 
Gernot 
Gertrud 

Ge r u n g,Gerko,Gerwich 

Gesco, Giselbert 
Giselher, Gysila (m.) 
Goblo 

Godekinus, Godinus, 
Godefridus, Gotfrid, 
Gothard, Gotschalk 



Goslaus, Gozko 

Goswinus 

Gregorius 

Grimislaus 

Guntherus 

Gyzcho, Gyco 



Radah, Radak, Radik 
Radim, Radon 
Ratibor 
Radolf 

Radomilus, Rathimir 

Radoslaus, Redslav 

Rados, Radost, Ratis 

Rezech 

Ramold 

Rambold 

Reginaldus, Reinoldus, 
Rinoldus 

Rinerus 



Radocho 

Radun 

Ratibor 

Retmorus 

Radlaus 

Rasicha 

Rezek, Rezco 

Ramold, Ramfold 

Rambold, Rembold 

Rainoldus, Reinoldus 



Radaco 



') Die gesperrt gedruckten Namen sind häufig. 



Radslaus 
Radzicus, Rasco 



Reinaldus, -oldus, 
Reinboldus, -boto 
Reinhardus 

Reinerus, Reinsko, 
Renko 



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176 

Bis 1250. 
Richolfus 

Robertus, Rupertus, 

Roprechtus 
Rudigerus 
Rudolfus 
Rutemarus 
Rudny, Rudzivoy 
Rodirsi 
Rotcho 

Rosecus, Rozvadus 
Ruzota 
Roszlavus 
Roslec, Rostko 
Rumoldus 



Wo das deutsche Leben in Schlesien Wurzel geschlagen hatte, 
grünte es auch frisch und kräftig auf. Gegen Ausgang des 13. Jahr- 
hunderts beginnt unser Land an der deutschen Poesie teilzunehmen. 
Voran geht der Herzog Heinrich IV. von Breslau, ein ebenso kräftiger, 
hervorragender Fürst als ein zarter Lyriker. 

Ein Zeitgenosse des Herzogs war Dietrich von Glatz, der Dichter 
einer üppigen gereimten Liebesnovelle aus orientalischem Stoff Er 
dichtete dieselbe im Auftrag Wilhelms, des Sohnes des Vogts von 
Weidenau. 

Im Jahre 1300 vollendete der Johanniterpriester Johann, geboren 
von Pohhi dein lande üz einer stat, diu Frankenstein den namen hat, 
sein Passionsgedicht im Ordenshause auf der Kärntnerstrasse zu Wien 2 ). 
Zwischen 1301 und 1305, zur Zeit König Wenzels II. von Böhmen, 
dichtete ein ungenannter schlesiseher Geistlicher im Dienste Herzogs 
Bolko II. von Münsterberg eine Erzählung von der Kreuzfahrt des 
1190 vor Akkon gestorbenen Landgrafen Ludwig von Thüringen 3 ). 

Sind auch die beiden geistlichen Poeten ohne grössere Begabung, 
so beweisen sie doch, dass sich das Verlangen, an dem deutschen Geistes- 
leben thätigen Anteil zu nehmen, unter den Nachkommen der deutschen 
Ansiedler in Polen, wozu Schlesien draussen im Reich noch immer ge- 
rechnet ward, tüchtig rührte. 

In der Bürgerschaft der Städte erwachte gleichzeitig der Wunsch 
nach dem Unterricht der Jugend. Es ward nach Errichtung von Pfarr- 
schulen gestrebt. Für eine Anzahl schlesiseher Städte ist ihr Bestand 



') Das Gedicht „Der borte" ist gedruckt bei v. d. Hagen, Gesamtabenteuer I, 
Nr. XX. Ein Vogt Wilbelm von Weidenau, der als Kreuzritter starb, wird in einer 
Urkunde von 1296 als tot erwähnt. Regesten III, 242. 

2 ) Der Kreuziger des Johann von Frankenstein. Herausgegeben von Khull. 
Tübingen 1882. 

3 ) Herausgegeben von v. d. Hagen. Leipzig 1854. 



Karl Weinhold, 

Bis 1280. 
Richolfus, Richardus 
Richwin, Ripert 
Rizo, Ryza (m.) 
Roppracht 



[20 



Bis 1300. 
Richoldus, Richolfus 
Richwinus 



Robert, Rubin 
Roland, Ruland 
Rudigerus, Rodegerus Rodger, Rudger, Ruger 

Rudlo 



Rozlaus 



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Die Verbreitung und die Herkunft der Deutschen in Schlesien. 177 



in dem 13. und 14. Jahrhundert bezeugt "j. Durch das ganze 14. Jahr- 
hundert lässt sich ein erfreulicher Aufschwung der wissenschaftlichen 
Bildung in Schlesien von Jahrzehnt zu Jahrzehnt wachsend verfolgen. 
Es entstehen geistliche, geschichtliche, medizinische Schriften in deut- 
scher und lateinischer Sprache 2 ), und so wird der Grund zu der guten 
humanistischen Bildung gelegt, durch welche sich die Schlesier im 
16. Jahrhundert auszeichneten, wie kein geringerer als Philippus Melanch- 
thon von ihnen rühmt, der auch die weite Verbreitung solcher Bildung 
unter den Schlesiern und ihre Begabung für Poesie und Redekunst 
hervorhebt 3 ). 

Das Deutsche war in den Städten des Landes früh Geschäfts- 
und Amtssprache. Zwar wurden die Urkunden und Protokolle im 
13. Jahrhundert grösstenteils nach dem Brauche der Zeit lateinisch 
abgefasst. Allein mit dem Jahre 1261, als die Magdeburger Schöffen 
das Weistura über ihre Stadtverfassung deutsch an Herzog Heinrich III. 
zur Uebertragung auf Breslau gaben, erhielt das Deutsche eine Stellüng 
neben dem Latein. Mit 1280 beginnen deutsche Urkunden in Schlesien, 
herzogliche und städtische. Von 1314 besitzen wir die deutsche Urkunde 
eines Geistlichen, des Abts vom Vincentkloster in Breslau. Und in 
der zweiten Hälfte des 14. Jahrhunderts greift der schriftliche Amts- 
gebrauch des Deutschen selbst in Oberschlesien bei Weltlichen immer 
weiter um sich. 

In Brieg beschloss der Rat mit Aeltesten und Geschworenen 1396, 
die Eintragungen in die SchöffenbUcher fortab deutsch machen zu lassen, 
weil im Latein Irrtümer unterlaufen könnten. Erwähnung verdient auch, 
dass Herzog Heinrich VI. die Bürger von Breslau davon befreite, dass 
das polnische Landgericht, die zuda, sie polnisch vor sich laden dürfe *). 

Aber trotz der Fortschritte ging es für die Deutschen nicht ohne 
Kampf ab. Der Gegensatz der beiden Nationen hatte schon in dem 
Kirchenstreit unter Herzog Heinrich IV. gewirkt, wie wir früher er- 
wähnten. Er trat in den Zeiten des streitlustigen Bischofs Nanker 
(1327 — 1341) besonders scharf hervor 6 ). Der Klerus war national 
gespalten. Die polnische Partei fand an den Gnesener Metropoliten, 
an dem päpstlichen Legaten und durch diesen beim Papst selbst Unter- 
stützung. Die deutsche ward durch König Johann von Böhmen be- 
günstigt, der seine Erwerbungen schlesischer Fürstentümer damals 
begann. Sein Werk vollendete der Sohn, Karl IV., der 1348 als 
römischer König vierzehn schlesische Fürstentümer der Krone Böhmen 
als Lehen verband und diese Einverleibung als römischer Kaiser am 



*) Stenzel, Geschichte Schlesiens S. 324 ff. 

*) H. Rücken. Entwurf einer systemat. Darstellung der schles. Mundart 
im Mittelalter, herausgegeben von P. Pietsch, S. 18 — 22. Stenzel, Geschichte 
Schlesiens S. 881. A. Th. Henschel, Schlesiens wissenschaftl. Zustände im 
14. Jahrhundert. Breslau 1850. 

') Melanchthon schrieb an Herzog Heinrich von Liegnitz: „Non alia gens 
in Germania plures habet eruditos viros in tota philosophia — nec in ulla parte* 
Germaniae plures ex populo discunt et intelligunt doctrinas, multi etiam ad poesin 
et eloquentiam idonei sunt. 

*) Klose, Von Breslau 1, 626. 

») Grünhagen, Geschichte Schlesiens I, 161 ff. 



178 



Karl Weinhold, 



[22 



9. Oktober 1355 unter Zustimmung der Kurfürsten bestätigte. Als 
1392 die Fürstentümer Schweidnitz und Jauer durch den Tod der 
letzten Herzogin Agnes im Erbgang an Böhmen fielen, war ganz 
Schlesien ein böhmisches Nebenland geworden und für immer von 
Polen losgerissen. Es stund nun wenigstens mittelbar verbunden zum 
römischen Reiche deutscher Nation. Die Loslösung des Breslauer Bis- 
tums von dem Gnesener erzbischöflichen Stuhl und die Verbindung 
mit dem Prager Erzsprengel gelang jedoch dem Kaiser nicht. 

Wenn die beiden Luxemburger Johann und Karl das Deutschtum 
in Schlesien auch nicht unmittelbar förderten und pflegten, so geschah 
es doch sicher mittelbar, vornehmlich durch Förderung von Handel und 
Gewerbe in den Städten, somit durch Steigerung des Wohlstandes des 
deutschen Bürgertums. Das Bewusstsein, deutsche Reichsfürsten, ja in 
Karl IV. den Kaiser selbst zum obersten Herzog zu haben, ist für 
die deutschen Schlesier von hohem Werte gewesen. Den Unterschied 
empfanden sie schon unter Karls Sohn, König Wenzel. Aber dann 
kam wieder unter König Sigismund ein Freudentag, als derselbe an- 
fangs 1420 einen Reichstag nach Breslau berief. Damit war Breslau 
als ansehnliche Stadt des deutschen Königs beglaubigt. 

Wie stark das deutsche Bewusstsein bei den deutschen Schlesiem 
im Anfang des 15. Jahrhunderts entwickelt war, bezeugt das Auftreten 
der schlesischen Professoren an der Prager Universität gegen die von 
Huss geführte und von König Wenzel gestützte tschechische Anmassung. 
Die Führer des Auszugs der nicht tschechischen Lehrer und Studenten 
von Prag nach Leipzig im Jahre 1409 waren die Schlesier Johannes 
Ottonis von Münsterberg und Johann Hoffmann von Schweidnitz. 
Johann Münsterberg ward der erste Rektor der neuen Universität an 
der Pleisse. Ihm folgten im ersten Jahrhundert ihres Bestandes nicht 
weniger als vierundzwanzig Landsleute im Rektorate nach 1 ). 

In den Hussitenkriegen haben sich die Schlesier als erbitterte» 
wenn auch unglückliche Feinde der Böhmen erwiesen. Ausser dem 
kirchlichen hat der nationale Gegensatz dabei gewirkt, Auch der 
Widerstand gegen König Georg Podiebrad, den freilich nur die Stadt 
Breslau durchzuführen vermochte, beruhte nicht bloss auf der Abneigung 
gegen den Ketzer, sondern auch gegen den Tschechen, der kein Wort 
Deutsch konnte und nicht bloss tschechische Verfügungen nach Schlesien 
schickte 2 ), sondern auch tschechische Antwort forderte. Als nach Georgs 
Tode Matthias von Ungarn Regent Schlesiens wurde, setzte er den 
Magyaren Stephan Zapolya 1475 zum Landeshauptmann ein, der des 
Deutschen ganz unkundig war. 

In jenen Zeiten hat das Tschechische als Geschäftssprache in 
Oberschlesien um sich gegriffen 3 ). Die Herzöge von Ratibor und 
Troppau aus przemislidischem Stamm Hessen seit Mitte des 15. Jahr- 

l ) P. Pfotenhauer, Schlesier als Rektoren der Universität Leipzig: 
Zeitschr. f. schles. Geschichte XVII, S. 177—229. 

') Dass er übrigens auch deutsche Urkunden für Schlesien gab, beweisen die 
Lehns- vind Besitzurkunden Schlesiens von Grünhagen und M a r k gr a f II, 839. 

') Grünhagen, Geschichte Schlesiens I, 395 und in der Zeitschr. f. Gesch. 
Schlesiens XVIIL, 28 ff. 



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Die Verbreitung und die Herkunft der Deutschen in Schlesien. ] 79 



hundert* ihre Urkunden meist in böhmischer Sprache abfassen, und die 
Oppelner Herzöge thaten desgleichen, obschon auch deutsche Urkunden 
des Oppelner Hauses von 1406 — 1480 reichlich vorliegen Dem Bei- 
spiel der landesfürstlichen Kanzleien folgten die Klöster und zum Teil 
die Städte in jenen Gegenden nach. Aber eine Tschechisierung der 
Deutschen in Oppeln — Ratibor — Troppau ist damit nicht geschehen 8 ). 
Ausser dem Neisser Lande und einem Teil des Leobschützer Bezirks 
war ganz Oberschlesien (abgerechnet einen Teil der städtischen Be- 
wohner) damals noch polnisch oder in den zum Olmützer Bistum ge- 
hörigen Strichen mährisch 3 ). Die deutsche Volkssprache konnte also 
dort gar nicht verdrängt werden. Es handelte sich nur um die Ver- 
drängung der deutschen Geschäftssprache durch die tschechische, 
die denn auch erreicht worden ist. Erst im 17. Jahrhundert ist das 
Böhmische dort wieder dem Deutschen im Amtsgebrauche gewichen. 
Ja die Troppauer Landbücher sind bis 1 744 tschechisch geführt worden 4 ). 

Von der Zähigkeit, mit welcher die Oppelner Herzöge im Polni- 
schen haften blieben, gibt das Ende Herzogs Nikolaus II. ein tragisches 
Beispiel. Wegen einer im Irrsinn begangenen That liessen bekanntlich 
die in Neisse versammelten Fürsten den Herzog am 27. Juni 1497 ent- 
haupten. Da er nur Polnisch konnte, vermochte er das deutsch ab- 
gefasste Todesurteil nicht einmal zu verstehen! 

Hinneigung zu polnischer Art können wir auch noch später selbst 
bei den niederschlesischen Piasten nicht in Abrede stellen. Jene traurige 
Wirtschaft am Liegnitzer Hofe, worein Hans von Schweinichens Tage- 
bücher so tief blicken lassen, war polnische Wirtschaft. Und es waren 
ehrliche Worte, die Herzog Heinrich XI. dem Kaiser auf die Anklage 
wegen Praktiken gegen die Majestät und gegen Schlesien 1581 ant- 
wortete: „Weil Ihre fürstliche Gnaden aus dem löblichen Stamme der 
Könige aus Polen wären, so waltete das polnische Geblüte in Ihro fürstl. 
Gnaden, dass sie sonderliche Zuneigung zu den Polen hätten" 5 ). 

Die Grafschaft Glatz, ein Teil Böhmens, der sich in seinem alten * * 
Umfange mit dem Glatzer Dekanate deckt, wozu Lewin mit seinen 
tschechischen Dörfern und die Burg Hummel nicht gehören, war im 
14. Jahrhundert ein ganz deutsches Ländchen, indem nur in den alten 
Kammerdörfern um das Glatzer Schloss noch tschechische Bauern sassen, 
für welche in der Wenzelskirche auf dem Schloss tschechisch gepredigt 
ward. Zur Zeit des Hussitenkriegs verlieren sich dieselben unter den 
Deutschen. Wo im 15. Jahrhundert in den Stadtbüchern ein tschechischer 
Name vorkommt, wird ausdrücklich bemerkt, dass sein Träger ein Böhme 
ist. Die böhmischen Edelleute, die infolge des Krieges in der Graf- 
schaft Güter erhalten, sind nicht imstande, das Deutsche irgend zu 



') Vgl. Lehns- und Besitzurkunden I, 324 — 339. 

2 ) Ich weiche von Grünhagens Auffassung hier bestimmt ab. 

8 ) Dass das Mährische im Troppauer und x Leobschützer Lande echtes Tsche- 
chisch ist, hat W. P r a s e k in seiner Abhandlung Cestina v Opavsku (Programm des 
k. k. slavischen Obergymnasiums zu Olmütz 1877) bewiesen. 

4 ) A. Peter, Volkstümliches aus Oesterreichisch-Schlesien 3, 17. 

•) Scriptor. rer. silesiac. IV, 108. 



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180 



Karl Weinhold, 



[24 



schädigen *). Freilich setzen Georg Podiebrads Söhne , Heinrich und 
Victorin, denen der Vater Glatz übertrug, es durch, dass das Böhmische 
als Geschäftssprache anerkannt und vielfach auch gebraucht ward : das 
unter Heinrich dem Aelteren (gest. 1498) verfasste Glatzer Landbuch ist 
tschechisch geschrieben. Aber eine Tschechisierung der Grafschaft ist 
den Podiebrads durchaus nicht gelungen. Die Lewiner Dörfer waren 
von je böhmisch und gehörten damals noch gar nicht zu Glatz. 

Leider haben wir keine genügenden Mittel, um den gegenseitigen 
Stand von Deutsch und Slavisch im 15. — 17. Jahrhundert in Schlesien 
so zu erkennen, als wir es wünschen. 

Was die Hauptstadt Breslau betrifft, so ist wiederholt gesagt, dass 
sie seit dem 13. Jahrhundert und namentlich der Neugründung nach dem 
Tatareneinfall eine deutsche Stadt war. Doch lag sie inmitten einer 
polnischen Landbevölkerung, die meist in die Kirchen Breslaus einge- 
pfarrt war. Damit waren Geistliche nötig, die beide Sprachen kannten, 
zumal auch die Knechte und Mägde im Dienst der Bürger häufig von 
polnischen Dörfern gekommen waren, wie das noch heute sich hier 
oft findet. 

In der Stadt selbst war die Cleraentkirche für die Polen bestimmt, 
die in der Polnischen Gasse (der jetzigen Basteigasse) lag 2 ) , und seit 
1416 auch die Christophorikirche (die wenige Kirche der epptischen 
Maria), indem der Rat damals das Deutschländersche Seelgeräte zum 
Unterhalt eines polnischen Predigers und Seelsorgers an dieser Tochter- 
kirche von St. Maria Magdalena bestimmte 3 ). 

Wir bemerken gleich hierzu, dass seit Lätare 1610 deutscher 
Nachmittagsgottesdienst in dieser polnischen Kirche eingeführt worden 
ist *). Bei den Kirchen St. Elisabeth und St. Maria Magdalena sorgte 
im 16. und 17. Jahrhundert der sogenannte polnische Diakonus für die 
des Deutschen unkundigen Kirchkinder. Pol verzeichnet in seinen Jahr- 
büchern IV, 12 f.: „1586 den 5. März ist Herr Andr. Malesius, Dia- 
konus in der Neustadt, zum polnischen Diakonus bei St. Maria Mag- 
dalena introduzieret", und V, 30 lesen wir bei ihm: „1606 den 6. August 
ist Paul Glodius, polnischer Kaplan bei St. Elisabeth verschieden". 

Die Versetzung des Malesius von der Neustädter Pfarrkirche zu 
St. Bernhardin an Maria Magdalena als polnischer Diakon berechtigt 
zum Schluss, dass auch dort polnischer Gottesdienst neben dem deut- 
schen bestanden hat. Alle diese städtischen Kirchen waren seit der 
Reformation lutherisch. 

Die katholischen Polen werden in den Klosterkirchen sowie in 
den Kirchen der Dominsel Gelegenheit gefunden haben, polnische 
Predigt und Beichte zu gemessen. 

Wie im Anfang des 15. Jahrhunderts im Frankensteiner Weich- 
bild die Bevölkerung noch sprachlich aussah, verraten die Namen der 
Schöffen im Dorfe Baumgarten 1415: Matis Ochsina, Hannos Ochsina, 

l ) H. v. Wiese, Da« Glatzer Land im Hussitenkriege: Zeitschr. f. Gesch. 
Schlesiens XV, 361. 365. 432. 

') Alw. Schultz, Topographie Breslaus: Zeitschr. f. Gesch. Schles. X, 281. 




«) Pol, Jahrbücher V, 84. 



Die Verbreitung und die Herkunft der Deutschen in Schlesien. 181 



Hannos Jorge, Mertin Polan, Cloze Heilwig, Cloze Schefer, Hannos 
Spelina *). 

Oestlich von Frankenstein im Ottmachauer Gebiet herrschte in 
der zweiten Hälfte des 15. Jahrhunderts das Deutsche durchaus. Nur 
das Dorf Woitz (Woyczycz) behauptete sich als polnische Sprachinsel 
und war den bischöflichen Beamten sehr unbequem, die nur durch 
Dolmetscher mit den Leuten verkehren konnten. Darum befahl der 
Grundherr, Bischof Johannes IV. Roth 1495, dass die Woitzer Kinder 
zuerst Deutsch lernen und dass der Gebrauch des Polnischen nach fünf 
Jahren ganz aufhören müsse. Wer sich dem widersetze, den will der 
Bischof aus seinem Gebiete verjagen. Zur Rechtfertigung der Verfügung 
wird gesagt, dass das polnische rolk gemeiniclich zu vorvolgunge der 
narunge und peied nicht geoäert ist 2 ). 

Aus dem Jahre 1512 stammt die erste Geographie Schlesiens von 
dem aus Brieg gebürtigen Bartholomäus Stein (Stenus), einem Johanniter- 
priester s ) , die auch auf die sprachlichen Zustände Rücksicht nimmt. 
Freilich zieht Stein die Sprachgrenze sehr obenhin, indem er Oder und 
Neisse zwischen Deutschen und Polen scheiden lässt. Lebensart und 
Bauart trennten gleich der Sprache beide Nationen. Die Polen be- 
wohnten aus Holz und Lehm roh gefügte Hütten; ihre Städte seien 
selten mit Mauern umgeben, während die deutschen Städte befestigt 
und die Häuser meist aus Ziegeln gebaut seien. Die Polen nennt unser 
Geograph bäurisch, ungebildet, ohne gewerbliche Betriebsamkeit; die 
deutschen Schlesier schildert er als das Gegenteil. 

Dass Oder und Glatzer Neisse kein certissimus Ihnes der beiden 
Nationen Waren, wie Stein angibt, bezeugt schon, dass das Polnische 
auf der linken Oder- und Neisseseite noch weit später ziemlich ver- 
breitet war: im Strehlen- und MUnsterbergschen, im Briegischen, Ohli- 
schen, Breslauischen und Neumarktschen. Dagegen ist rechts der Neisse 
das Neisser Land damals längst deutsch gewesen und weiter im Osten 
hinter dem polnischen Neustadt-Zülzer Gebiet die westliche Umgegend 
von Leobschütz, das selbst seit dem 13. Jahrhundert eine deutsche 
Stadt war. Hier stiess vom nördlichen Mähren herauf das Deutsche 
in das Slavische. 

Man hatte damals für genaue Beobachtung der Nationalitäts- 
verhältnisse noch keinen Sinn. Cureus-Rätel in ihren Annalen übergehen 
die Stellung der Sprachen im Lande ganz. Nikolaus Henel in seiner 
Silesiographia S. 59 (Frankfurt a. 0. 1613) erwähnt die Einwanderung 
der Deutschen und die Lostrennung Schlesiens von Polen und spricht 
von dem Uebergewicht der deutschen Sprache, obschon fast ganze Städte 
und zahlreiche Dörfer, namentlich jenseits der Oder, die slavische Sprache 
noch mit Verbissenheit festhielten. Auch gebe es solche, die böhmisch 
redeten. 



') Cod. dipl. Siles. X, 263. 

J ) Stenzel, Urkundensammlung Nr. CCV. — pewd = beude, bäude: cultura; 
geodert — geädert, mit Blut und Anlage versehen. 

*) Descriptio totius Silesiae. Herausgeg. von Kunisch im Osterprogramm 
de« Friedrichsgymnasiums zu Breslau 1836. (Descriptio civitatis Wratislaviensia 1832.) 



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182 



Karl Weinhold. 



[26 



Jedenfalls war Henel besser als Stransky unterrichtet, der 1630 
schrieb der Gebrauch des Slavischen sei in Schlesien abgekommen und 
man höre es nur noch jenseits der Oder und in den Grenzgegenden 
gegen Ungarn hin. 

Mit welcher Entschiedenheit Schlesien im 17. Jahrhundert als 
ein deutsches Kulturland auftrat, braucht nur angedeutet zu werden. 
Es riss die Führung in der schönen deutschen Litteratur an sich. 
Es gentigt, Martin Opitz zu nennen, „den Herzog deutscher Saiten", 
wie Paul Fleming ihn betitelte; ferner A. Buchner, Tscherning, Fried- 
rich von Logau, Andreas Gryphius, Nikolaus Heermann von Köben, 
denen als zweites Geschlecht Christian Hoffmann von Hoffmannswaldau 
und Daniel Casper von Lohenstein mit den ihren folgen. Die Ab- 
wendung von den volkstümlichen Formen und Stoffen und der gelehrte 
weltlitterarische Charakter der von den Schlesiern eingeleiteten Litteratur- 
periode hat seinen Grund nicht, wie Gervinus behauptete, darin, das» 
Opitz und seine Nachfolger Söhne eines Landes waren, in dem kein 
deutsches Volksleben blühte — diese Behauptung werden wir später als 
ganz falsch beweisen — , sondern in der ganzen Strömung der euro- 
päischen Litteratur. Opitzens Verdienst war es, das Schiff der deut- 
schen Dichtkunst geschickt in das allgemeine Fahrwasser zu steuern. 

Während sich die Schlesier also im deutschen Geistesleben hervor- 
thaten, war ihre Heimat freilich noch ein halb slavisches Land. Das 
Deutsche griff hier im 17. Jahrhundert zwar weiter, aber nur sehr lang- 
sam. Andeutungen über das Zurückweichen der slavischen Art können 
wir der Geschichte des alten polnischen Landgerichts, des judicium 
polonicale per totam terram, polnisch zuda, umgedeutscht Zaude genannt, 
entnehmen 2 ). Dieses Gericht verhandelte über alle privatrechtlichen 
und peinlichen Sachen des einheimischen erbgesessenen Adels. Die 
Deutschen waren von Anfang an ausgenommen von der zuda; ritter- 
bürtige Lehnsleute gehörten nicht vor sie; doch mussten die Deut- 
schen sich bei Prozessen gegen polnische Adeliche vor der Zaude stellen. 

Schon im 14. Jahrhundert suchten die niederschlesischen Herzöge 
das polnische Adelsgericht zu beschränken, indem sie gewisse Sachen ihm 
entzogen und dem Hofgericht überwiesen. Auch die Ausdehnung des 
Lehnswesens verringerte seine Thätigkeit. Die Breslauer Zaude hob 
König Johann 1337 ganz auf. Aber in den Überwiegend oder ganz 
polnischen Bezirken bestund das Adelsgericht weiter. Je länger je mehr 
verlor es aber an Wichtigkeit und erlosch nach und nach während des 
15., 16. und 17. Jahrhunderts auf der linken Oderseite. Im Strehlen- 
sehen, Münsterbergschen und Neissischen soll die Zaude im 16. Jahr- 
hundert abgekommen sein. Doch weiss man darüber nichts Bestimmtes. 
Sicher ist nur, dass sie 1449 im Strehlenschen und 1493 im Münster- 
bergschen noch bestanden hat. 

Am längsten haben sich die Zauden im Glogischen, Raudtenschen, 
Guhrischen, Wohlischen, Herrnstadtschen und Rützenschen gehalten. 



') Mitgeteilt von H. Wuttke, Die Besitzergreifung Schlesiens 1, 21, Anm. 
*) G. A. Stenzel hat die Umrisse davon in der grossen Einleitung zu 
seiner Urkundensannnlung S. 79-86 gegeben. 



27] ü»e Verbreitung und die Herkunft der Deutschen in Schlesien. 183 

Landesfürstliche und selbst kaiserliche Briefe bestätigten sie hier im 
16., 17. und 18. Jahrhundert wenigstens für vermögensrechtliche Sachen 
und Handlungen freiwilliger Gerichtsbarkeit, wenn sich auch fortwährend 
Beschwerden der landesfürstlichen Aemter über sie ergaben und Ver- 
weise und Beschränkungen für die Zauden zur Folge hatten. Mit der 
preussischen Besitzergreifung haben sie ihr Ende gefunden. 



deutsche Sprache, wenigstens in allen schriftlichen Verhandlungen, in 
ihren letzten Jahrhunderten üblich gewesen, so ist doch bedeutsam, 
dass die sechs letzten Zaudenbezirke an der polnischen Sprachgrenze 
liegen oder auch, wie Glogau, Wohlau, Herrnstadt, noch polnische 
Dörfer enthielten. Darum haben wir ein Recht, die Geschichte der 
Zaude mit der Geschichte der Sprachverhältnisse in Schlesien zusammen- 
zubringen und sie namentlich für das Festhalten des alten eingeborenen 
Adels am polnischen Brauche der Vorfahren zum Zeugen zu nehmen. 

In dem Strehlenschen und Münsterbergschen, wo die Zaude nach- 
weislich noch bis Ende des 15. Jahrhunderts, wenn nicht bis später, 
bestund, gab es gleichzeitig auch noch eine polnische Bevölkerung. 
In der Stadt Strehlen ist bis 1616 in der St. Gotthardskirche polnisch 
gepredigt worden; sie hiess deshalb die polnische Kirche 1 ). 

Bis Ende des 18. Jahrhunderts lagen zwischen Strehlen und 
Wansen mehrere polnische Dörfer. Die Polnische Gasse hat bis zur 
Gegenwart die Erinnerung an diese Zustände erhalten. 

Im Münsterbergschen Weichbild war es nicht anders. Die pol- 
nische Fredigt hat hier in vielen Kirchen bis 1683 gedauert. 

Das Ohlische, Briegische und Breslauische waren im 17. Jahrhun- 
dert auch auf der linken Oderseite noch tiberwiegend polnisch. Für die 
evangelischen Polen, die hier, sowie im Namslauischen und im Fürsten- 
tum Oels, ferner in den Herrschaften Militsch und Trachenberg sassen, 
gaben fünf Breslauer Prediger 1673 ein polnisches Gesangbuch heraus, 
das 1717 von Rohrmann, 1776 von Bockshammer, 1859 von Fiedler 
und Plaskuda neu bearbeitet worden ist und neben dem sich zwei 
andere, das Kauernsche von Naglo und das von Chuc, im Gebrauche der 
sehr sangesfreudigen evangelischen Polen verbreitet haben. 

Als Agende war in den evangelischen polnischen Kirchen eine 
Uebersetzung der Oelser Agende von 1593 eingeführt (Brieg 1664, 
neue Auflage Brieg 1715). 

Für die Mischung der Bevölkerung im Fürstentum Wohlau in 
der ersten Hälfte des 18. Jahrhunderts kann die Homannsche Karte 
des Fürstentums von 1736 als Zeuge dienen. Den Titel umgeben hier 
in Kupfer gestochen einige Figuren: ein Edelmann und ein Bürger T 
nach ihrer Tracht Polen, und ein deutscher Bürger stehen, sich 
Freundschaft ' schwörend, nebeneinander, während ein polnischer Bauer 
als Rinderhirt seitwärts steht. Damals hat also das Polnische im Wohlau- 
ischen Fürstentum noch stark überwogen und selbst in den Städten sich 
sehr bemerkbar gemacht. 



Ist nun auch bei diesen 




') Zimmermann, Beiträge I. 1, 19. 



184 



Karl Weinhold, 



[28 



Mit der Lostrenuung des allergrössten Teils Schlesiens vom viel- 
sprachigen österreichischen Staate und der Einverleibung in das damals 
fast ganz deutsche Preussen trat für die Fortführung der Germanisation 
ein schärferer Zug ein. Schon die oben erwähnte Aufhebung der sechs 
Zauden im Jahre 1741 konnte andeuten, dass man in Berlin die alten 
Zustände nicht ungestört erhalten wollte. 

Als der Minister für Schlesien, v. Schlabrendorff, 1756 Ober- 
schlesien bereiste und zu seiner Ueberraschung ein polnisches Land 
fand, erliess er die Verfügung, dass alle Lehrer in den polnischen 
Orten Deutsch verstehen müssten. Die Verordnung war am grünen 
Tische gemacht und unausführbar. Ueberdies hinderte der ausbrechende 
Krieg jede bürgerliche Thätigkeit. 

Bekanntlich war es nach endlichem Friedensschluss eine der ersten 
Sorgen König Friedrichs des Grossen, das Schulwesen seiner Staaten 
zu verbessern. Schon am 23. September 1763 unterzeichnete der König 
das von-Hecker entworfene General-Landschul-Reglement, und Minister 
v. Schlabrendorff erhielt Befehl , dasselbe auch m Schlesien einzu- 
führen Er zeigte grossen Eifer. Oberschlesien hatte er im Mai 1764 
wieder bereist und dabei erschreckende Zustände gefunden. Kaum im 
fünften Dorfe gab es einen Schulmeister, ja in dem grossen Beuthener 
Kreise fand er deren nur sieben, und wie waren sie beschaffen ! „Daher 
kommt es, dass die Jugend wie das Vieh aufwächst und weiter kein 
Christentum als ein Pater noster und ein Ave Maria kennt, die deutsche 
Sprache aber gar nichts erlernt." 

Infolgedessen erliess die Breslauer Kriegs- und Domänenkammer 
am 24. Mai 1764 eine für Oberschlesien bestimmte Verordnung, die 
auf Grund der Wahrnehmungen des Ministers den Landräten Er- 
hebungen befiehlt über die vorhandenen Schulmeister, ihre Religion, 
ob sie des Deutschen für den Unterricht mächtig seien, über ihre Be- 
soldung. Es wird ferner die Errichtung neuer Schulen und die Nennung 
von Personen verlangt, welche bei hinlänglicher Kenntnis der Religion 
und des Polnischen die vollkommene Kenntnis der deutschen Sprache 
besitzen, um sie der Jugend im Lesen, Schreiben und Reden vollkommen 
beizubringen. Bis Michaelis 1764 müssten die neuen Einrichtungen 
ohne alle Widerrede zustande gebracht sein. 

Im Anschluss an jene Verfügung befahl der Minister unter dem 
22. November 1764 die Anlegung von Seminarien; da dieses aber 
nicht sofort möglich wäre, dass jeder Kandidat des geistlichen Standes 
sich bei dem Abt Felbiger in Sagan im Schulwesen gehörig unter- 
weisen lassen solle und dass keiner ohne ein Attest hierüber zu einer 
geistlichen Stelle präsentiert werden dürfe. 

Der Minister, welcher sich wiederholt auf den Willen des Königs 
berief, die deutsche Sprache müsse in Oberschlesien allgemein werden, 
liess durch die Kriegs- und Domänenkaramer zu Breslau auch dem 



') Jos. Heimbrod, Ueber die deutsche Sprache in dem polnischen Ober- 
schlesien. Oberglogau 1872. — Ed. Reimann, üeber die Verbesserung des nie- 
deren Schulwesens in Schlesien 1763 — 1769, in der Zeitschr. f. Gesch. Schles. 
XVII, 317 ff. 



Die Verbreitung und die Herkunft der Deutschen in Schlesien. 185 



bischöflichen Vikariatsamt bekannt machen, dass niemand fortab als 
Pfarrer angestellt oder in ein Kloster aufgenommen werden solle, der 
. nicht Deutsch verstehe. Diese Verfügung musste auch in Niederschlesien 
bekannt gemacht werden wegen der Kreise Namslau, Kreuzburg, Falken- 
berg, Brieg, Ohlau, Breslau, Oels, Wartenberg, wo es überall Geist- 
liche gab, die nur Polnisch konnten. 

Am 3. November 1765 vollzog der König das von Abt Felbiger 
entworfene General-Landschul-Reglement für die Römisch- Katholischen 
in Städten und Dörfern des souveränen Herzogtums Schlesien und der 
Grafschaft Glatz. SchlabrendorfF liess dasselbe ins Polnische Übersetzen. 
Für jeden Ort waren drei Exemplare bestimmt : im Breslauer Departe- 
ment, das Oberschlesien mit umfasste, zu dem aber das Fürstentum 
Wohlau nicht gehörte, waren 3800 polnische Reglements erforderlich. 
Den Direktoren der zu errichtenden Schulmeisterseminarien , nämlich 
des Breslauer Hauptseminars und der beiden oberschlesischen zu Ratibor 
und Raudten, ward aufgetragen, zu untersuchen, ob der Kandidat, der 
in Gegenden angestellt sein will, wo die polnische Sprache noch üblich 
ist, die deutsche so in der Gewalt habe, dass er solche den Kindern 
beibringen könne. Fehle es ihm daran, so müsse er selbe zu lernen 
angehalten und nicht eher, als dieses geschehen, zur Antretung des 
Schuldienstes zugelassen werden. Die Kandidaten müssten aber auch 
geprüft werden, ob sie im Polnischen, das sie zugleich treiben sollen, 
genügend geübt sind, um die vorgeschriebenen polnischen und deutschen, 
von Äbt Felbiger verfassten Schulbücher zu brauchen. 

SchlabrendorfF, Felbiger, auch die beiden schlesischen Kammern in 
Breslau und Glogau haben das ihre gethan, die Schulbesserung zu 
fordern. Aber wenn die Jugendbildung auch in den deutschen 
Landesteilen gehoben ward, in den polnischen, besonders in Ober- 
schlesien, blieb es trotz aller Verfügungen beim alten, obschon auch 
das fürstbischöfliche Generalvikariat 1787 noch einmal aus eigener 
Bewegung die Pfarrer zur Pflege des Deutschen in den Schulen er- 
mahnte. Abgesehen von der Schwierigkeit, die geeigneten Personen 
in genügender Zahl zu finden, fehlte es an gutem Willen bei manchen 
Behörden, bei den polnischen Pfarrern, bei den Gutsbesitzern und den 
Gemeinden, die Geld für eine Sache geben sollten, der sie feindlich 
gesinnt waren. Der Minister und die Kammern mochten mit hohen Geld- 
strafen und mit Amtsentsetzung drohen ; SchlabrendorfF mochte schreiben, 
„keine Weibsperson soll eher heiraten, kein Kerl eher Wirt oder Bauer 
werden dürfen, bevor sie nicht Deutsch können", es blieb notwendig, 
wie es gewesen war. Was für Zustände wollte er durch Federzüge 
in kürzester Frist umkehren, wenn es 1 704 in der schon damals nicht 
unbedeutenden und dabei wohlhabenden Stadt Gleiwitz nur zwei Schul- 
meister gab, deren einer 25 Thlr. jährlich, der andere 23 Thlr. neben 
freier Wohnung bezog, die beide nur Polnisch konnten und zu jedem 
Unterricht im Lesen, Schreiben und Rechnen untauglich waren J ) ! 

So stund es überall; die besseren selbst waren notdürftige Leser 
und Schreiber, die wenigsten einiger deutschen Brocken kundig, alle 



>) Heimbrod a. a. 0. P. 8. 



L86 



Karl Weinhold, 



[30 



erbärmlich bezahlt und dadurch gezwungen, als Spielleute in den 
Kretschams und bei allen Lustbarkeiten zu dienen, daher roh und dem 
Trunk ergeben. Aber es gab keinen Ersatz für die unwürdigen Knechte, 
welche den Bauern und den Gutsherren als die wohlfeilsten auch die 
liebsten waren. Kam ein nach dem Land -Schulreglement gebildeter 
junger Lehrer in den Ort, so suchte man ihn bald hinwegzuärgern und 
am liebsten ihn bei einem benachbarten Regiment als Soldaten unter- 
zustecken. 

Erst mit Errichtung der Regierung zu Oppeln 181G ist es in 
Oberschlesien besser geworden. Die Schulen wurden nun wirklich ver- 
mehrt und verbessert, der Lehrerstand allmählich anständiger gestellt 
und besser erzogen, und von nun an mit dem mächtig aufsteigenden 
Bergbau und Hüttenwesen, mit dem Zuzug vieler deutschen Beamten 
und Geschäftsleute begann sich auch die deutsche Sprache in den bisher 
ganz polnischen Kreisen auszubreiten. Das Volk selbst fand es nütz- 
lich, neben der polnischen Muttersprache das Deutsche zu können. Aber 
es ist langsam gegangen. Der Präsident der Oppelner Regierung von 
Hippel hob in seiner Denkschrift von 1826 über die Zustände in seinem 
Bezirke hervor, dass die sprachlichen Verhältnisse auf der rechten Oder- 
seite noch dieselben wie vor achtzig Jahren seien und dass dies an den 
Schulmeistern, die wenig deutsch könnten, und am konfessionellen Gegen- 
satz liege. 

Den Bestand des Polnischen , in den uns die Akten der Schul- 
reform unter Friedrich dem Grossen einen Blick thun Hessen, lernen 
wir durch die Mitteilungen des verdienten Albr. Fr. Zimmermann in 
seinen Beiträgen zur Beschreibung von Schlesien (Brieg 1783 
bis 1795) näher kennen, obschon ihnen Vollständigkeit und auch viel- 
fach die Genauigkeit fehlt. 

Schon der Minister v. Schlabren dorflf hatte durch die Landräte 
erfahren, dass selbst im norwestlichen Niederschlesien slavische Dörfer 
sich fänden 1 ). In fünf Dörfern des Saganer Kreises (um Priebus) wurden 
Wenden 2 ), in vier des Grünberger Polen entdeckt. Da der Unterricht 
in den Schulen aber deutsch war, schien es ohne Belang. 

Zimmermann (X, 312) gibt an, dass im jenseitigen (auf dem 
rechten Oderufer gelegenen) Dorfe Kleinitz und im diesseitigen Bobernig 
im Grünberger Kreise von alten Wirten noch polnisch gesprochen werde. 
Im Kreise Freistadt ist nach ihm (X, 87) die Sprache der Bewohner 
meist deutsch. „Nur um die Oder und in den königlichen Amtsdörfern 
wird wasserpolnisch gesprochen." 

Ueber Militsch - Trachenberg hatte v. Schlabrendorff erfahren, 
dass in einigen Dörfern noch polnisch gesprochen werde, der Schul- 
unterricht aber deutsch sei. Zimmermanns Angaben (VII, 371 f.) stimmen 
damit im wesentlichen überein. Nur in einigen nahe der polnischen 
(posenschen) Grenze gelegenen Dörfern werde noch polnisch gesprochen. 
Es sei verwunderlich, dass zwischen Trachenberg und Rawitsch nur 



') Zeitschr. f. Gesch. Schles. XVII, 325. 

J ) AU die ehemaU wendischen Dörfer des Priebuser Bezirks, die jetzt deutsch 
sind, werden sich Jamnitz. Patag. Podrosche und Buchwalde ergeben. 



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Die Verbreitung und die Herkunft der Deutschen in Schlesien. 187 



wenige Leute Polnisch könnten, während zwischen Trachenberg und 
Trebnitz in den Stiftsdörfern viel polnisch gesprochen werde. 

Den Kreis Polnisch- Wartenberg nennt Zimmermann (VII, 129 ff.) 
sprachlich gemischt. Das Polnische sei die Lieblingssprache auch derer, 
die Deutsch verstünden. In den Städten Polnisch- Wartenberg und Festen- 
berg werde in beiden Sprachen gepredigt. 

Ueber den Trebnitzer und Wohlauer Kreis ist Zimmermann, was 
unsere Frage betrifft, ungenügend unterrichtet (IV, 816. 337. 343; 
VII, 186). »Die gemeinen Leute reden alle deutsch bis auf einige 
gegen Militsch und Festenberg gelegene Dörfer," sagt er vom Treb- 
nitzer Kreise, und von der Stadt Trebnitz: „die meisten reden deutsch, 
ausgenommen im pohlnischen Dorfe, wo noch pohlnisch gesprochen 
wird." Als einen polnischen Ort gibt er noch Frauenwalde an. 

Den Wohlauer Kreis nennt er deutsch bis auf die Grenzdörfer, 
wie er sich unbestimmt ausdrückt. 

Vom Namslauer Kreise berichtet Zimmermann (XII, 12), dass 
zwei Drittel der Bewohner ganz, wenn auch elend polnisch sprächen; 
von dem Oelser (IV, 232), dass nur um Medzibor, Oasen, Tscheschen 
und Pontwitz sowie um Bernstadt polnisch geredet werde. In der 
Stadt Oels werde in der Propsteikirche deutsch und polnisch gepredigt 
(IV, 240). Auch in Medzibor sei ein polnischer Prediger neben dem 
deutschen Pastor. 

Für den Breslauer Kreis setzt Zimmermann (XII , 1 00) das 
Deutsche als herrschende Sprache an. Doch sprächen die Bewohner 
einiger Dörfer gegen Schweidnitz und Strehlen noch polnisch. In 
Domslau, Kattern, Grossburg werde noch in dieser Sprache gepredigt. 
Ueber der Oder, d. i. auf der rechten oder der polnischen Seite, wie 
allgemein gesagt ward l ), sei polnische Predigt noch in Zindel, Meiesch- 
witz, Margarethen und Wüstendorf. In Schwoitsch spreche man noch 
etwas polnisch. 

Die genannten polnischen Orte im Breslauer Kreise links und 
rechts der Oder waren Vorposten des hinter ihnen ostwärts stehenden 
grösseren Körpers im Ohlauer Kreise. Diesen ganzen Bezirk bezeichnet 
Zimmermann (I, 3, 12 ff.) als deutsch und polnisch. Siebenunddreissig 
Dörfer kennt er hier als gemischt selbst auf der linken Stromseite: 
Baumgarten, Bolchau, Brosewitz, Chursangwitz, Giesdorf, Goy, Gradusch- 
witz, Greblowitz, Gunschwitz, Güssen, Haltauf, Heidau, Hermannsdorf, 
Jankau, Jätzdorf, Jungwitz, Kontschwitz, Kunert, Marschwitz, Mellenau, 
Merzdorf, Niemen, Niefnig, Peltschütz, Rosenhain, Sakrau, Schockwitz, 
Seifersdorf, Stanowitz, Deutsch- und Polnisch-Steine, Teuderau, Thomas- 
kirche, Würben, Wüstebriese, Zedlitz und Zottwitz. In Hermannsdorf 
und Niemen überwog schon 1783 das Deutsche. 

Wir haben ferner den Wansener Halt als sprachlich gemischt zu 
verzeichnen, der damals zum Grottkauer Kreise gehörte, seit 1816 aber 
zum Ohlauer geschlagen ist. 

Auf der rechten Oderseite sassen in allen Dörfern des Ohlauer 



') Die Benennung der linken Oderseite als deutscher, der rechten als pol- 
nischer hat bis tief in das 19. Jahrhundert in Breslau und sonst gegolten. 



188 



Karl Weinhold, 



[32 



Kreises Polen, wenn auch in verschiedener Stärke. Als ganz polnisch 
gibt Zimmermann Birksdorf (Brzezinki), als fast ganz polnisch Duppine 
(Dupin), als überwiegend polnisch Daupe und Zelline (Cielinia) an. 

In der Stadt Ohlau war seit 1Ö63 die polnische Predigt auf die 
sogenannte polnische Kirche beschränkt worden, wo sie der polnische 
Diakonus hielt, der zugleich für Zedlitz und Ottag angestellt war. Dies 
Verhältnis bestund zu Zimmermanns Zeit noch. 

Auch in der Stadt Brieg gab es vor dem Thor eine polnische 
Kirche, die Trinitatiskirche, an welcher der letzte Diakonus der Pfarr- 
kirche in deutscher und polnischer Sprache amtierte. Im Städtchen 
Löwen ward nur alle acht Wochen polnisch gepredigt (Zimmermann I, 5, 
67. 89), und 1793 hörte auch das auf 1 )- 

Der Brieger Kreis ist also auf der linken Seite gegen Ende des 
18. Jahrhunderts schon deutsch gewesen. Dagegen hielt sich das Pol- 
nische noch auf seiner rechten. Als meist polnisch nennt Zimmermann 
(1,5, 49. 100 ff.) Althammer (Kusnicza), Köln (Kalinie), Kaschwitz, 
Rogelwitz; als gemischt Döbern, Karlsmarkt, Kauern, Leubusch, Mang- 
schütz, Neusorge, Stoberau. 

Südlich von Wansen auf Strehlen zu lagen mit starker polnischer 
Beimischung Birkenkretscham und Plohe, und nordöstlich von Strehlen 
Krippitz 2 ). 

Wenn Zimmermann dann den Münsterberger und Grottkauer Kreis 
als deutsch bezeichnet, so erkennen wir, dass in dieser Gegend das 
Polnische ganz über die Neisse hinübergewichen war. Von dem Falken- 
berger berichtet er nur (II, 12): „Die mehresten Einwohner reden 
deutsch, wenige polnisch." 

Die ganz deutschen und ganz polnischen Kreise lassen wir bei- 
seite. Wir haben daher nur noch Zimmermanns Angaben über den 
Leobschützer zu erwähnen, die dahin lauten, dass die Sprache im oberen 
Teile deutsch, im niederen gen Katscher zu polnisch und mährisch sei. 
Er führt die Dörfer nach ihrer Sprache auf. 

Als ganz deutsch nennt Zimmermann : Bladen, Bleischwitz, Bratsch, 
^Comeise, Omsewitz, Creuzendorf, Dobersdorf, Geppersdorf, Gröbnig, 
Rohndorf, Katscher, Kösling, Langenau, Löwitz, Mocker, Neudorf, Neu- 
stift, Odersch, Peterkowitz, Peterwitz, Piltsch, Ratsch, Roben, Sab- 
schütz, Schmeisdorf, Schönbrunn, Soppau, Tröm, Türnitz, Warnowitz, 
Wernersdorf. 

Deutsch und polnisch gemischt: Bauerwitz, Boblowitz, Branitz, 
Crestillau, Dirschowitz, Dittmerau, Ehrenberg, Eiglau, Hoschütz, Jakubo- 
witz, Galdaun, Kiemstein, Knispel, Krug, Marquartowitz , Osterwitz, 
Mährisch-Grosspeterwitz, Pommerswitz, Rakau, Rösnitz, Schreibersdorf, 
Schüllersdorf, Stauberwitz, Stolzraütz, Tschirmkau, Wehowitz, Weissack, 
Wiendorf, Zauditz. 

Deutsch und mährisch gemischt war Turkau. 
• Ganz mährisch: Hochkretscham (Wotka) und der zweite Anteil 
von Klein-Hoschütz. 



') Anden, Historische Statistik der evangel. Kirche in Schlesien S. 163. 
2 ) Zimmermann I, 19. 



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Die Verbreitung und die Herkunft der Deutschen in Schlesien. 189 



Ganz polnisch: Auchwitz, Beneschau, Bielau, Biskau, Bobrownik, 
Bolatitz, Boleslau, Borulin (Borzucin), Buslawitz, Cosmütz, Deutsch- 
Crawarn, Gross- und Klein-Darkowitz, Dirschel, Elgot, Hatsch, Henner- 
witz, Hosczialkowitz, Klein-Hoschütz vierter Anteil, Alt-Hratschin, Jernau 
(Tarniow), Kauten (Kuta), Koblau, Kobirowitz, Dorf Kranowitz, Kuchelna, 
Leisnitz, Liptin, Ludgerschowitz, Nassiedel, Deutsch-Neukirch, Owczitz, 
Schlesisch - Grosspeterwitz , Pyschz, Rochow, Schiausewitz , Strandorf 
(Strachowice) , Wrbkow , Wrzessin , Zabierzau , Zawade. Es sind dar- 
unter mehrere Dörfer, die später zum Ratiborer oder Neustadter Kreise 
geschlagen wurden. 

In diesen hier ausgezogenen Mitteilungen A. Fr. Zimmermanns 
wird wohl für manche das überraschendste sein, dass gegen Ende des 
18. Jahrhunderts selbst auf der deutschen Seite im Breslauer, Ohlauer 
und Strehlener Kreise das Polnische nicht erloschen war. Rothsürben, 
Kattern und Domslau erscheinen als die am weitesten gegen Westen 
vorgeschobenen Posten des Slavischen. 

Aber selbst über Domslau hinaus bis gegen die unterste Weistritz 
war das Polnische im Anfange des 19.' Jahrhunderts noch bekannt. 

Als Frau Charlotte v. Stein, Goethes Freundin, im Jahre 1803 
ihren Sohn Fritz auf seinem Gute Strachwitz, nordwestlich von Gross- 
Mochbern im Breslauer Kreise gelegen, besuchte, schrieb sie den 9. Mai 
an ihre Freundin Charlotte v. Schiller 1 ): „Gestern sah ich, es war 
Sonntag und sehr gut Wetter, eine Menge junger Mädchen Arm in 
Arm spazieren gehen und hörte sie immer im Chor singen. Ich winkte 
sie herbei; sie wussten eine unzählige Menge Volkslieder, aber in der 
Nähe wollten sie nicht singen, denn die Jungen, die nicht weit davon 
Kegel schoben, würden sie auslachen. Ich ging also mit ihnen die 
AJlee hinunter, und nun war es der Lieder kein Ende, und Stimmen, 
aus denen man hätte etwas machen können ! Sie sangen auch polnische 
Lieder. Die Mädchen waren von zwölf, dreizehn und sechzehn Jahren." 

Oberflächliche Angaben über den Sprachenstand in Schlesien 
machte 1821 der polnische Sprach- und Geschichtsforscher Bandtke in 
einem Aufsatz: Wiadomosci o jezyku Polskim w Slasku i Polskich Slaza- 
kach" in der „Mrdwka Poznanska" 2 ). Er schrieb, dass die Ostrawiza 
Polen und Mähren, die Oppa Polen und Deutsche scheide. Die alte 
Grenze der Fürstentümer Oppeln und Neisse sei auch die Sprachgrenze : 
Oppeln sei polnisch, Neisse deutsch. 

Im Fürstentum Brieg trenne die Oder Deutsche und Polen. Im 
Bernstadter Weichbild, im Namslauer Kreise, in den Herrschaften 
Wartenberg und Militsch herrsche die polnische Sprache. Die Weide 
(Widawa) sei ehemals Grenzfluss zwischen Polen und Deutschen ge- 
wesen, jetzt aber nicht mehr. 

Aus dem südlichen Breslauer Kreise nennt er Silmenau (Sulmiow). 
Rothsürben a ) (Zorawina), Wiltschau (Wilczejöw) und Kattern (Katarzyna) 



') Charlotte v. Schiller und ihre Freunde II, 347 f. Stuttgart 1862. 
*) I, 231-244; II, 48 -68. 

*) In Rothsürben starb 1860 ein alter Mann, der als Kind im Dorfe noch 
gut polnisch gelernt hatte. Schles. Provinzialblätter 1865, S. 435. 

Forschungen zur deutichen Landes- und Volkskunde. II. 3. 13 



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190 



Karl Weinhold, 



als Dörfer, in denen es noch Polen gäbe. Die evangelischen Polen um 
Breslau gingen zu St. Christophori , die katholischen zu St. Adalbert 
und in die Kreuzkirche in den Sonntagsgottesdienst. 

Bandtke berechnete die Polen im preussischen und österreichi- 
schen Schlesien auf rund 750000, wovon auf die 43 evangelischen 
Kirchspiele 50000 fielen. Die Schätzung ist für 1820 zu hoch, wie 
die späteren genaueren Zählungen beweisen. 

Die Zersetzung der polnischen Grenzgebiete auf der linken Oder- 
seite hat sich seit 1815 rasch vollzogen, und nicht minder auf der 
rechten in den Kreisen Breslau, Oels. Trebnitz, Namslau, Ohlau, Brieg. 

Joseph Lompa, ein eifriger und verständiger Beobachter des 
polnischen Volkslebens in Sclüesien dessen Sammlungen leider durch 
allerlei Missgeschick zum grössten Teil verstreut und verloren wurden, 
schrieb mir vor langen Jahren (26. Juli 1846): „In Peuke, auf halbem 
Wege zwischen Breslau und Oels, als ich im Jahre 1816 dort durch- 
reiste, konnten nur noch die alten Leute polnisch sprechen. In Klein- 
und Gross-Graben (wielkie i male Grabowno) 2 ), wo ich im Jahre 1817 
war, haben die Leute noch polnisch gesprochen. Tscheschen (Cieszyn) 
und Goschütz (Goszcz) im Kreise Polnisch- Wartenberg waren damals 
noch ganz polnisch. In Sadewitz (Sadowice) bei Bernstadt (Bierutöw) 
war in jenem Jahre schon viel germanisiert. In Prietzen (Przecöw), 
anderthalb Meilen hinter Namslau, habe ich 1815 polnisch, im 
Jahre 1843 nur deutsch sprechen gehört 3 ). Vor drei Jahren (d. i. 
1843) habe ich in Lampersdorf, Kreis Oels, den polnischen Namen 
des Ortes nicht erfahren können und hörte erst in Zindel, dass er 
Mikolowice heisse. Vor vierzig Jahren (d. h. um 1806) konnte man 
eine halbe Meile weiter in Wüstendorf (Dobrzykowiee) noch mit den 
Einwohnern polnisch sprechen. In Meieschwitz (Melesie) 4 ) , weil die 
Jugend schon deutsch versteht, wird nicht mehr polnisch gepredigt, 
was den Alten nicht gefallen will." Die deutsche Schule, die allge- 
meine Heerespflicht, der erleichterte Verkehr, nach und nach die 
wachsende Industrie und die Veränderungen in dem Dorfleben haben 
das Polnische im Regierungsbezirk Breslau seit den Freiheitskriegen 
mehr und mehr zurückgedrängt. Die Jugend lernte und verstund deutsch; 
deshalb hörte allmählich die polnische Predigt auf; das Dorf war dann 
deutsch. Schule und Kirche sind die Grundpfeiler des sprachlichen Daseins. 

In der Stadt Ohlau hörte 1818 die polnische Predigt auf, die 
polnische Kirche ward 1822 abgebrochen. Seit 1828 ist nicht mehr 
polnisch gepredigt worden in Gross-Peiskerau, seit 1829 nicht mehr in 
Kosenhain , Goy und Zedlitz , seit 1 830 nicht mehr in Wüstebriese, 
sämtlich Dörfern des südlichen Ohlauer Kreises. 1828 hörte der pol- 



') Geb. 29. Juni 1797 zu Rosenberg 0,*., gest. 29. März 1863 in Woiscn 
nik; über ihn Nowaks Schles. Schriftstellerlexikon Heft VI. und Schles. Provinzial- 
blätter von 1863. S. 299. 612. 

*) Kreis Trebnitz, nahe bei Festenberg. 

') Die polnische Predigt neben der deutschen hörte hier nach Anders 
Statistik S. 311. 1840 auf. 

•) Wüstendorf und Meieschwitz liegen auf der rechten Seite des Breslauer 
Kreises. 



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35] Die Verbreitung und die Herkunft der Deutschen in Schlesien. 191 



nische Gottesdienst auf in der Kirche von Wiltschau, 2 1 /* Meilen süd- 
lich vou Breslau, deren Gastgemeinden Gallowitz und Pollogwitz waren. 
1829 ward die polnische Predigt eingestellt in der evangelischen Christo- 
phorikirche in Breslau, wie in der polnischen Trinitatiskirche in Brieg. 
Um 1830 geschah gleiches in den evangelischen Kirchen von Maliers, 
Kreis Oels, und Kainowo, Kreis Trebnitz, 1837 in Pawelau, Kreis 
Trebnitz, 1840 in Lutzine, 2'/4 Meilen östlich von Trebnitz 1 ). 

Um die Kenntnis der sprachlichen Verhältnisse Schlesiens um 
1 840, unter Vergleichung etwas früherer, hat sich der damalige Ober- 
landesgerichtspräsident Hundrich durch seine Aufsätze in den Jahres- 
berichten der Schlesischen Gesellschaft für vaterländische Kultur von 
1843, 1844 und J84G sehr verdient gemacht. 

Er hatte au» den Akten der drei schlesischen Regierungsbehörden 
und der damaligen drei Oberlandesgerichte sowie aus Mitteilungen der 
Geistlichen und der Kreisjustizräte geschöpft. 

Für Preussisch - Schlesien berechnete das Statistische Bureau in 
Berlin im Jahre 1837 

555 332 Polen, 
11500 Mährer, 
10 500 Tschechen *), 

Zusammen 577 332 Slaven. 

In Niedersehlesien gab es gegen das Jahr 1840 Polen nur in den 
Grenzdörfern des Grünberger Kreises gegen Posen: Kleinitz, Sch Warnitz, 
Mühldorf, Karschin, Sedschin, Schoslawe. Grünwald, Schlabrendorf, Otter- 
städt ; indessen nicht mehr als 400 Seelen 8 ). 

Im Breslauer Regierungsbezirk war der Kreis Polnisch-Wartenberg 
einschliesslich der Städte um 1817 ganz polnisch, um 1837 noch über- 
wiegend polnisch. Als deutsch gibt Hundrich nur an: Wartenberg, Festen- 
berg, Goschütz und das Medziborer Dominium ; als gemischt Medzibor, 
Cammerau, Distelwitz, Neuhof. Boguslawitz, Dalbersdorf, Eichgrund, 
Görnsdorf (Giernosczyce) , Langendorf, Nassadel, Ottendorf, Rudelsdorf 
(Droltowice), Räline, Dyrhnfeld, Schönwald (Pieknybdr), Dombrowo, 
Sandraschütz , Stradum, Schollendorf (Szczodry), Steine (Kamien), 
Ulbersdorf, Woitsdorf ( Woicieskowice), Medziborer Glashütte. Dagegen 
setzt Hundrich die 75 übrigen Orte als ganz polnisch an. 

Im Trebnitzer Kreise waren 1817 Trebnitz, Frauwalde, Bunko- 
wize, Klein- Graben , Kainowo und Pawelau sprachlich gemischt. Mit 
Ausnahme der Stadt Trebnitz, die ganz deutsch geworden, bestund das 
noch 1837. 

Im Oelser Kreise nennt Hundrich für 1817 Maliers als ganz 
polnisch, als vorwiegend deutsch dagegen Resewitz, Pontwitz, Prietzen, 



') Anders Statistik S. 398. 

*) Mährer und Tschechen , die derselben sla vischen Familie angehören, 
würden hiernach 22000 Seelen stark gewesen sein, während Hu ndrichs Erhebungen 
für jenes Jahr 45616 Seelen ergaben. Jahresbericht für 1846, S. 82 ff. 

8 ) Jahresbericht für 1844, S. 83. Zwanzig Jahre später war das Polnische noch 
nicht ganz hier ausgestorben, namentlich nicht in Kleinitz, wenn es auch nur von 
alten Leuten gesprochen ward. Die Nachbarn nannten diese Polen Oderpolaken. 
Schles. Prov.-Blätter 1863, S. 388 f. 



192 



Karl Weinhold, 



[86 



Kraschen, Fürsten-Elgut, Postelwitz, Mühlatschitz ; 1837 galten die drei 
letztgenannten Dörfer als deutsch und in den übrigen war das Polnische 
im Aussterben. 

Der Namslauer Kreis wird für 1817 als ganz polnisch hingestellt. 
Für 1837 werden die Städte Namslau und Reichthal gemischt genannt: 
„die Männer deutsch, die Weiber polnisch" ; ebenso die Dörfer Glausche, 
Hennersdorf, Polkowitz, Noldau, Strehlitz, Schmograu, Herzberg, Pro- 
schau, Kreuzendorf, Michelsdorf, Hönigern, Groditz, Gühlchen, Gohle, 
Böhlitz, Oschumbel, Belmsdorf, Brzezinke, Haugendorf, Starzendorf, 
Johannsdorf, Grambschütz, Reichen, Saabe, Steinersdorf, Nassadel, Kaul- 
witz, Polnisch-Marchwitz, Neu-Marchwitz. 

Die anderen Orte werden als ganz oder meist polnisch angegeben. 

Im Ohlauer Kreise bezeichnet Hundrich die rechte Oderseite als 
teils ganz, teils überwiegend polnisch, und die früher .von uns (S. 190 |34)) 
genannten Dörfer der linken Seite als vorherrschend polnisch. Links 
nennt er für 1837 als ganz deutsch Rosenhain und Sackerau, als vor- 
herrschend deutsch Jankwitz, Marchwitz, Gross-Peiskerau und Zedlitz; 
dagegen hatte Zottwitz (Sobaczesko) noch eine ziemlich starke polnische 
Bevölkerung. 

Vom Brieger Kreise kennt er nur die rechte Seite 1817 uhd 1837 
als ganz oder überwiegend polnisch. In Karlsburg, Limburg und 
Moselach hatte die Verdeutschung zugenommen. 

Sonst hat Hundrich für den Breslauer Regierungsbezirk nur die 
Böhmen zu verzeichnen 

1) in den Hussitenkolonien um Strehlen: Hussinetz, Podiebrad, 
Mehltheuer, Pentsch, Töppendorf (letzteres stark germanisiert), denen 
wir gleich die andern böhmischen Kolonien: Tabor und Tschermin im 
Kreise Polnisch-Wartenberg, Münchhausen, Friedrichgrätz und Sacken 
im Kreis Oppeln und Petersgrätz im Kreise Grossstrehlitz zufügen; 

2) im Lewiner Winkel der Grafschaft Glatz, d. i. in den Dörfern 
^(l^Cvirfv Tscherbeneif^udowa) Sehlaney, Brzesowie, Jakobowitz, Straussenei und 
/O • f *rt vBukowine mit 3350 Einwohnern. 

Für Oberschlesien gab Präsident Hundrich eine auf 1834 zurück- 
gehende statistische Uebersicht. 

Als ganz deutsch ergeben sich daraus die Kreise Grottkau und 
Neisse, als fast deutsch Falkenberg (21035 Deutsche, 6171 Polen), 
überwiegend deutsch Leobschütz (39936 Deutsche bei 50 602 Gesarat- 
zahl), als ungefähr zu 2 /s deutsch Neustadt (19 734:48325). 

Die polnischesten Kreise waren Beuten mit nur 459 Deutschen 
bei der Gesamtzahl 41052, Rybnick mit 1299:35677, Lublinitz mit 
1359: 28648, Grossstrelitz mit 1481:31670, Pless mit 1900:47 486, 
Rosenberg mit 2000 Deutschen bei 31211 Seelen überhaupt. 

Vervollständigt und verbessert wurden die Angaben für die Kreise 
Ratibor und Leobschütz durch genauere Berücksichtigung der mähri- 
schen Bewohner dieser Kreise 1 ), die zu 45 616 Seelen veranschlagt 
wurden. 



') Sie werden im Jahresbericht für 1846, S. 82 f., unnötigerweise in Böhmen 
und Mährer geschieden. 



Die Verbreitung und die Herkunft der Deutschen in Schlesien. 193 



Richtig führte Hundrich das Dorf Kostenthal (Kreis Kosel) als 
ganz deutsch an. Es ist ein merkwürdiges und leider seltenes Beispiel, 
dass ein einzelnes deutsches, ganz von Slaven umgebenes Kolonisten- 
dorf seine Sprache durch acht Jahrhunderte behauptet hat. Herzog 
Kasimir v. Oppeln verlieh 1225 den deutschen Gästen in Goscintin, 
welches Dorf damals dem Kloster Leubus gehörte, die Freiheiten der 
Deutschen in Bela (Zülz) 1 ). 

Eine weit jüngere deutsche Kolonie ist Anhalt im Kreise Pless, 
bevölkert von den Nachkommen der Kolonisten von Seifersdorf in Gali- 
zien, die ihres evangelischen Glaubens halber dort gedrückt wurden 
und sich 1770 um Hilfe an König Friedrich II. von Preussen wandten. 
Der König half ohne Bedenken und liess die ganze Bewohnerschaft von 
303 Seelen samt ihrer Habe durch eine Husarenschwadron, die er über 
die Grenze schickte, herüberholen und das Dorf Anhalt für sie bauen a ). 
Die Anhalter erhielten 1778 ihren ersten Pastor in dem Feldprediger 
Gottlieb Schleiermacher, dem Vater des grossen Theologen Daniel 
Friedrich, der zwei Knabenjahre in Anhalt verlebt hat 3 ). 

Für 184G/47 kann ich die Grenzlinie zwischen Deutsch und Sla- 
visch in Schlesien nach damals eingezogenen Ermittelungen*) also 
ziehen : 

Indem wir nördlich an der posenschen Grenze einsetzen, wo der 
Militscher und Wartenberger Kreis sich berühren, folgen wir südwärts 
der Grenzlinie beider Kreise, die zugleich Sprachgrenze ist. Ebenso 
ist die Grenze zwischen Oelser und Wartenberger Kreis sowie zwischen 
Oelser und Namslauer Kreis zugleich Scheide zwischen Deutsch und 
Polnisch bis Windisch- March witz. Dieses Dorf ist deutsch. Die pol- 
nische Linie läuft südlich von Windisch -Marchwitz und von Fürsten- 
Elgut an die Oels- Ohlauer Kreisgrenze und geht an dieser nordwest- 
lich hinauf bis zum Zusammentreffen mit der Breslauer Kreisgrenze, 
der sie bis gegen Daupe folgt, von wo sie westlich über Zindel an die 
Oder vorstösst. 

Die Otler ist nun von Tschirne an aufwärts bis zur Einmündung 
der Glatzer Neisse im wesentlichen Sprachgrenze. Indessen hatte der 
Ohlauer Kreis auf dem linken Ufer in seinem Nordwestviertel jene 
polnischen Reste, die früher (S. 190. 192 [34. 36 1) genannt wurden. 

Die deutsch-polnische Sprachgrenze läuft dann an der Neisse auf- 
wärts bis Schurgast und schneidet von hier in südöstlicher Wendung 
über Karbischau und Dambrau den nordöstlichen Teil des Falkenberger 
Kreises ab. Sie fällt dann mit der Kreisgrenze von Falkenberg-Oppeln, 
und Falkenberg -Neustadt zusammen, bis die Neisser Kreisgrenze mit 
dieser zusammentrifft, Sie geht nun von Steinau ab die Koseier Land- 
strasse entlang über Zülz nach Oberglogau und wendet sich nach Frö- 
beln, wo die Kreise Neustadt, Leobschütz und Kosel zusammenstossen. 
Die Koseier Kreisgrenze wird dann Sprachgrenze bis gegen Dittmerau 

') Stemel, Urkundensammlung S. 122. 

*) Mitteilungen für Freunde des Gustav-Adolf-Verein.s in Schlesien. 1848, Nr. 2. 

3 ) Dilthey, Leben Schleiermachers I, 10. 

4 ) Ich verdankte sie Pastor Fiedler in Medzibor und Kaplan Lellek in 
Hultßchin. 

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104 



Karl Weinhold, 



im Leobschützcr Kreise. Dieses polnische Pfarrdorf bezeichnet die 
Gegend, wo sich Deutsch, Polnisch und Mährisch begegnen. 

Denn von Süden herauf schiebt sich das Mährische zwischen 
Deutsch und Polnisch ein. Die nördlichen Zipfel des mährischen 
Sprachgebietes gleichen zwei Geweihschaufeln, die nordwestlich in 
das Deutsche hineinragen. 

Die deutsche Grenzlinie geht von der Koseier Kreisgrenze Uber 
Schönbrunn, Gröbnig, Babitz, Hohndorf, Knispel, Katscher- Langenau, 
Ratsch, Tröm nach Zauditz (das deutsch-mährisch gemischt ist) , biegt 
dann nach Dirschel um und läuft südlich in gewundener Linie über 
Rösnitz nach Piltsch. Von diesem südlichsten Punkte wendet sie sich 
nordöstlich über Leimerwitz, Biskau, Deutsch-Neukirch, Rosen, Wano- 
witz, Krug, Henner witz, Prosnitz (halb mährisch), Löwitz, Kreuzen- 
dorf, Soppau, Bratsch, östlich von Jägerndorf an der Oppa längs bis 
gegen Boblowitz, das mährisch ist; geht von da südwestlich über Her- 
litz, Seitendorf, Erkersdorf, Morawitz, Neulublitz, Neuzechsdorf, von 
wo sie östlich streicht, indem sie die mährischen Orte Skrip und Schlatten 
nördlich lässt. Wagstadt, Gross -Olbersdorf und Bielau sind deutsche 
Orte, an welche südlich das zum Kronland Mähren gehörige Kuhländ- 
chen stösst. 

Die polnische Grenzlinie gegen das Mährische streicht von dem 
vorhin erwähnten Dittmerau im Leobschützer Kreise südöstlich über 
Matzkirch, Polnisch-Krawarn, Mackau, Janowitz, Bqjanow, Benkowitz, 
Tworkau, Krzyzanowitz, Zabelkau nach Oderberg, und begleitet dann 
die Ostrawiza von ihrer Mündung in die Oder bis an ihre Quelle. 
Diese natürliche Grenze des Fürstentums gegen Mähren scheidet auch 
Polnisch und Mährisch. 

Diese Sprachgrenzen sind, wie oben gesagt, 1840/47 aufgenommen 
worden. 

Die Volkszählung von 1858 ergab bei einer Gesamtbevölkerung 
des preussischen Schlesien von 3 304 800 Seelen 066 666 (!) Polen, 
54777 Mährer und Tschechen, und in den ehemals oberlausitzischen 
Kreisen Rothenburg und Hoyerswerda 32 581 Wenden. 

Im Jahre 1861/02 wurden für die preussische Provinz Schlesien 
3 390 695 Einwohner statistisch aufgestellt, darunter 719 316 Polen, 
58 679 Mährer und Tschechen, 32 357 Wenden. 

Bei den neueren Volkszählungen werden die Sprachverhältnisse 
übergangen. Berechnen lässt sich aber nach der früheren Vermehrungs- 
ziffer die Zahl der Polen und Tschecho-Mähren in Preussisch-Schlesien 
für das Jahr 1880 auf 1258 000 Seelen. 

Zur Beurteilung des Rückgangs des Slavischen in der preuss. Provinz 
Schlesien bietet die kirchliche Statistik Mittel, die wir hier benutzen. 

Was zunächst die evangelischen Sprengel angeht, so ist die Histo- 
rische Statistik der evangelischen Kirche in Schlesien von Ed. Anders 
(Breslau 1867) eine gute Quelle. Ich bin in der Lage '), die heute, 
also zwanzig Jahre später, bestehenden Zustände mit ihr zu vergleichen. 

Bei der Superintendentur Militsch-Trachenberg bemerkte Anders. 



') Durch die (tüte des Horm Konsistorialpräsidcnten Dr. 8tolzmann. 



Die Verbreitung und die Herkunft der Deutschen in Schlesien.. 195 



dass der polnische Gottesdienst in der Stadt Trachenberg 1791 aufge- 
hört habe, in Wirschkowitz 1820, und dass nunmehr (1800,07) derselbe 
in den evangelischen Kirchen jener Diöcese seit längerer Zeit erloschen sei. 

In der Diöcese Wartenberg-Namslau ging vor nun zwanzig Jahren 
deutscher und polnischer Gottesdienst nebeneinander : so in Festenberg, 
Medzibor, Namslau, Wartenberg, Bralin, Droschkau, Hönigeru, Kaulwitz *). 
In Medzibor und Namslau wirkten ein deutscher und ein polnischer 
Pastor nebeneinander. 

Heute sind in der Superintendentur Polnisch- Wartenberg die Orte, 
in denen zweisprachiger Gottesdienst besteht, Goschütz, Wartenberg, 
Bralin, Medzibor und die böhmische Kolonie Tabor, in der drei Sonn- 
tage tschechisch und den vierten deutsch gepredigt wird. In Warten- 
berg und Medzibor findet alle Sonntage vor dem deutschen polnischer 
Gottesdienst statt. In Bralin geschieht das jeden zweiten, in Goschütz 
jeden vierten Sonntag. 

In der Superintendentur Namslau haben jetzt Hönigern, Mangschütz, 
Stoberau, Namslau, Kaulwitz, Droschkau und Karlsmarkt zweisprachigen 
Gottesdienst. In Hönigern, Mangschütz und Droschkau wird alle Sonn- 
tage deutsch und polnisch gepredigt. In Namslau predigt der neben 
dem deutschen angestellte polnische Pastor drei Sonntage polnisch, 
den vierten deutsch. In Stoberau und Kauern mit Karlsmarkt ist jeden 
dritten Sonntag polnische Predigt und Beichte, in Kaulwitz jeden zweiten 
Sonntag polnischer neben dem regelmässig durchgehenden deutscheu 
Gottesdienst. 

In der Diöcese Oels-Bernstadt hatte die polnische Predigt schon 
vor 1830 in den meisten evangelischen Kirchen aufgehört. 1830 ward 
sie, wie früher schon bemerkt ist, in Maliers abgestellt, 1840 in Prietzen. 
18(30 ward in Mühlatschütz nur fünf- bis sechsmal im Jahre polnisch gepre- 
digt, in Pontwitz und Resewitz dagegen jeden dritten oder vierten Sonntag. 

Seitdem hat das Deutsche weitere Fortschritte gemacht. Jetzt 
wird in Mühlatschütz und Pontwitz nicht mehr polnisch gepredigt, 
in Pontwitz nur zweimal im Jahre noch polnische Beichte mit Abend- 
mahl gehalten. In Resewitz findet alle acht Wochen sowie an den 
ersten grossen Feiertagen polnische Predigt und Kommunion statt. 

Den evangelischen Diöcesen, die wir aufführten, entsprechen die 
katholischen Archipresbyteriate Militsch, Polnisch- Wartenberg, Namslau 
und teilweise Brieg. Der Schematismus des Bistums Breslau von 1869 
bemerkte, dass in Militsch die Volkssprache polnisch und deutsch, in 
Wartenberg und Namslau polnisch, in Brieg deutsch und polnisch sei. 

Gegenwärtig wird nach mir gütig erteilter Auskunft im Archi- 
presbyteriat Militsch die Sprache in den Pfarreien Festenberg, Freihan, 
Militsch und Sulau als deutsch, in Frauenwalde als vorwiegend deutsch, 
in Goschütz als deutsch und polnisch, in Tscheschen als polnisch angegeben. 

Im Archipresbyteriat Polnisch - Wartenberg hat nur die Pfarrei 
Schollendorf rein deutsche Sprache. Polnisch werden Bralin, Mang- 
schütz, Fürstlich-Neudorf, Trembatschau und Türkwitz genannt, sprach- 
lich gemischt die übrigen. 



Anders 225—238. 



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196 



Karl Weinhold, 



[40 



Im Archipresbyteriat Namslau ist die Pfarrei Strehlitz ganz pol- 
nisch, die übrigen sind polnisch und deutsch ; dasselbe gilt für die zum 
Archipresbyteriat Brieg gehörige Kuratie Karlsmarkt. 

Die evangelische Kirchenstatistik von Anders bemerkte zur Treb- 
nitzer Diöcese, dass hier der polnische Gottesdienst seit 1840 ganz ab- 
gestellt sei. Am längsten hatte er sich in Lutzine gehalten (bis 1840). 
In Pawelau war er 1837 erloschen. In Kainowo hatte man ihn bereits 
seit 1805 zu beschränken begonnen. 

1866 hatten im Ohlauer Kirchenkreise polnische Predigt und 
Beichte noch Laskowitz und Minken - Peisterwitz , die auf der rechten 
Oderseite liegen. Jetzt hat das auch hier aufgehört , da sich nach 
einem Bericht des Superintendenten von 1884 kein Bedürfnis dafür 
mehr zeige. 

Auf der rechten Oderseite des Brieger Kreises hatten die evange- 
lischen Kirchen von Kauern, Leubusch und Scheidelwitz 1866 noch 
polnischen Gottesdienst neben dem deutschen. Jetzt hat er aufgehört. 

Auch der bischöfliche Schematismus verzeichnet nur für Karls- 
markt eine deutsch-polnische Gemeinde. 

Sonst haben wir aus dem Breslauer Regierungsbezirk nur die 
Kirche in Hussinetz bei Strehlen zu nennen, worin an zwei Sonntagen 
tschechisch, am dritten deutsch gepredigt wird. Die Gemeinde besteht 
aus den einst hussitischen Kolonisten der Gegend. Im übrigen ist hier 
so wenig wie in Ohlau und Brieg noch ein Rest des kirchlichen Ge- 
brauchs des Slavischen zu verzeichnen. 

Für den Oppelner Regierungsbezirk ist zu dem früher ausge- 
führten aus kirchlichen Quellen folgendes für die Gegenwart zu ver- 
merken. 

Der Kreuzburger Kreis hat eine überwiegend polnische und zu- 
gleich evangelische Landbevölkerung. Der Gottesdienst nimmt bis heute 
darauf Rücksicht, und in allen Kirchen werden beide Sprachen, Deutsch 
und Polnisch, gebraucht. Alle Sonntage findet zweisprachiger Gottes- 
dienst statt in Constadt, Kreuzburg, Landsberg, Pitschen, Bischdorf 
und Simmenau. In Bankau und in Polnisch -Würbitz wechselt pol- 
nischer und deutscher Dienst. Mehrere Pfarreien haben mehr als eine 
Kirche, auf die also der Gottesdienst verteilt werden muss. So wird 
in den Constadter Filialen Jeroltschütz und Skalung jeden dritten Sonntag 
von dem Diakonus aus Constadt deutsch und polnisch gepredigt und 
Beichte gehalten. Ebenso findet in den vom selben Pastor versorgten 
Kirchen Golkowitz, Neudorf und Kostau umwechselnd Gottesdienst in 
beiden Sprachen statt. Ferner wird in den verbundenen Orten Prosch- 
litz und Omechau abwechselnd gepredigt, und zwar stets polnisch und 
deutsch ; desgleichen in Rosen und Schmart. In der Kirche von Reiners- 
dorf wird an den ersten beiden Sonntagen jedes Monats, in der Filiale 
Schönfeld am dritten, in Jakobsdorf am vierten Sonntag Predigt und 
Kommunion in beiden Sprachen gehalten. 

In folgenden Kirchen des Kreuzburger Kirchenkreises überwiegt 
"die Zahl der polnischen Gottesdienste: in Roschkowitz mit Nassadel 
und Woislawitz (in letzter Filiale wird nur zweimal im Jahre deutsch 
gepredigt), in Polanowitz, in Ludwigsdorf (Tochter von Bankau), Gross- 



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Die Verbreitung und die Herkunft der Deutschen in Schlesien. 



197 



Lassowitz, Schönwald mit Bürgsdorf (alle fünf Wochen deutsch), Wilms- 
dorf mit Bischdorf. Irl Deutsch- Würbitz , der Tochterkirche von Pol- 
nisch- Würbitz, wird nur polnischer Gottesdienst gehalten. 

In dem sprachlichen Grenzkreise Falkenberg sind die wenigen 
evangelischen Kirchen deutsch. Der bischöfliche Schematismus gibt 
für das Archipresbyteriat Falkenberg an: Pfarrei Falkenberg deutsch; 
Dambrau 2 /s deutsch, V» polnisch; Friedland, Prychod, Schurgast, Tillo- 
witz deutsch und polnisch. 

In dem Archipresbyteriat Zülz ist die Pfarrei Steinau deutsch; 
die Pfarren Gross -Pramsen, Schmitsch und Zülz sind gemischt; Alt- 
zülz, Deutsch - Mülmen , Elgut, Grabine, Loncznik und Simsdorf sind 
polnisch. 

Das südlich anstossende Neustadter Archipresbyteriat ist deutsch, 
das Archipresbyteriat Karwin ist mährisch. 

Für das preussische Oberschlesien bedarf es kaum der Bemerkung, 
dass auch innerhalb des polnischen und mährischen Sprachgebietes die 
Städte, besonders die grösseren, im wesentlichen deutsche Sprachinseln 
bilden. 

In den gebildeteren Schichten herrscht liier durchaus das Deutsche. 
Städte wie Oppeln. Gleiwitz, Ratibor, Beuthen, Tarnowitz und Pless 
stellen sich trotz der polnischen Grundbevölkerung als deutsche Städte 
dar. In ihnen allen, ebenso in den kleineren, wird deutsch gepredigt 
neben dem Polnischen. Das Verhältnis des Slavischen zum Deutschen 
ist in diesen Orten freilich sehr verschieden; und in neuester Zeit, in 
der sich politische Hetzer auch in Oberschlesien des Polnischen hie 
und da als Decke bedient haben, ist auch der Versuch gemacht worden, 
das Deutsche aus der Kirche zu verdrängen J ). Von Bedeutung sind 
aber solche Versuche für das Ganze nicht. 

Anders liegen die Dinge freilich in OesterreichisclvSchlesien , wo 
das Deutsche mit der Ungunst der gegenwärtigen Staatsleitung und 
dem entfesselten Slaventum zu ringen hat. 

Aus unsern früheren Angaben hat sich schon herausgestellt, dass 
der ganze Nordwesten des österreichischen Kronlandes Schlesien ein ganz 
deutsches Land ist 2 ). 

In den Gerichtsbezirken Weidenau, Jauernig, Zuckmantel, Frei- 
waldau, Bennisch, Freudenthal, Würbenthai, Hennersdorf, Hotzenplotz, 
Olbersdorf, Jägerndorf und Oderau, Wigstadtl, Wagstadt und Königs- 
berg sitzen, bei Heranziehung angrenzender Dörfer des Troppauer Be- 
zirks, in fast 300 reindeutschen Gemeinden ungefähr 210000 Deutsche. 

Von den genannten Bezirken sind nur Wagstadt und Königsberg 
sprachlich gemischt: Wagstadt ist nur zur grösseren Hälfte, Königs- 
berg nur zu einem Viertel deutsch. 

Im übrigen österreichischen Schlesien leben noch in mehreren 
grösseren Sprachinseln mehr als 50000 Deutsche. Es sind Troppau 
und Lippin im Westen, das halbdeutsche Teschen und das ganz deutsche 



') Bericht aus Berun in der Schlesischen Zeitung vom 16. Februar 1886. 
') Vgl. im einzelnen Gehre, Die deutschen Sprachinseln in Oesterreich. 
Grossenhain 1886, Kap. IV. 



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108 



Karl Weinholtl. 



[42 



Bielitz mit den gemischten, zum Teil stark deutschen Dörfern Alexander- 
feld, Batzdorf, Alt-Bieiitz, Bistrai, Karnitz, Ofcer-Ohlisch, Ober-Kurz- 
wald, Lobnitz, Nickelsdorf, Nieder- Ohlisch im Osten. 

Von der Behauptung der deutschen Schule hängt hier wie ander- 
wärts alles ab. Das wissen die Gegner sehr wohl, deren Ziel es ist, 
das österreichische Schlesien zu einem Slavenland zu machen. 



II. Die Herkunft der Deutschen in Schlesien. 

Aus den vorangegangenen Mitteilungen über die Ausbreitung der 
Deutschen in Schlesien hat sich deutlich ergeben, dass ein grosser Teil 
der heute in diesem Lande deutsch redenden Menschen von Slaven, 



Die Frage nach der Herkunft der deutschen Schlesier bezieht 
sich demnach auf die Einwanderer des 12. und 13. Jahrhunderts, von 
denen die Germanisation des Landes ausging. 

Andeutungen in Namen. 
Flämische und fränkische Hufen. Flämisches und fränkisches Recht. 

Die Urkunden und Chroniken sagen nichts über die Heimat der 
deutschen Gäste. Wir müssen also nach anderen Mitteln suchen, dar- 
über uns zu unterrichten. 

Vereinzelt begegnen wir deutschen Volksnamen als Zusätzen 
zu den Personennamen von Eingewanderten oder ihren Abkommen 
während des 13. Jahrhunderts. Diese Zunamen sind später erblich 
geworden und zu Familiennamen erwachsen. 

So finden wir 1261 einen Bürger von Goldberg, Hermannus Au- 
stralis, der wohl ein Oesterreicher war oder von einem solchen stammte; 
1260 einen Breslauer Bürger Conradus Bavarus, mit dem der Kustos 
des Clarenklosters Hermannus Bavarus 1272 verwandt sein mochte; ferner 
1299 einen eques Bavarus, 1297 eques Bauvor genannt. 

Häufiger ist Duringus. Ein ritterbürtiger Mann war Hermanus 
Thuringus, 1295 Besitzer von Quickendorf. 

Dietmar dictus Duringus setzte 1296 das Dorf Gauers bei Neisse 
im Auftrage des Bischofs zu deutschem Recht aus. 

Im Breslauer Rat sassen 1320 Henricus und Guntherus Duringus. 
1386 begegnet urkundlich ein Dietmar der Düring. Der Name Düring 
(Dühring), Döring ist als Familienname noch heute in Schlesien nicht selten. 

Auf rheinische Herkunft weist der Zuname Rcnensis, den die 
matrona Wildegundis 1279 trug l ). Hätte Rudolf Hildebrand recht, 



l ) Grünh apren. Regesten IT, 250. 



grösstenteils von Polen, abstammt. 




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Die Verbreitung und die Herkunft der Deutschen in Schlesien. 199 



den Namen Reimann auf Rinman, den rheinischen Mann, zurück- 
zuführen so besässen wir bei der ungemeinen Verbreitung dieses 
Familiennamens in Schlesien einen starken Beleg für die rheinische 
Einwanderung. Aber Reiraann darf mindestens mit selbem Recht auf 
einen mit rein = regin zusammengesetzten Namen als Koseform ge- 
bracht werden. Raynman, Reynman erscheint schon in den Corveyer 
Traditionen. 

Ein angesehenes Breslauer Bürgergeschlecht waren die seit 1252 
auftretenden de Colonia oder die Cölner. 

1288 findet sich ein Dietericus Saxo; 1203 ff. ein Conradus West- 
falus samt dem Sohn Hermann als Breslauer Bürger. Im Registrum 
Wratislaviense werden zu Kattern Söhne eines Westphalo angeführt. 

Der Beiname Suevus erscheint unter den Herzögen Heinrich III. 
und IV. von Breslau mehrmals als Zuname adeliger Männer. Ein 
Swäp aus Münsterberg besass um 1300 Hufen im Neisseschen und 
Ottmachauschen. 

Aus diesen vereinzelten, als Beinamen verwendeten Volksnamen, 
die in den Familien erblich wurden, auf eine breitere Einwanderung 
aus Oesterreich, Bayern, Thüringen, Köln, Sachsen, Westfalen oder 
Schwaben nach Schlesien schliessen zu wollen, selbst wenn sie weit 
häufiger wären als wir belegen konnten» wird schwerlich jemand thun. 
Sicher werden wir durch sie in Beantwortung der Heimatfrage nicht 
gefordert. 

Aber es gibt vielleicht andere Mittel. 

Bei den Aussetzungen der deutschen Dörfer und Städte werden 
recht häufig als Ackerraass flämische oder fränkische Hufen urkund- 
lich angeführt. 500 grosse Hufen fränkischen Masses in Wald und 
Gebirge schenkte zum Beispiel Herzog Heinrich I. 1203 dem Kloster 
Leubus in der Gegend südlich von Goldberg. Derselbe gab 1237 den 
Naumburger Augustinern 50 fränkische Hufen und verwandelte die 
dem Kloster früher geschenkten kleinen Hufen in ebensoviel grosse, 
d. i. fränkische. 1252 setzte der Meister des Elisabethhospitals in 
Breslau das Dorf Coyacowiz -) bei Kreuzburg zu fränkischem Recht 
aus und verlieh zwölfjährige Steuerfreiheit für jede Hufe, die erst im 
Walde gerodet werden musste, vierjährige für die Hufe im Bauland. 
Aus dieser Urkunde :t ) ergibt sich, dass die Waldhufen fränkische waren. 

In gleicher Art werden fränkische Hufen oft genannt 4 ). 

Dagegen kommen bei Aussetzungen anderer Dörfer und den Zins- 
bestimmungen flämische Hufen (mansi flamingici) oder kleine Hufen 
ebenfalls oft vor 5 ). 

Stenzel hatte bereits ausgeführt, dass die Ausdrücke fränkische 
und flämische Hufen in Schlesien keine andere als eine Massbedeutung 
haben. Die fränkische Hufe ist die grosse, etwa 140 — 150 Morgen 



') Vom deutschen Sprachunterricht III. Aufl.. S. 120. Leipzig 1887. 
'-') Heute noch polnisch Coyacowice, deutsch Kunzendorf. 
■j Gedruckt bei Stenzel Nr. XL 

*) Vgl. Stenzel. Urkundensamml. S. 14:1 ff., lö8 ff.; Meitzen im Cod. 
dipl. Sil. IV, 77. 85. 

»1 Stenzel a. a. O. 141 f.: Meitzen 80 ff.. 86. 



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200 



Karl Weinhold, 



[44 



fassende Hufe, die in Wald und Unland ausgethan ward. Die flämische 
ist die kleine '), der mansus parvus der Urkunden, die im Bauland 
oder wenigstens in leicht urbar zu machendem Boden lag. 

Im Dorfe Zedlitz bei Steinau lagen beide Hufenarten neben- 
einander. Herzog Konrad II. übergab 1257 dieses Dorf Sedlec d«m 
Schulzen Berthold zur Anlage nach deutschem Recht (teutonico jure), 
so jedoch, dass die Hufen in Acker und Gesträuch (campestria et rubi) 
nach flämischer, im Eich- und Schwarzwald (dambrovam et silvestria) 
nach fränkischer Ordnung (flamingico jure, jure franconico) ausgelegt 
würden. Er bestimmte zugleich für die flämischen Hufen (mansis flamin- 
gicis] fünf Freijahre, für die fränkischen (mansis franconicis) zehn 8 ). 

Fränkische und flämische Hufen hatten den gleichen Getreidezins 
zu leisten, die Geldabgabe war aber für die flämischen um die Hälfte 
kleiner. Wenn die Ansiedler auf dem zu fränkischem Recht ausge- 
setzten Rodeland nicht fortkamen wegen schwierigen Anbaus und 
Unfruchtbarkeit des Bodens, so kam es vor, dass der Zins der grossen 
Hufen auf den der kleinen ermässigt ward 3 ). 

Die Benennungen flämische und fränkische Hufen haben ursprüng- 
lich sicher ihren Grund darin gehabt, dass sie die von den flämischen 
oder holländischen sowie von den fränkischen Kolonisten gebrauchten, 
aus der Heimat mitgebrachten Landmasse waren. Wir finden diese 
Ausdrücke nicht bloss in Schlesien, sondern auch in der Mark Meissen, 
in Böhmen, in Mähren, also in Ländern, wo sich eine doppelte Ein- 
wanderung erweisen lässt, eine niederdeutsche (flämische) und eine 
mitteldeutsche (fränkische). 

Prüfen wir jedoch die schlesischen Urkunden, worin jene Aus- 
drücke vorkommen, so weist durchaus nichts darauf hin, dass die 
grossen Hufen nur in den von Franken angelegten, die kleinen nur 
in den von Niederländern gegründeten Orten vorkämen. Ueberdies 
gehören die Urkunden mit jenen Benennungen meist dem späteren 
13. und dem 14. Jahrhundert an, also Zeiten, in denen bei uns hollän- 
dische (flämische) Einwanderung nicht zu erweisen ist. 

Jene Ausdrücke sind sonach technische Massbezeichnungen und 
können nicht dazu dienen, die Herkunft der Besitzer solcher Hufen zu 
erkennen. Die fränkische Hufe entspricht der deutschen Königshufe, 
d. i. der in unbebautem, noch nicht verteiltem, also dem König ge- 
hörigem Land ausgelegten grossen Hufe, die das doppelte Mass der 
gemeinen deutschen oder Landhufe 4 ) hatte. Dieser steht hiernach in 
Schlesien die flämische oder kleine Hufe gleich. 



') Beweisende Stellen sind u. a. : magni mansi franconice mensure 1203, 
Büsching, Urk. v. Leubus; magnos mansos videlicet franconicos 1274, Stenzel, 
Urkundensamml. S. 388; niagni mansi franconki , ebenda S. 483. — In der Ur- 
kunde Bischofs Thomas über Gründung eines Dorfs an der Neisse 1237 werden 
die ducenti mansi flamingici (die übrigens im Waldland angewiesen wurden) als 
mansi parvi bezeichnet. .Tahresber. der Schles. Gesellsch. 1844. 8. 99. 

4 ) Stenzel, Urkundensamml. Nr. XL VI und S. 162; Meitzes a, a. 0. S. 80 ff. 

J ) So für Bitrwalde bei Münsterberg 1337. Meitzen a. a. O. S. 85. 

4 ) Die altdeutsche Hufe , die hoba plena , der mansus plenus , mass in der 
Regel 30, an manchen Orten 40 Morgen. Waitz, Ueber die altdeutsche Hufe 23 f. 
Landau, Territorien 36. 



Die Verbreitung und die Herkunft der Deutschen in Schlesien. 201 



Beide Hufen gehen, um auch dieses zu erwähnen, von der Hof- 
reite, wie in Schlesien das Gehöfte heisst '), in langen Streifen bis an 
die Grenze der Dorfraark: die fränkischen in breiten Streifen, die sich 
der natürlichen Hebung und Senkung des Bodens anpassen, ohne Rück- 
sicht auf gute oder schlechte Bodenart; die flämischen in schmäleren 
Streifen auf einem zum Anbau leicht nutzbaren Grunde, wie Meitzen 
an dem Beispiel von Zedlitz gezeigt hat 8 ). 

Flämisch und fränkisch finden wir ausser bei dem Landniass 
als unterscheidende Bezeichnungen auch bei dem Recht, nach welchem 
Dörfer und Städte in Schlesien ausgesetzt wurden. 

Der häufigere oder geradezu gewöhnliche Ausdruck war nach 
deutschem Recht gründen oder aussetzen: locare (in) jure teutonico 
(thewtunicali), concedere jus teutunical e hospitibus. Darunter wird 
nichts anderes verstanden, als die Gewährung der persönlichen Frei- 
heiten und der Dorf- oder Stadtverfassung unter Schulzen oder Vogt, 
die wir im ersten Teil (S. 1(58 [12]) geschildert haben 3 ). 

Die Ausdrücke jus franconicum, jus flamingicum, die da- 
neben zuweilen vorkommen, scheinen zunächst dem jus teutonicuni 
völlig gleich zu sein. 

In der Rechtserneuerung für Freiburg durch Herzog Bolko II. 
von 1337 werden jus Franconiae et teutonicale als gleichsinnig mit- 
einander verbunden 4 ). Das jus franconicum, auf das Kunzendorf bei 
Kreuzburg 1252 eingerichtet wird, ist eben nur das gewöhnliche deutsche 
Dorfrecht des Landes 5 ). Dasselbe ergibt sich aus der Aussetzungs- 
urkunde für das Dorf Pogel von 1259 in Bezug auf das jus flamingicum. 
nach welchem Herzog Konrad das Dorf durch den Schulzen Heinrich 
gründen lässt. Dieses jus flamingicum nämlich wird bezeichnet als das 
Recht der Dörfer um Steinau und Neumarkt. Da nun diese nach dem 
jus teutonicum ausgesetzt waren, erhellt die Gleichheit von deutschem 
und flämischem Recht: es ist dieselbe Dorfverfassung darunter zu ver- 
stehen. 

So weit muss mau G. A. Stenzel ohne weiteres beipflichten, welcher 
die Ausdrücke jus franconicum, flamingicum und teutonicum als sich 
deckende fasste "). Man kann ihm auch darin beistimmen, dass in jenen 
Ausdrücken eine Erinnerung an die Heimat der Einwanderer liege 7 ). 
Wenn er aber den Grund der verschiedenen Bezeichnung, fränkisch, 
flämisch, in der Verschiedenheit des Zinses der fränkischen und flämi- 
schen Hufen sieht, so wird man das bestreiten müssen. 

Stenzel hatte sich selbst der Vermutung nicht erwehren können, 
dass jene Ausdrücke mit erbrechtlichen Verschiedenheiten zusammen- 
hängen könnten 8 ), hatte aber die Vermutung zurückgewiesen, weil solche 



') Ueber dieses Wort später! 

■) Cod. dipl. Siles. IV, 80 ff. 

s ) Vgl. Stenzeis Ausführungen in seiner Ürkundensamml. S. 101 fg. 

*) Stenzel a. a. O. S. 545, Nr. CXL1X. 

•) Stenzel a. a. 0. S. 327, Nr. XL. 

8 ) Am a. 0. S. 101 fg. 

') Ebenda S. 107. 

H ) Ebenda S. 104. 



202 



Karl Weinhold, 



|46 



einzelne Rechtsbestimmungen nicht als ganzes Recht bezeichnet werden 
könnten, „auf welches ganze Städte gegründet wurden". 

Seine Vermutung trägt trotzdem den Keim zur richtigen Erklärung 
nach meiner Ansicht in sich. Das fühlte auch E. Th. Gaupp, der in 
seinem Aufsatz *): „Das deutsche Recht, insbesondere die Gütergemein- 
schaft in Schlesien", die Ausdrücke fränkisches und flämisches Recht 
auf die eheliche Gütergemeinschaft bezog, welche samt dem Fallrecht 
(jus recadentiae) mit den ältesten fränkischen und flämischen Kolonisten 
nach Schlesien gekommen sei. 

Eine Unterscheidung der beiden Rechte hat Gaupp nicht gemacht, 
und doch muss sie bestanden haben. Gemein ist beiden freilich die 
Hauptsache, da sie aus demselben Volke, dem grossen Frankenbunde, 
hervorgewachsen sind, nämlich die Gütergemeinschaft der Ehegatten ohne 
Rücksicht auf die Herkunft der einzelnen Vermögensteile. Zwischen 
flämischem und fränkischem Güterrecht bestehen aber doch Unterschiede. 

Bei dem flämischen ehelichen Güterrecht, das auch am Niederrhein 
und in Westfalen sowie in den westfälischen Kolonien galt, wurde die 
Halbteilung des gesamten in Gütergemeinschaft gelegenen Vermögens 
zwischen dem überlebenden Gatten und den Kindern vollzogen, mit 
Ausschluss der Morgengabe. Bei unbeerbter Ehe erhielt der über- 
lebende Teil das Ganze. Dieses Erbrecht hat Richard Schröder für 
eine Anzahl schlesischer Städte (Neisse, Ottmachau, Wansen, Ratibor, 
Oppeln, Kreuzburg, Reichthal, Grünberg, Züllichau, Schwiebus, Krossen) 
und für den Bauernstand des Fürstentums Breslau nachgewiesen 8 ). 

In andern schlesischen Städten finden wir dagegen statt der 
Halbteilung, ganz wie in den Städten der Markgrafschaft Meissen, das 
Dritteiisrecht, d. h. das ganze eheliche Vermögen, mit Ausnahme der 
Morgengabe, ward in drei Teile zerlegt, deren zwei die Schwertmagen, 
einen die Spindelmagen erbten 3 ). 

So nahe es nun liegt, dieses Dritteiisrecht mit der altfränkischen 
Errungenschaftsteilung nach Schwert- und Spindelseite zusammen- 
zubringen, die am Ober- und Mittelrhein im Mittelalter galt, so hat 
Schröder (a. a. 0. S. 97) dies doch abgelehnt, weil die Völkerströmung 
vom Ober- und Mittelrhein niemals nach Osten und Nordosten ge- 
gangen, eine Uebertragung jener erbrechtlichen Einrichtung also durch 
Einwanderer vom Rhein nach Schlesien unmöglich sei. Er behauptet, 
die Dreiteilung sei etwas Slavisches, das die deutschen Einwanderer in 
Böhmen und Mähren kennen gelernt und von dort nach Meissen und 
Schlesien gebracht hätten. 

Ich vermag dieser Ansicht nicht beizustimmen, die einen höchst 
auffallenden Einfluss slavischen Rechtes auf das Erbrecht der deutschen 
Kolonisten in dem Gebiete der March, der oberen Oder und Elbe be- 
hauptet. Ich halte den Zusammenhang des Dritteiisrechtes in Meissen 



') Zeitschr. f. deutsch. Recht von Reyscher und Wilda, III, 40—83. 

2 ) Geschichte des ehelichen Güterrechts in Deutschland II, 3, 62 ff. 104 
130. 383. Vgl. auch R. Schröders Aufsatz: Das eheliche Güterrecht und die 
Wanderungen der deutsch. Stimme im Mittelalter in v. Svbels Histor. Zeitschr. XVI, 
299 (1874). 

3 ) Schröder a. a. O. II, 3, 81 ff. 86. 94. 



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47] Die Verbreitung und die Herkunft der Deutschen in Schlesien. 203 

und Schlesien mit der mittelrheinischen , d. i. fränkischen Errungen- 
schaftsteilung für das natürlichste, weil ein grosser Teil der Einwanderer 
in Meissen und Schlesien aus dem westlichen Mitteldeutschland, d. i. 
aus fränkischen Landschaften gekommen ist. Für Schlesien werden 
wir diese Herkunft im folgenden beweisen, und bei der Uebereinstim- 
mung des deutschen Volkstums in Schlesien und Meissen ist dieselbe 
dann auch für dieses Land dargethan. 

In dem fränkischen Recht, soweit darunter nicht die allgemeine 
politische Verfassung der deutschen Orte zu verstehen ist, sehen wir 
also die Dreiteilung im ehelichen Güterrecht, ebenso wie in dem flämi- 
schen Recht die Halbteilung des ehelichen Vermögens das bestim- 
mende und unterscheidende bildet. 

In den Städten und im deutschen Bauernstande Schlesiens galt 
also für das Vermögensverhältnis der Ehegatten flämisches oder frän- 
kisches Recht. Der deutsche Adel, besonders im Fürstentum Breslau, 
lebte nach dem ganz verschiedenen Güterrecht des Sachsenspiegels, was 
auf Einwanderung aus Ostfalen wiese. Alle Forschungen über die 
Geschichte . der schlesischen Adelsgeschlechter , die für eingewanderte 
Deutsche gehalten werden, haben indessen noch zu keinem irgend halt- 
baren Ergebnis geführt. Nur für die Prittwitze scheint die Herkunft 
aus dem Osterlande ziemlich erwiesen 1 ). Es scheint daher, dass weniger 
die Heimat der Adelsleute als vielmehr Uebertragung durch fürstliche 
Gnade oder freiwillige Einführung die Geltung des Güterrechts des 
Sachsenspiegels bei der Breslauer Ritterschaft bewirkt hat. 

Denn auch für das flämische und fränkische eheliche Güterrecht 
wird man nicht ohne weiteres die Herkunft derer, die es genossen, als 
Grund und Quelle behaupten dürfen. Gerade in dem ganz polnischen 
Oberschlesien, in den Fürstentümern Oppeln und Ratibor, galt flämisches 
Recht. Es war nachweislich durch fürstlichen Entschluss verliehen und 
durch herzogliche Verordnung eingeführt worden, ebenso wie viele 
Städte unter herzoglicher Urkunde magdeburgisches Recht erhalten 
hatten, zuerst Goldberg, dann Neumarkt, 1261 Breslau und im 14. Jahr- 
hundert mehrere und mehrere 2 ). 

Durch diese Einführung des magdeburgischen Rechts und gewisser 
privatrechtlicher von Magdeburg gekommener Satzungen, die im wesent- 
lichen mit dem Sachsenspiegel übereinstimmen, geschah nicht selten 
eine Störung älterer rechtlicher Verhältnisse, die unangenehm ward und 
die man deshalb wieder beseitigen musste. Neisse, das schon 1223 
flämisches Recht genoss und das 1290 Oberhof für alle bischöflichen 
Städte und Dörfer geworden war, erhielt 1308 das modisch werdende 
magdeburgische Recht. Dasselbe griff aber so verwirrend in die Ver- 
mögensverhältnisse der Bürger, dass es schon nach zwei Jahren auf- 
gehoben und durch das alte flämische Recht wieder ersetzt ward 3 ). 

Ratibor war 1280 Oberhof aller nach flämischem Recht ausge- 
setzten Orte in den Fürstentümern Oppeln-Ratibor geworden. Es erhielt 



*) Pfotenhauer in der Zeitschr. f. Gesch. Schlesiens XXI, 834. 
'-') Stenzel, ürkundensamml. S. 116. 
») Stenzel a. a. 0. Nr. CXI. 



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204 



Karl Weinhold, 



[48 



1299 magdeburgisches Recht. Dasselbe gab aber zu so vielen Klagen 
Anlass, dass Herzog Lesko 1318 gestattete, dass der Rat mit sieben 
Schöffen und erwählten Aeltesten der Bürgerschaft Aenderungen und 
Ergänzungen darin willkühre, die zum Besten der Stadt seien '). 

Alles nun zusammengefasst , so haben wir in den Ausdrücken 
flämisches und fränkisches Recht — soweit sie nicht gleichbedeutend 
mit Deutsch sind — ähnliche Bezeichnungen wie in flämischer und 
fränkischer Hufe. Beide gründen sich auf Stammesverschiedenheit derer, 
die sie ursprünglich gebraucht haben. Beide treten in die Reihe tech- 
nischer Ausdrücke über und finden sich auch ausser Schlesien im ost- 
deutschen Kolonisationsgebiete. Es wäre keineswegs unmöglich, dass 
von auswärts Sache und Wort nach Schlesien gebracht wären, ohne dass 
ein wirklicher Fläming oder Franke dieses Land betreten hätte. Wenn 
wir trotzdem an Besiedelung Schlesiens durch Niederländer, wie wir 
einmal sagen wollen, und durch Franken eintreten, so müssen wir die 
Beweise anderswoher nehmen. 

Die niederländische Einwanderung. 

Die deutsche Besiedelung Schlesiens ist nur ein Glied aus der Kette 
deutscher Thaten, die von der Weser in südöstlicher Richtung bis in 
die Südkarpathen reicht und in Siebenbürgen endet. Es ist die fried- 
liche, auf Verträge gestützte Bebauung öder und menschliche Kraft 
und Geduld fordernder Ländereien durch deutsche Bauern, die nach- 
weislich Anfangs des 12. Jahrhunderts anhebt und für die Ausbreitung 
deutschen Volkstums eine hervorragende Bedeutung gewonnen hat 2 ). 

Sechs Holländer waren es, fünf Laien und ein Priester, die 1106* 
mit dem Erzbischof Friedrich von Bremen und Hamburg einen Vertrag 
Über die Urbarmachung eines sumpfigen Landstrichs an der unteren 
Weser schlössen. Andere Verträge mit andern Unternehmern folgten 
später nach, so dass an der Weser und Niederelbe um 1200 bedeutende 
Ländereien für menschliches Leben durch Spaten und Pflug und Axt 
gewonnen waren. 

In Holstein war Abt Wizelin von Neumünster diesem Beispiel 
gefolgt; er hatte durch Holländer und Fläminge mehrere Marschen dem 
Anbau übergeben. Gleichzeitig ungefähr (1142) besiedelte Graf Adolf II. 
von Holstein das in den Slavenkriegen entvölkerte Wagrien (Ost- 
holstein) mit Holsten, Westfalen, Holländern, Friesen und zinspflichtigen 
Slaven. Um dieselbe Zeit setzte Graf Hefnrich von Ratzeburg sein 
polabisches Gebiet mit Westfalen an, die trefflich gediehen. 

Bedeutenderes noch führte Albrecht der Bär in den durch sein 
Schwert eroberten menschenarmen Landschaften an Elbe und Havel, 
in der Altmark und in den Bistümern Brandenburg und Havelberg 



>) Stenzel Nr. CXXII. 

*) v. Wersebe, Die niederländischen Kolonien, welche im nördlichen 
Deutschland im 12. Jahrhundert gestiftet wurden. Hannover 1815/16. Borchgrave, 
Hi8toire des colonies Beiges. Bruxelles 18G5. It. Schröder, Die niederländischen 
Kolonien in Norddeutschland. Berlin 1880. Adler, Die niederländischen Kolo- 
nien in der Mark Brandenburg: Märkische Forschungen VII, 110 ft". 



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49 ] Die Verbreitung und die Herkunft der Deutschen in Schlesien. 205 



durch. Er schickte Boten nach Utrecht und dem Rheinland (ad loca 
Rheno contigua) so* wie nach Holland, Seeland und Flandern, und im 
Ueberflu8s kamen, wie Helmold erzählt die fremden Ansiedler in die 
Markgrafschaft gezogen. Bedeutendes leisteten dabei die Bischöfe und 
die Klöster. Ganz besonders eifrig war Erzbischof Wichmann von 
Magdeburg, der schon als Naumburger Bischof Fläminge und Holländer 
in seinem Sprengel angesiedelt hatte, der im Jüterbogker Lande, das 
Albrecht der Bär 1147 eroberte, ebenfalls Fläminge ansetzte und auch 
die Magdeburg auf dem anderen Elbufer gegenüberliegende Fläche von 
Möckern bis Sandau zu einer , flämischen Seite" machte. 

Auch Bischof Anselm von Havelberg, Bischof Dietrich von Halber- 
stadt, Bischof Gerung von Meissen, die Aebte von Nienburg, Ballen- 
stedt, Pforte und manche andere Klostervorstände haben auf menschen- 
leeren und ungebrochenen Landstrecken damals Holländer oder Flandrer, 
wie es gewöhnlich heisst, angesiedelt und durch die Zinsen der neu- 
entstehenden Dörfer ihre Einkünfte bedeutend gesteigert. Sie machten 
alle ein vortreffliches Geschäft. 

Auch in Mecklenburg knüpft^sich die Germanisation an die Be- 
siedelung von Klostergütern, diewj^hrscheinlich durch Bauern aus der 
Nähe des Mutterklosters von Doberan, Amelungsborn im Hildesheimer 
Sprengel, geschehen ist. 

Ausdrücklich werden hier überall Holländer, Flandrer oder Flä- 
minge, daneben Westfalen und Sachsen, als die Anbauer genannt, und 
die niederdeutsche Sprache, welche in den bezeichneten Gebieten bis 
heute herrscht oder bis in neue Zeit, wo sie einem gemengten Mittel- 
deutsch wich, geherrscht hat, bestätigt die Urkunden. 

Anders liegt die Sache in Thüringen, wo die niederdeutschen 
Kolonisten sich allmählich unter der eingeborenen Bevölkerung ver- 
loren; ferner in den Naumburg -Zeitzer, Merseburger und Meissener 
Sprengein, das ist in den thüringischen Marken, wo nach der herr- 
schenden mitteldeutschen Mundart zu schliessen, die niederdeutsche 
Einwanderung, die wir auch hier als erste annehmen dürfen, durch 
eine zweite mitteldeutsche überholt und aufgesogen worden ist. 

Dasselbe gilt für Schlesien und die Gespanschaft Zips im ost- 
ungrischen Berglande. 

Für Schlesien eine erste niederdeutsche Einwanderung zu beweisen, 
wird bald unsere Aufgabe sein. Für die Zips, wo die mitteldeutsche Be- 
völkerung bis zur Gegenwart, in der sie sich jämmerlich magyarisiert, 
bestanden hat, gibt es zwar keine geschriebenen Beweise der niederdeut- 
schen Einwanderung sowenig als in Schlesien. Allein der enge Zusammen- 
hang der Zipser und der Siebenbürger Deutschen, der sich durch ver- 
wandtschaftliche Züge der Mundart und durch alte ungeschriebene Ueber- 
lieferung bekundet 2 ), deutet bestimmt darauf, dass auch in der Zips 

') Chronic. Slavor. I, 88. 

2 ) K. J. Schröer, Versuch einer Darstellung der deutschen Mundarten des 
ungrischen Berglandes. Wien 1864, S. 18 f. Beitrag zu einem Wörterbuch der 
deutschen Mundarten des ungrischen Berglandes. Wien 1858, S. 13» f. Krones, 
Zur Geschichte des deutschen Volkstums im Karpathenlande mit besonderer Rück- 
sicht auf die Zips und ihr Nachbar gebiet. Graz 1878. 

Forschungen zur deutschem Landes- und Volkskunde. II. 3. 14 



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200 



Karl Weinhold, 



[50 



unter einer zweiten Schicht Ansiedler, die sich wahrscheinlich von 
Schlesien heraufschob, eine erste liegt, die mit den Siebenbürger Sachsen 
einer Herkunft war. 

Was aber diese betrifft, unsre treuen Volksgenossen im Karpathen- 
lande zwischen Miresch, Alt und den beiden Kukeln, deren Haupt- 
einwanderung zwischen 1141 und 1161 geschehen ist, so werden sie 
in einer Urkunde, die 1192 — 1196 fällt, Flandrenses, in einer jüngeren 
von 1238 Saxones genannt, und der letzte Name ist ihnen geblieben. 
Beide Namen aber stimmen nicht zu dem Charakter des siebenbürgisch- 
deutschen Dialekts, der entschieden auf mittelfränkische , ribuarische 
Heimat zeigt *). Sie bezeugen nur , dass man in jenen Zeiten geneigt 
und gewöhnt war, die von Westen kommenden Einwanderer Flandrer 
oder Sachsen zu nennen, ohne genaue Untersuchung ihrer eigentlichen 
Abstammung. 

Kehren wir nun von dieser Abschweifung, die aus guten Gründen 
gemacht ist, nach Schlesien zurück! 

Es ist im ersten Abschnitt erzählt worden, dass sich die frühesten 
Nachrichten über die deutsche Einwanderung in Schlesien an die Stif- 
tung des Cistercienserkloster Leubus im Jahre 1175 haften, welches 
mit Mönchen aus der Thüringer Porta coeli besetzt ward. Wir wissen 
ferner, dass die Pfortner Güter durch niederländische oder flämische 
Kolonisten urbar gemacht worden sind. Es ist nun sehr wahrschein- 
lich, dass die Leubuser Mönche Bauern derselben Art auf die ihnen 
vom Herzog geschenkten Ländereien beriefen. Man darf aber bezwei- 
feln, dass dieses die ersten sogenannten Fläminge oder Niederländer 
waren, welche schlesischen Boden betreten haben, denn der Durchzug 
der Rheinländer, welche König Geisa II. nach Siebenbürgen einlud, ist 
nach dem vorhin über die Zips bemerkten höchst wahrscheinlich durch 
Schlesien gegangen. Und es ist um so eher anzunehmen, dass manche 
der durchziehenden im Oderlande zurückblieben, als wir von neuen 
oder Kolonistendörfern in der Liegnitzer Pflege bei der Bewidmung von 
Leubus erfahren, welche also älter als die ersten Leubuser Unterneh- 
mungen gewesen sind. 

Auf eine ziemliche Menge niederdeutscher oder mindestens mittel- 
fränkischer (ribuarischer) Einwanderer während des 12. Jahrhunderts 
und wohl auch noch in der ersten Zeit des 13. zu schliessen, veranlasst 
uns die Untersuchung der deutschen Sprache in Schlesien. 

Dieselbe gilt freilich, und ganz mit Recht, für eine mitteldeutsche 
Mundart, und schon die ältesten deutschen Schriften aus dem 13. und 
14. Jahrhunderte, die in Schlesien entstunden, zeigen ein einheitliches 
Ostmitteldeutsch 2 ). 



') Marienburg, Ceber das Verhältnis der siebenbürgisch-sächsischen Sprache 
zu den niedersächsischen und niederrheinischen Dialekten, im Archiv des Vereins 
für siebenbürg. Landeskunde I, 3. 45 — 70. K. Reissenberger, Die Forschungen 
über die Herkunft des siebenbürg. Sachsenvolkes, Hermannstadt 1877. 

2 ) H. Rückert, Zur Charakteristik der deutschen Mundarten in Schlesien, 
in Zachers*Zeitschr. f. deutsche Philol. I, 199 ff.; IV, 322 fg.; V, 125 fg. — 
Rückert, Entwurf einer systematischen Darstellung der schlesischen Mundart im 
Mittelalter. Mit einem Anhang herausgeg. von P. Pietsch. Paderborn 1878 — 



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Die Verbreitung und die Herkunft der Deutsehen in Schlesien. 207 



Prüft man aber den Wortvorrat, so entdeckt man viele Bestand- 
teile, die nicht mitteldeutsch sind, sondern niedersächsisch oder nieder- 
fränkisch, oder die wenigstens nur in den nördlichen Strichen des alten 
Kibuariens vorkommen. Es haben sich diese Worte im Vokalismus 
meist dem schlesischen Mitteldeutsch angeglichen; nur eine Anzahl 
behielt den niederdeutschen Vokal der Stammsilbe bei. In einigen 
wenigen sind Vokal und Konsonant auf dem niederdeutschen Stande 
geblieben. 

Diese Worte sind nicht etwa junge Eindringlinge, wie sie ja aus 
Berlin und aus dem Militärdeutsch durch Soldaten, kleine Beamte und 
berlinisierende Halbgebildete jährlich eingeschleppt werden; sondern es 
sind Worte von altem Heimatrecht in Schlesien, von denen manche 
nur aus älteren Schriften zu belegen sind. Die meisten aber sind heute 
noch allgemein verbreitet und seit Jahrhunderten lebendig. Ich gebe 
ein Verzeichnis nach meinen Sammlungen : 

Bansen m. der zu beiden Seiten der Tenne liegende Scheunenraum. 
Niederd. Wort, D.Wörterb. I, 1119; nach Mitteldeutschland vorge- 
drungen, Bech in Pfeiffers Germania XVIII, 200. 

bölken, Zw. (bei Scherffer erhalten) blocken, schreien. — nd. ') (auch 
niederheHsisch) bolken, bölken. 

bracken Zw. geringes und schlechtes ausscheiden; Gebracke n. Aus- 
schuss; Brackschaf n. geringes auszustossendes Schaf. — nd. brak, 
bracken. 

Brass, Prass, Prast m. Haufe, Wust. — nl. bras, nd. brass, brast, 
auch md. verbreitet. 

Brüs, Prüs m. mit niederdeutschem Vokal, daneben mit mitteldeutsch- 
schlesischem, Praus, brausender Schaum. — nl. brüs, bruis. 

Büne f. Balken- und Bretter- oder Flechtwerkbau zum Uferschutz; 
auch ein Erd- und Steinbau zur Verbesserung des Flusslaufes. — 
nd. büne, Brem. Wörterb. I, 163 und aus Niederdeutschland mit 
Bedeutung und Form nach Mitteldeutschland gekommen. Goethe 
reimt ganz richtig Faust II, 0032 mit seinen Buhnen: Neptunen. 

Ge-dieg m. das Gedeihen (bei Logau und noch jezt); der Un-gedieh 
(Philo vom Walde); gedieglich Adj. (Logau, Steinbach); diegen 
Zw. gedeihen (Logau). — Mit nd. Vokal: nd. dihe, dige, gedtge, 
Zw. dfgen, dlhen. 

dögen Zw. leiden, ertragen (Trebnitzer Psalmen 24, 5). — mnd. 

doegen. j-rw &*j o 1 
Dräps m. Schlagt Puff". — altmärk. magdeburg. Draeps; nd. dräpeu, 

treffen, schlagen. 

eifer, eiver Adj. scharf, ätzend, wie nd. efer, Brem. VVb. I, 327. 
fach, gefach Adv. häufig, oft (bei den alten Schlesiern). — mnd. vake, 
vaken, mnl. vaeken, nl. vaak. 



K. Weinhold, Ueber deutsche Dialektforschung. Die Laut- und Wortbildung und 
die Formen der schlesischen Mundart. Wien 18. r »3. 

') nd. = niederdeutsch, mnd. = mittel (älter) niederdeutsch ; nl. = nieder- 
ländisch, mnl. = mittel (älter) niederländisch; md. = mitteldeutsch. D.Wb. D.Wörterb. 
= Deutsches Wörterbuch von Jak u. Willi. (Jriram. 



208 



Karl Weinhold, 



[52 



Flappe f. Mund, Maul. — nd. flabbe, nl. engl. Aap. Auch md. Flabbe, 
Flappe. 

Gabsche f. eine Handvoll. — nl. gaps, nd. göpse ; vgl. meine Beiträge 

zu einem schlesischen Wörterbuch 25 a . 
ver-gadern Zw. bei Scherffer. — nd. gaderen, vergaderen; oberdeutsch 

vergattern. 

vj i'/w'i glupsch Adj. tückisch, lauernd. — nd. glüpisch, glupsch. Auch in der 
Zips glubsch; nd. glüpen, nl. gluipen, engl, gloppen. 

grapschen Zw. zugreifen, fangen; die Grapsche, die Hand. — nd. 
grapsen, Graspel f.; engl, grasp. 

Graupe f. geschrotenes Gerstenkorn; Hagelkorn. — nd. grübe, grüve. 

grelen Zw. schreien, brüllen. — nd. groelen. 

gri sehen Zw. kreischen. — nd. nl. krischen, auch obersächs. krischen. 
D.Wörterb. V, 2303. 

Grüle f. die Grossmutter. Bildung aus grüen, grauen. Eine verwandte 
Bildung ist altnord. gryla. Das Alter erscheint als graulich, minde- 
stens als nicht anmutig. Vgl. auch J. Grimm bei Haupt, Zeitschr. 
f. deutsches Altertum I, 23. 

Gütte, Jütte f. Mädchen (A. Gryphius). — nd. Jtitte, Jitte. 

happen Zw. schnappen, beissen. — nd. nl. happen; auch hessisch. — 

happig Adj. gierig. — D.Wb. IV, 2, 473. 

Heide f. in der Bedeutung von ausgedehntem Kiefer wald ist nord- 
deutsch. D.Wb. IV, 2, 798. 

Hesse f. Kniebug. — nd. hesse, nl. hese; oberdeutsch hechse, hehse. 

Karbe f. Kümmel. — nd. karve. — D.Wb. V, 207. 

Keike f. Keichhusten (Dalkau bei Glogau), niederdeutsches inneres k. — 
D.Wb. V, 434. 

kifen, kiwen Zw. 1) nagen: ausktwen, zerkiwen; 2) keifen, zanken; 

klfeln, sich klfeln (Logau, A. Gryphius, Kernchronik). — Kif m. 

Zank (Scherffer). — kifig Adj. zänkisch; kiffizig schnippisch (heute 

noch lebend). — D.Wb. V, 663 f., 665. 
klacken Zw. schlagen, prügeln. — nl. klacken, engl, to clack. — 

D.Wb. V, 891. 

klemmer Adj. lehmig, klebrig. — nd. klem, Lehm; nd. md. klemen, 
kleben. A ' " 

Kluftspiel rn\ Schauspiel (in einer Redensart bei Gomolke). — nl. 
kluchtspel. — D.Wb. V, 1269. 

knaspern Zw. knappern. — nd. gnaspern, knaspern. — D.Wb. V, 1357. 

knibeln Zw. nagen, knappern. — nd. knibbeln, gnibbeln, baltisch 
knibbern. - D.Wb. V, 1311. 1416. 

knüsen, verknüsen Zw. kauen, schlucken; verschlucken. — nd. ver- 
knusen. D.Wb. V, 1526. 

kräseln Zw. zusammenkratzen, wirtschaftlich sein. — kräslich, Adj. 
wirtlich, mühsam. — nd. krasseln, kratzen. 

Kränkte f. Krankheit, fallende Sucht. — nd. nl. krenkte, auch nrhein. 
und mainfränkisch. — D.Wb. V, 2041. 
^ ] Kringel n. ringförmiges Gebäck. — nd. und md. — D.Wb. V, 2316. 

1 arte Adi «rbwaori unf n^Vificr fRftirriMihft^Vi ). — Df»r LanA. Kastrat 



läpe Adj. schwach, untüchtig (Reichenbach). — Der Läpe, Kastrat 
(Logau). Niederdeutscher Konsonant. — nd. lep, Brem. Wb. ni, 54. 



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Die Verbreitung und die Herkunft der Deutschen in Schlesien. 209 



Stürenburg ostfries. Wörterbuch 2 , 495 ; vgl. auch ostfries. nl. 
laf, lef. 



be-lemmern Zw. in Verlegenheit bringen, betrügen. — nd. lemmern, 
belemmern. — Meine Beitrage zu einem schlesischen Wörterbuch. 
Wien 1855. 52 a . 

lene Adv. langsam. — nd. md. D.Wb. VI, 547. 

lendern, lensern, luntern Zw. faul und langsam sich bewegen. — 
nl. lenteren, mnl. lunderen, nl. luntern. - D.Wb. VI, 1308. Beitr. 
z. schles. Wörterb. 53 a . 

luchten Zw. «ich weiss es nicht, wie es morgen luchten wird" 
(Reichenbach) = wie der Wind gehn, was sich ereignen wird. — 
Der Lucht ich (Luchting) luftiger Bursche (Lobris bei Jauer). Nieder- 
deutscher Konsonant: nd. nl. lucht, Luft; nl. lugten, wittern. 

lüren Zw. lauern; die Lüre, bei Kinderspielen der Stein oder Platz, 
auf den acht gegeben werden muss. — Niederdeutscher Vokal. — 
nd. lüren. 

mang, dermang Adv. zwischen, dazwischen. — Durch den Gebrauch 
Scherfiers als alt erwiesen; übrigens selten. — nd. mang. 

marächeln Zw. sich abmaracheln, sich abmühen, abarbeiten. — nd. 
marachen, maraken, auch nach Thüringen und Ostfranken eingedrungen. 

mauken Zw. faul und stockig werden. Das Wort zeigt nd. Konso- 
nanten undobd. Diphthong, während muchen, muchinzen, nd. Vokal 
und obd. Konsonanten hat. 

Micke f. zugespitzter kleiner Pfahl in Kinderspielen. — mnl. micke, 
nd. micke. D.Wb. VI, 2170. 

ver-mickern Zw. verkommen. — nd. vermickern, Brem. Wb. VI, 201. 
Dähnert 524. 

Moppe f. Mund, Maul; moppen Zw. essen, vermoppen, verspeisen. — 
nl. moppen, engl, mop; vgl. hochd. muffen, muffeln. 

mülmig, milmig Adj. zu Staub zerfressen oder zerrieben. — nd. mulmig, 
Brem. Wb. III, 198. — Mulm m. Strassenstaub (Pommerswitz); nd. 
mulm. 

mulstrig Adj. von dumpfem, faulem Geruch. — nd., vgl. auch 
D.Wb. VI, 2658. 

mü schein Zw. durch drücken und rollen schmutzig machen. — nd. 

mussein, D.Wb. VI, 2734. 
nelen, nselen Zw. zaudern; langsam gehen, sprechen, arbeiten. — nd. 

nelen, ncelen, dän. noele. — D.Wb. VII, 878. Ua* C<^J> 
Placker m. Fleck, Fehler im Gewebe oder sonst. — nd. plack, placke, 

placker. 

poschoi'en Zw. streicheln. — nd. puschei'en. 

püsern, püschern Zw. sich p., sich aufblasen; püserig Adj. mit auf- 
geblasenem, sich sträubendem Gefieder. — nd. püsig; vgl. auch püsten. 
Qualster m. Schleim; qualstrig Adj. schleimig. — nd. qualster. 
quappeln Zw. schlottern, wappeln. — nd. quabbeln, 
quäsen, quösen Zw. schlemmen; Quäs, Quös m. Schlemmerei, Gasterei. 
Im älteren Schlesisch. — Niederdeutsches Wort: Brem. Wb. IV, 397. 
Schütze 1, 263. Dähnert 367. Schambach 163. Auch nach Thüringen, 



Meissen, Franken eingedrungen. 




^k^Ti.- 0--. 



» • 



: 



210 



Karl Weinhold, 



[54 



queichein Zw. weichlich und kranklich sein; zart behandeln, ver- 
zärteln. — nd. quei queie: weich, sanft. p{\n yt^X / * t *s/kU&, 1 .2*77) 

rappen, rapsen Zw. raffen, nd. — rappeln sich Zw. sicn rühren, 
bewegen; nd. rappeln, reppeln. — rapplich Adj. nd. repplik. 

Gerecke n. Frosch-, Krötengerecke: Froschlaich, Krötenbrut. — flämisch 
paddegerecke, nl. paddengerack. 

schachtern Zw. geschäftig sein; mit nd. cht — hochd. ft. 

sc lief Adj. schief. Mit nd. Vokal; nd. nl. schef. 

sc hlickern, schluckernZw. Nasses verschütten. Schlickerhäusel, Wirts- 
haus ; Schlickerwetter, nasses Wetter. — nd. slackern, slickern, sluckern. 

Schlung m. Schlucht. — nd. slunk Schlucht, Schambach 196. 

schmaeren Zw. schmieren; mit nd. Vokal. — nd. smeren, smeren. 

schmuck Adj. schön, tüchtig (bei Steinbach nicht verzeichnet). — 
nd. smuck. 

schnäken Zw. reden, plaudern. — Schnake, Schnöke f. lustige Ge- 
schichte; Schnäkebichel n. weltliches Geschichtenbuch. — nd. snack, 
snacken. 

schummeln Zw. bewegen, schaukeln oder wiegen; intrans. sich be- 
wegen, gehen oder laufen. — nd. schummeln, nl. schoramelen. 

Schummer m. Dämmerung; Schümmerich Adj. dämmericht, düster; 
schummern Zw. dämmern. — nd. schummern. 

Schüppchen (Plur.) die Hollunderbeeren ; nd. schübken. 

Schwarke f. dunkles Gewölk (Steine bei Breslau). — nd. swark, swärk, 
: « tfl^j schwarze Wolke, Regenwolke: en wedder swarkt up (Voss). — ags. 

sverc sveorc Finsternis. Vgl. auch ahd. gisuuerc tempestas, mhd. 
swarc, swerc. 

schwuchtern Zw. schwatzen. — nd. swugtern, seufzen und klagen. 
" ' ' Vgl. auch nd. s wögen, swoegen, nl. zwoegen; gotisch svögjan. 
' ' ' Y- Speir m. Grasspitze, Hähnchen. — Auch oberlausitzisch ; nd. spir, 
"* t U '\\ V ^ engl, spire. 

* Spille f. Spindel, spindelartiger Gegenstand. Wesentlich nd., obschon 
auch md. verbreitet. 
' V stiekern Zw. mit einer Stange stossen und suchen; der Starker , Stange 
zum stossen und suchen gebraucht. — nd. staken, stakern, stcekern. 
Staupe f. katarrhalisches Fieber; schlesisch seit 1(3. Jahrhundert nach- 
weislich. Auch obersächsisch ; wetterauisch Steupe. Aber eigentlich 
<£rmt*e**U n &> Wort: stüp, stüpe: Stockung, Hemmung; krampfhafter Anfall 
(Stürenburg, ostfries. W örterb 3, 354), nl. stuip, stuipe, Krampf, Fieber. 
Staupe f. Rutenschlag; der Pfahl, an dem die Verurteilten gestäupt, 
mit Ruten gehauen wurden. Der aus Stein errichtete Pranger hiess 
die Staupsaule. — Nd. Worte, die nach Mitteldeutschland vordrangen 
und hier au fUr ü annahmen, 
tage, täger Adj. zäh, langsam, träge (Dreissighuben bei Reichenbach). — 

nd. Konsonant und Vokal; nd. tag, tä. 
Teuche f. tiefe nasse Stelle im Acker (zwischen Liegnitz und Jauer). — 
nd. ch für f. 

tieren Zw. sich gebärden, sich warum zu thun machen (Schweinichen). — 
Heute noch an der mittleren Weistritz (Schweidnitzer Gegend) uf- 
getirt gihn: aufgeputzt gehn. — nd. tieren, tiren. 

.' ' , . '••».»« '*t*+, " 



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55] Die Verbreitung und die Herkunft der Deutschen in Schlesien. 211 

trecken Zw. ziehen, schleppen (Schweinichen , Scherffer, Czepko und 
noch heute). — nd. trekken. 

tuntern Zw. träge und ungeschickt sein; tuntrig Adj. ungeschickt, 
albern; Tunterliese f. träges und^mmes Weibsbild. — nd. tunteln. 
tüntein, Brem. Wb. V, 132. Stw£nSroT§3 447; Tuntje f. Scham- 
bach 237. A-.'y&.'.w 2. , fiT, r^Uc Tt**,uuf <|JU iffn , 

Wachändel, Jachändel m. Wachholder. — nd. wachändel, machändel- V'f. 
böm = macholder; oberlaus, jachändel. 

Warf n. die aufgeworfene Erde: der Erdaufwurf, auf dem ein Haus 
steht; der Wall; der umschlossene oder gehegte Kampf kreis; in 
diesen Bedeutungen in s^bJesisclym Schriften des 14. — 16. Jahr- 
hunderts. — nd. warf, StürcnTjuf g 3, 513 f. 

wittigen Zw. weissagen (bei Mühlpfort), mit nd. Vokal und Konsonant. — 
mnl. witegen, witigen = ahd. wizagon. 

wo Adv. in einigen Formeln = wie, z. B. wustam: wie ist dem 
(A. Gryph. gel. Dornrose); wü bale kumnien Kinder (Philo, Bilder- 
buch 2). — nd. wö, wä = wie. 

Gezäue, Geze n. Webstuhl; in dieser eingeschränkten Bedeutung auch 
achenisch (Gazau) und nd. tou, getou, nl. getouw. &£M ,fc,Sx+Q%-2il 

«*y KS. .V. * ■ A# ^leC — C*y~~f* ^ tu* " >->'■ ~ Lfi't* ~'4jt) 

An diese Worte reihen wir einige in Schlesien verbreitete Fami- 
liennamen an, die ganz niederdeutsches Gepräge haben. 

Aus Personennamen (heutigen Vornamen) entstanden: 
Bernd, Berndt, nd. Kürzung aus Bernhard. 

Dierich, Dierig, mittel- und niederfränkische Form von Dietrich ; vgl. 
Tirricus 117(5, Lacomblet niederrh. Urkundenb. 1, Nr. 400; franz. 
Thierry. 

Diepold, Tiepolt: Dietbald; vgl. Tiepoldus, Ennen, Kölnisches Ur- 
kundenbuch II, 188 (1238). Thiebald, franz. Thibaut. 

Gerth, Gierth, Gierdt = Gerhard, nd. Gert, mittelfränk. Giert.' 

Girnt, Girndt = Gernöt, mittelfränk. Kürzung; Gernt ist mehr mittel- 
deutsch. 

Hampe, Hempe, Hampel, Hempel, hypokoristische nd. undfries. Formen 
eines mit hage oder hagen zusammengesetzten Namen, etwa Hage- 
bern, Hagebert, Hagenbert. 

Hennig, Hannig = Henning, nd. Koseform aus Johann. 

Hippe, Hipke, nd. Koseform eines mit mit zusammengesetzten Namen, 
etwa Hildebert oder Hildebrand. 

Lampe, Lampke, Bildungen aus Lampert (Landpert) oder Landfried. 
. Lühr, Liehr; Liers, Lieres = Lüer, d. i. Lüder, mit nd. Schwund des d. 

Seifert, aber Seiwert gesprochen, mit md. Vokal für nd. Sivert = 
Siegfried. 

Tamm, Thamm, nd. hypokoristische Form aus Thankmar. 

Thiel, Till (Tiller, Tillich, Tieisch, Thielscher, Tillniann), nd. Kose- 
formen von Dietrich. — Den in Schlesien sehr häufigen Namen Titze, 
Tietze werden wir auf nd. Tize, Tizo (aus Thiedrik) zurückführen 
müssen. 

Thieme, Thiemich, Thiemann, ebenfalls Koseformen aus einem mit 
thied diet zusammengesetzten Namen. 

y ff • ' O k - * m "3 5 f. \ v »| ** . ull • >» r . V — . 0 

T h ^»W . 4, . "6«»Vr,/, ft/&, » i 7 • ' \ 

I — - . ' \* 

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212 Karl Weinhold, [56 

Die in Schlesien häufigen Namen in — ke *) kommen teilweise 
auf niederdeutsche Rechnung. Zum grösseren Teil sind es slavische 
Namenskürzungen auf ko oder ka, wie z. B. der ungemein zahlreiche 
Name Hanke, wie ferner Blaschke, Franzke, Hantschke Henschke, 
Jäschke Jaschke, Leske Leschke Löschke, Matschke, Nitschke, Paschke, 7 
ftsX fCc^ Pietschke, Raschke, Wenzke. 

Von deutschen Bildungen derart seien ausser den oben schon 
angeführten Hipke und Lampke besonders genannt der aus Gerung 
entstandene Name Gerke (Gerko 1298, Regesten 3, 25), auch zu Girke,- 
Gierke, Gürke gemacht; ferner Heinke, Henke, Hinke aus Heinrich, 
Radeke aus Radulf. 

Niederdeutschen Ursprung bezeugen auch die in schlesischen Ur- 
kunden des späteren 13. Jahrhunderts vorkommenden Namen Cerstan, 
Rodger, Rolant und Rulant. 

Familiennamen, die aus Appellativen entstunden und nieder- 
. / deutsche Form zeigen, sind mir folgende aufgefallen: 

Boer, Böer (auf dem Lande nicht selten), ist doch nichts anderes als 
nl. boer, der Bauer. Nur wird das oe in Schlesien als langes ö ge- 
•'.<•, >uAf> sprochen. Ganz ebenso ist zu beurteilen der schlesische Familiename 
Broer, Bröer, der nl. broer, broeder, Bruder ist. 
Naeve, Naefe, Näve, Näfe istnd. neve, nl. neef, Neffe, entfernterer 

Verwandter überhaupt. 
Schröer ist nd. Form für schroeder, Schneider, mit Ausfall des d, 

wie broer aus broeder entstund. — Brem. Wb. IV, 688. 
Tilgner, der Anpflanzer von tilgen oder telgen, Baumreisern. Hollän- 
disch ist telgqueckery die Baumschule. 

In einigen der verzeichneten Worte niederdeutscher Herkunft sind, 
wie hervorgehoben ward, un verschobene p, t, k erhalten, ebenso trat 
nd. cht = hochd. ft hervor. Diese Zeugen niederdeutschen Konsonanten- 
standes können nun durch t = hochd. z (ß) in einigen Worten Ver- 
stärkung finden, die sich in dem entlegensten Osten Schlesiens, in der 
Umgegend von Bielitz, erhalten 2 ) haben, nämlich in dot (daß), det (diß), 
im Adverb etta (itzo) und vielleicht auch im Partizip gesott (gesezt). 

Zwingende Beweise für niederdeutsche Einwanderung liegen des- 
halb nicht in diesem t, weil dat und dit sich im Mitteldeutschen bis 
in dessen südlichste Striche unverschoben erhielten, und weil gesät 
(Ptc. zu setzen) md. wie obd. oft genug vorkommt 3 ). Sie können 
daher auch für die mitteldeutsche Einwanderung in Anspruch genommen 
werden. Anders liegt es mit etta, das auf nd. ietto 4 ) zurückgeht und 
als sicherer Beweis niederdeutscher Heimat gelten darf. Von hier und 
von Worten wie tage, tieren, trecken, wittigen, ferner läpe, Keike, mauken, 
luchten, schachtern kommt eine Stärkung der Beurteilung von dot, det, 



') Man sehe die überraschend reiche Sammlung solcher Namen, die Hoff- 
mann v. Fallersleben in seinem scherzhaften Breslauer Namenbüchlein, Leip- 
zig 1843, S. 22-24, vorgelegt hat. 

2 ) Waniek, Zum Vokalismus der schlesischen Mundart S. 7. 

s ) Meine mittelhochdeutsche Grammatik §§ 197. 194, 2. Aufl. 

*) Belege dieser Form bei Schiller-Lübben mittelniederdeutsches Wörter- 
buch 2, 412 f. 



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Die Verbreitung und die Herkunft der Deutschen in Schlesien. 213 



gesott als Niederschläge niederdeutscher Sprache der ältesten Einwan- 
derer in Schlesien. 

Die Gründe werden nach allem Ausgeführten hinreichend befunden 
werden, um eine erste Einwanderung niederdeutscher und niederrheini- 
scher Kolonisten in nicht kleinen Mengen zu behaupten, und zwar muss 
dieselbe nicht auf einzelne Gegenden beschränkt gewesen sein, sondern 
überall da, wo wir überhaupt deutsche Ansiedelung Fuss fassen sehen, 
Spaten und Axt eingesetzt haben. Die örtliche Verbreitung der von 
uns beigebrachten sprachlichen Belege spricht dafür. 

Aus Volksgebräuchen weiss ich eine einzige Spur niederdeutschen 
Volkstums in Schlesien anzuführen. Während in dem ganzen deutschen 
Schlesien die Johannisfeuer lodern, sind nämlich im Leobschützer Kreise 
Osterfeuer üblich. Für die Stadt Leobschütz ist flämische. Besiedelung 
ziemlich sicher 1 ). Die Osterfeuer bestätigen niederdeutsche Einwande- 
rung, da sie dem sächsischen Volke eigentümlich sind^). 

Die mitteldeutsche Einwanderung. 

Ueber die niederdeutsche erste Einwanderung hat sich eine zweite 
mitteldeutsche gezogen, die stark genug gewesen ist, um jene fast ganz 
aufzusaugen und Schlesien zu einem Lande von durchaus mitteldeutscher 
Art zu machen. Dieselbe drückt sich aus in der Mundart, in den Orts- 
und Personennamen, in der Anlage von Haus und Hof, und in der 
Volksüberlieferung. 

Untersucht man nach den bezeichneten vier Richtungen, so tritt 
überdies eine enge Gemeinschaft hervor zwischen Schlesien, den nörd- 
lichen deutschen Gegenden von Böhmen und Mähren, ferner der Ober- 
lausitz, Meissen und dem Pleissnerlande. Diese Länder stehen sich nach 
jenen Richtungen so nahe, dass sie eine einheitliche Gruppe bilden, die 
des mitteldeutschen Kolonisationsgebietes. Die Zips und Siebenbürgen, 
hier vornehmlich das Burzenland, das unter König Andreas II. der 
deutsche Orden germanisierte, können wir dazu stellen. 

Auch hier sind wir von geschriebenen Quellen verlassen. Die 
Entstehung dieser Gruppe muss auf anderem Wege begriffen werden. 

Das Pleissnerland und Meissen wurden am frühsten, schon im 
9. und 10. Jahrhundert mit Deutschen besetzt. Das natürlichste war, 
dass in diese thüringischen Marken Thüringer einzogen. Von den so- 
genannten niederländischen Kolonien des 12. und 13. Jahrhunderts ward 
früher schon gesprochen. 

Zu den Thüringern und Niederländern kamen dann Ostfranken. 
Wiprecht v. Groitzsch rief 1104 aus der Gegend von Lengefeld in Franken 
Ansiedler in das Pleissner Land , wie in seiner Lebensgeschichte be- 
richtet wird. Diese Angabe deutet an, von wo überhaupt ein neuer 
Einwandrerstrom in die Länder des Ostens an der Elbe und Oder und 



') Toraasch ek, Deutsches Recht in Oesterreich S. 75. 
2 ) J. Grimm. Deutsche Mythologie S. 581, 2. Aufl. 



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214 



Karl Weinhold, 



[58 



längs der Sudeten gekommen ist, durch den es schliesslich gelang, 
wenigstens einen grossen Teil derselben ganz für das Deutsche zu ge- 
winnen. 

Wir werden nun versuchen, die hervortretenden fränkisch-thürin- 
gischen Bestandteile in dem deutsch - schlesischen Leben und zugleich 
das Gemeinsame in der Gruppe nachzuweisen. 

1) Die Mundart. 

• 

Die schlesische Mundart ist eine Abteilung des ostmitteldeutschen 
Dialekts, wie von uns wiederholt gesagt ist. Sie steht der oberlausitzi- 
schen so nahe, dass sich im Wortschatz und im Lautstande wenig Unter- 
schied findet. Indessen stellt sich das Oberlausitzische durch die Ver- 
einigung der* an- und inlautend stimmlosen und stimmhaften Verschluss- 
laute in hauch- und stimmlose Laute und durch den steigend-fallenden 
Satzaccent zu dem Meissnischen. Das inlautende g spricht es wie das 
schlesische. 

Für das Schlesische gibt die genaue Unterscheidung der fortes 
und lenes im Anlaute und die starke Aspiration der fortes einen be- 
stimmten Unterschied von dem Meissnischen; ferner der musikalische 
Rhythmus des Satzes, der in dem musikalischen Accent der Wurzelsilben 
sowie in dem stufenweisen Absteigen des exspiratorischen Accents der 
musikalisch eine Terz" tieferen Nebensilben sein Wesen hat '). 

Wenn wir die schlesischen Schriften des 14. und 15. Jahrhunderts 
mit der heutigen Mundart oder mit Schriften in derselben, z. B. den 
Holteischen Gedichten vergleichen, so empfinden wir in jenen weit mehr 
dem Niederdeutschen sich näherndes als im heutigen Dialekt. Das 
liegt darin, dass jene alten Schriftwerke: Urkunden, Rechtsschriften, 
Predigten, Traktate, Uebersetzungen u. s. w. , in einer Schriftsprache 
abgefasst sind, die von aussen nach Schlesien kam. 

Jenes Deutsch, das sich die Magdeburger Rechtskundigen für 
ihre Weisungen nach Obersachsen, Schlesien, Böhmen, Mähren gebildet 
hatten, um überall verständlich zu sein, und das deshalb auf den Dialekt 
dieser Länder möglichste Rücksicht nahm, gab für die Abfasser deut- 
scher Schriften auch in denselben das Muster. Und so stimmt das 
Deutsch in den Schriftstücken jener Zeit vom Pleissnerlande bis Schlesien 
so überein. dass ohne die Ortsangaben es sehr schwer werden möchte, 
eine meissnische Urkunde bestimmt von einer schlesischen zu unter- 
scheiden. 

Für die wirklich gesprochene Mundart haben wir in Schlesien 
vor dem 17. Jahrhundert keine Zeugnisse. Diese stimmen dann aber 
so mit dem jetzigen Landschlesisch überein, dass wir einen Rückschluss 
auf die ältere Zeit wagen und behaupten dürfen, im wesentlichen sei 
im 14. und 15. Jahrhundert ebenso gesprochen worden. 

Am meisten macht das Schlesische längs des Gebirgszuges der 
Sudeten den Eindruck einer ostfränkischen Mundart. Die hier herr- 



') Waniek, Zum Vokalismus der schlesischen Mundart S. 23 fg. — Ueber 
den schlesischen Tonfall sehe man auch H. Rückerts Ausführungen in Zachers 
Zeitschr. f. deutsche Philol. IV, 329 ff.. V, 135 ff. 



Die Verbreitung und die Herkunft der Deutschen in Schlesien. 215 



sehende Verkleinerung der Namen und Hauptwörter, ja selbst der 
Pronomina in le oder la ') sowie der durch Nasalierung erfolgte Schwund 
des auslautenden n in Bildungssilben (Inf. assa, treiba, gissa, reita, 
ruflPa, schlöfa, läba ; Ptc. gesassa, genussa ; dar Morga, die Junga, mid 
olla Krefta, eim arschta Schlöfe) geben der Mundart einen eigentüm- 
lichen Klang, der sie von der im mittleren und niederen Flachlande 
scharf unterscheidet. 

Besonders wichtig aber ist für unsere Ansicht, dass eine fränkisch- 
thüringische Einwanderung bestimmend für das Deutsche in Schlesien 
war, der Wortschatz. Darum, führe ich zunächst eine Reihe von 
Worten auf, die den fränkischen und thüringischen Bestand 
im Schlesischen unzweifelhaft beweisen. Ostfranken, Hessen, Nassau, 
dann Thüringen und Meissen kennen dieselben Worte und Wortformen. 
Manche von ihnen leben auch im schwäbischen und bayrischen Gebiet. 
Wenn sich andere dagegen auch im Niederdeutschen nachweisen lassen, 
so gründet sich dies auf die Eigenschaft des Mitteldeutschen als Mittler 
zwischen Ober- und Niederdeutsch, als Brücke zwischen Nord und Süd, 
auf welcher der gegenseitige Verkehr geschieht. 

aber Adj. schneefrei (Riesengebirge, südwestl. Grafschaft, auch in Nord- 
böhmen), ein obd. 2 ) Wort, das Schmeller, bayr. Wörterb. I 2 , 13 
übrigens auch aus Franken anfuhrt. 

a?bich, aebicht Adj. verkehrt; obd. und hessisch. — äbsch, eppsch 
Adj. verkehrt, albern; hessisch, thüringisch, meissnisch. 

Agläster, Schalaster, Scholäster f. Elster. — D.Wb. I, 189. Schweizer. 
Idiotikon 1, 125. Die Vermittelung zwischen Agläster und Schalaster 
bildet das Zipser Tschogelester. 

Alp m. , Plur. die Elber, Elper: das gespenstische elbische Wesen. 
Auch als Schelte gebraucht. — Zwar allgemein obd. und md. , hier 
besonders wegen der Pluralform elber angemerkt, die gerade bei 
dem Hessen Herbort v. Fritslar, liet v. Troie 75G vorkommt. 

Ameise, schlesisch Omfie f. Auch oberlaus, und zipserisch; in Hessen 
ömeisse, ömitze, westerwäld. oumetz, luxemburg. ömes, elsäss. ömeis. 

ßäugel, Begel n. Ring, ring-(baug-)förmiges Gebäck. — österreich.- 
bayrisch, Schmeller 1*, 214. Auch in der Zips ist das Wort er- 
halten: Schröer, Wörterb. d. deutsch. Mundarten d. ungr. Berglandes 
S. 33. 

Boie f. Wiege (durch Holteis handschriftl. Nachträge zu einem Exem- 
plar meiner Beiträge zu e. schles. Wörterbuche verbürgt). — thürin- 
gisch-ostfränkisch: Lexer, Mhd. Wörterb. III, 36 Nachträge; From- 
mann, Mundarten VI, 130. Laistner, Archetypus der Nibelungen 
S. 5. — boien, wiegen: Schultze, nordthüringisches Idiotikon 29. 

Born m. Brunnen, und zwar Quell- wie Zieh- und Schöpfbrunnen. 
Die herrschende schles. Wortform wie in Meissen, Thüringen, Ost- 
franken, Hessen, Wetterau (auch nd.). — D.Wb. 2, 244. 

Buck m. Hügel: über die Bücke fuhrt der Weg von den obersten Höfen 
in Kolbnitz nach Nieder -Jägendorf (Kreis Jauer). Ein wesentlich 



') Aus len, lin, lin. 
2 ) Obd. = oberdeutsch. 



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Karl Weinhold, 



[60 



fränkisches Wort. — Das Gebücke, Heckenwerk, Verhau: Zeitschr. 
f. schles. Geschichte VIII, 409. - D.Wb. IV. I. 1, 1879 f. 

Busch, Püsch m. Laub- und Nadelwald. In solcher Bedeutung auch 
lausitz., nordböhm., siebenbürgisch. — D.Wb. II, 557 f. 

Bussel n. Kuss; im Österreich. Schlesien und in Grenzstrichen des 
preussischen gebraucht. — österr. -bayrisch. 

Büttner m. Bötticher, Fassbinder. — Fränkische und oberpfälzische 
Benennung des Gewerbes. 

deuchen Zw. rasch laufen; — deuchsen, nach md. Gesetz assimiliert zu 
deussen: intr. rennen; trans. laufen machen, jagen. — Dazugehört 
der Name der schnellen Deichsel, des Deuchsflusses, wie schlesi- 
scher Helikon 1, 87 geschrieben steht, eines Nebenflusses der Katz- 
bach. — Schmeller, Bayr. Wörterb. I 2 , 482. 484 verzeichnet aus 
Franken und Oberpfalz deichen, dicheln, dichseln, teuchen mit der 
Bedeutung schleichen ; Stalder , schweizer. Idiot. 1 , 280 hat tichen, 
schleichen. Dem schlesischen deuchen entspricht in Form und Be- 
deutung mhd. diuhen, j. Titurel 6093. Virginal 97, 4. Eckenlied 71, 6. 
Kolmarer Liederhandschrift 31, 47. 

eilig Adj. stumpffühlig an den Zähnen: acerbus sawer vel est defectus 
dentium eylig: Diefenbach, Mittellat. hochd.-böhmisches Wörterbuch 
von 1470, S. 6. Frankfurt 1846. Noch heute nordböhmisch eilich. — 
westerwäld. eil. 

entersch Adj. unheimlich, ungeheuer. Ein nach Böhmen, Mähren, 
Schlesien vorgedrungenes bayr.-österr. Wort. — D.Wb. III, 512. Schmel- 
ler, Bavr. Wb. I 2 , 103. 

ge-fach Adj. feindlich (bei Logau und Scheffler). — mhd. gevech. 

fanzeln Zw. Possen treiben; bei Gomolke und Robinson fanschein, 
nuscheln. Aus dem Hennebergischen von Reinwald 30 angeführt. 

ferten, farten Adv. voriges Jahr; fertig, färtig Adj. vorjährig. — Ober- 
deutsch, ostfränk. (Spiess 58, Vilmar 101), oberlausitzisch, nordböhmisch. 

Fipe f. Pfeife; fipen, füpen, Zw. pfeifen. Auch erzgebirgisch. Eine 
recht mitteldeutsche Wortform nach den labialen Konsonanten. 

Flansch, Flunsch m. Maul, verzerrtes Gesicht. — Flanschen m. Maul;« 
Fetzen Fleisch. — flanschen Zw. zerfetzen. Worte, die in Meissen, 
Thüringen, Hessen und in Norddeutschland in gleicher oder ver- 
wandter Form leben. — D.Wb. III, 1723. 1851. 

Flössn.Flösseln., fliessendes Wasser, Bach. — Ober- und mitteldeutsch. 
D.Wb. III, 1818, f. Weigand, D.Wb. 1, 548. 

furkeln, forkeln Zw. hin- und herfahren, hin- und herwerfen. — Ober- 
pfälzisch, bayrisch, D.Wb, IV, I. 1, 758. 

Gadern m. Stockwerk eines Gebäudes. Die Bauernhäuser sind ein- 
gadmigoder zweigadmig. — Md. und obd. Wort, D.Wb. IV, I. 1, 1133. 

Gäke f. schreiender Vogel; schwatzhaftes Frauenzimmer. Mitteid. Wort, 
gleich dem Zw. gäken. — D.Wb. IV, I. 1, 1153. 

gäkrig Adj. buntscheckicht, — Oberpfälz., ostfränk., oberlaus.; gake- 
lich, meissnisch. 

Gall, Gäl, Göl m. lauter Schrei; gallen Zw. gellen, laut schreien. — 
Ausser in Schlesien und der Oberlausitz auch in Bayern und Oester- 
reich erhaltenes Wort, D.Wb. IV, I. 1, 1181 f. 



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Die Verbreitung und die Herkunft der Deutschen in Schlesien. 217 



Galle f. in Bergnamen: die Weissgalle Berg bei Schömberg. Auch 
in Hessen kommt Gall, Gällchen in Bergnamen vor: Arnold, An- 
siedelungen 1, 49; ferner in Tirol südlich der Zillerthaler Alpen und 
in der Schweiz (Uri). 

gatschkern Zw. sich begatschkern ; sich begiessen, beschmutzen. — 
gatschkrig Adj. schlüpfrig. — D.Wb. IV, L 1, 1495. 

Gatschrich m. lüsterner geiler Mensch; aus gätsch lascivus abge- 
leitet. — D.Wb. IV, I. 1, 1495. 

Glefe, Gläve f., im Plural die Gläven, die Kinnbacken. — Zu glefe, 
Lefze, Lippe, das noch im Nassauischen erhalten ist: Kehrein, Volks- 
sprache in Nassau 1, 166. 

glenzern, glenstern, glinzern, glinstern Zw. glänzen, glitzern. — 
Schmeller, Bair. Wb. 1», 975. 

Gnetze f. Hautausschlag, Schorf (altschlesisch). — Ein mitteld. Wort, 
Weigand, Wb. 1, 710, Vilmar 141; nd. Gnatz, Brem. Wb. U, 523. 

graetig Adj. verdriesslich. Oberdeutsch, Schmeller l 2 , 1016. 

grätschen, grätschen Zw. unbehilflich und breit einherschreiten ; un- 
geschickt tasten. — Meissnisch, zipserisch, fränkisch und oberdeutsch : 
meine Beiträge z. schles. Wb. 29 b . 

Griebsch m. Kernhaus der Aepfel und Birnen. — Laus., meissn., 
thüring., ostfränk., hess., mittelrheinisch. 

Grund m. Gebirgsthal, Schlucht. Kommt zwar nd. und obd. yor, ist 
aber in dieser Bedeutung namentlich üblich in Meissen, Nord- 
böhmen, im ungrischen Berglande, in Ostfranken und nördlichem 
Hessen. 

Härte f. Bergwald: Name vieler Bergwälder, so im Waldenburgschen; 
vgl. ferner die Harte oder der Harteberg bei Baitzen, Kreis Franken- 
stein; die Harte, Wald zwischen Arnsdorf und Quirl, Kreis Hirsch- 
berg; die Kummerharte Berg bei Warmbrunn; der Harteberg bei 
Grochau, Kreis Frankenstein ; der Harzberg bei Konradswalde, Kreis 
Schönau. — Der häufige Dorfhame Harte (amtlich Hartau geschrie- 
ben!) bezeichnet das Dorf bi der harte (1217 vorwerc bi der harte). — 
Das Wort hart ist mit der Bedeutung Wald, Waldberg zwar Über 
ganz Deutschland verbreitet; ganz besonders war und ist es aber in 
Franken und Thüringen im Brauch, und zwar in weiblichem Geschlecht 
wie in Schlesien. 

Hegerauch m. trockener Nebel im Sommer; hegericht Adj. voll trocke- 
ner Nebel. — Die Form hege neben hei (Adj. dürr, trocken) kommt 
namentlich hessisch vor, Vilmar 157. 

hellig Adj. dürr, lechzend (Butschky). — Ein obd. und md. Wort, 
D.Wb. IV, 2, 973. 

heint (A. Gryph.), heinte (Opitz, ScherfFer, Schweinitz, Lohenstein, 
Chr. Gryph.), heunt (Opitz, Czepko, Coler), heunten (Schweinichen) : 
diese Nacht, heute. — Jetzt ist in Schlesien, gleichwie in Lausitz, 
Meissen, Thüringen, hinte die geläufige Form, die übrigens schon 
früher vorhanden war. 

un-ge-hirm Adj. ungeheuer. Altes md., obd. Wort, das sich bei uns 
erhalten hat. — D.Wb. IV, I. 2, 2483. 

Hübel m. (in älterer Zeit hobil) Hügel; Lehne an einem grösseren 



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Karl Weinhold, 



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Gebirgsabhange. — Nordböhmisch, oberlausitzisch, hessisch, rheinisch, 
obd. — D.Wb. IV, 2, 1850. 
Hüffe f. Hüfte. — D. Wb. IV, 2, 1871. 

ilst, ilstemal, Adv. zuweilen; verwandt mit ostfränkisch, hessisch alst, 
alstemal. — D.Wb. I, 246. 262, Vilmar 9. 

Kaule f. Kugel; käulicht Adj. kugelrund; kaulen, käulern Zw. kugeln. — 
Mitteldeutsche Wortformen. D.Wb. V, 349 f. 

Kaute f. Bündel Flachs; ein md. Wort (D.Wb. V, 363), das in schlesi- 
schen Schriften des 15. Jahrh. vorkommt (küte, kaute). 

Keubel m. n. einhenkliger Kübel (Jauer, Hirschberg). Aus Meissen 
von R. Hildebrand D.Wb. V, 647 nachgewiesen. 

Keuchel n. Küchlein, aus dem 17. Jahrhundert aus Scherffer und 
Schelf ler zu belegen. Hessisch, zipserisch, aber auch in Ostpreussen 
und Livland. — D.Wb. V, 647. 

Kiez m. Rindenkörbchen (Czepko). — Kieze f. Behälter für den Wetz- 
stein. — Mitteldeutsche Worte. D.Wb. V, 700. 

Kippe f. = Kuppe, Berggipfel, z. B. die Mittelkippe, Niederkippe, Elf- 
kippe, nordwestlich vom Tafelstein im Isergebirge; die Vogelkippe 
bei Altwasser; Felskippe: steil abfallender Fels (Hirschberg). — 
Mitteldeutsch, DWb. V, 782. 

Kippendorn, Kippenstrauch m. Hagebuttenstrauch, im südöstlichen 
Schlesien, wo auch die Hagebutten Kippen heissen. — Am Rhein, 
in der Zips und Siebenbürgen ; also ein für uns bedeutsames Wort. — 
D.Wb. V, 783. 

kirre Adj. zahm. — meissnisch, thüringisch, fränkisch. — D.W. V, 838. 
Klamp m. Krampf. — lausitz., meissn., osterländ. — D.Wb. V, 941. 
Klüngel m. in: Hemdeklüngel , Kind im Hemdchen; rheinisch: 
D.Wb. V, 1296. 

Klunsch m.Klüsche f. klumpiges nasses Gebäck; klunschig, klüschig, 
Adj. kleistrig, klumpig. — meissn. -thüring. D.Wb. V, 1299. 

Knäutel, Kneitel n. Halsdrüse. — thüring-meissn. D.Wb. V, 1374. 

knautschen Zw. drücken, quetschen; verbreitetes md. Wort. — 
D.Wb. V, 1374. 

Knüspel, Knispel m. Knoten, geknüpftes Bündel; Hügel. Uebertragen 
(wie Knoten) grober Mensch. Ein md. Wort, D.Wb. V, 1444, das aber 
auch bayr.-österr. vorkommt. — Schmeller, Bayr. Wb. I 2 , 1355. 

Knutte f. Knoten; knotiges Stück. — nd. Wort. D.Wb. V, 1499. 1508. 

Krauche f. thönerne Krücke; — rheinfränkisch, D.Wb. V, 2082. 

krausp. kräusplich, krauspricht Adj. kraus. — md., D.Wb. V, 2103 f. 

Latsch m. dünne Flüssigkeit; obersächs., siebenbürg., D.Wb. VI, 277. — 
lätschern Zw. fliessen, strömen, z. B. vom Regen gebraucht. 

Leusse f. md. Form für obd. Leuchse, die Wagenrunge; nordböhmisch 
lechse, lesse. 

Lummel, Lummer f. Messerklinge; auch nordböhmisch. — Die Wort- 
form Lemel, die in Katscher (Kreis Leobschütz) gehört wird, führt 
auf mhd. lämel, wozu lömel im böhm. Riesengebirge stimmt. — 
D.Wb. VI, 1289. 

muchen, muchinzen Zw. modrig riechen; md. , D.Wb. VI, 2604. 
Verwandt sind müffen, müffinzen. 



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03] Die Verbreitung und die Herkunft der Deutschen in Schlesien. 219 

ver-naffen Zw. durch ungeschicktes Schneiden verderben (Frankenstein). 
Verwandt mit niffen, niffeln, reiben, wetzen, beneifeln (Scherfler). 
Oberdeutsche Worte, D.Wb. VII, 844 f., Schmeller 1*, 1731. 

Nalde, Nulde f. m. Umstellung von Nadel. Dem u in Nulde ist o 
vorangegangen : nolde. 

Nanne, Nann m. Vater (bei den Schlesiern des 17. Jahrhunderts). — Tifci vX. 
Auch im mährischen Kuhländchen und in der Zips; hessisch Gnenn, 
Knän. — D.Wb. V, 1338. 

nlseln Zw. fein regnen. — meissn., fränk., Österreich. D.Wb. VII, 835. 

ock, ocke, ocka (aus ocker), Nebenform ack, ach, Adv. nur, eben. 
In Nordböhmen und Mähren, in Hessen und im Westerwald, nament- 
lich aber in Schlesien verbreitet. Die abgeschliffene Form ock schon 
im hessischen Leben der h. Elisabeth (Ende des 13. Jahrhunderts). — - . . . 

D.Wb. vn, 1140. -vwmf 

Pamps m. Brei, schlammige Masse; pampsig Adj. breiig, schlammig?—'*", \ V ] rj 
Auch ostfränk., meissn., oberlausitz. v ?>' ' 

Pärchen m. mitteldeutsche Gestaltung von Pferch, parcus. Der P. be- ' 

deutet in Schlesien die Planke oder den Plankenzaun als Hofumzäu- f . ✓ 
nung sowie als leichte Befestigung der Städte; auch eine Bretter- * 1 "'; 
hütte. In der Zips und im preussischen Ordenslande findet sich 'fe 
'"r 'c gleiche Bedeutung. /' Ä ' ' 4 " 

peffern Zw. mit westmitteld. Anlaut = obd. pfeffern, in der Bedeu- 
tung schlagen, forttreiben. 

pispern, pischpern Zw. flüstern; md. weit verbreitet. 

präschen Zw. lärmend und prahlerisch reden. — Präsch m. Lärm; 
präschig Adj. grosssprechig. — md. und nd. 

preppsch Adj. trotzig, hochmütig. — rheinfränk. pröppsch. ; ostfränk. 
westerwäld., zipserisch bröpeln, brepeln, präpeln: mürrisch sein, 
brummen. Vgl. meine Beiträge 73 a . 

Rinke, Rinken m. Ring, Ringschnalle; md., obd. 

risch, Adj. rasch; durch ganz Mitteldeutschland verbreitet. 

rlsch Adj. hart, scharf. — obd., md. rösch, roesch. 

Rücke f. in Steinrücke, Steinricke, Steinhaufen, Felsgruppe. Die 
weisse Steinrücke bei Schreiberhau, 3000' h. Berg, der aus dem Iser- 
karam herausragt, auch der weisse Flins genannt. — Auch nordböhm., 
erzgebirgisch (Stenrecke). 

säl Adj. dunkel (säles Mehl). Die Kürze des a sowie der alte thema- 
tische Konsonant sind erhalten in besalben (alt besalwen, beselwen), 
schmutzig machen. — Md. und obd. 

Sange f. Aehrenbüschel, Garbe. Das Gesengel n. Aehrenbüschel. 
Das Wort ist md. wenig erhalten; obd. kommt Sange öfter vor. Nd. 
ist das Wort erloschen. 

Schebe f. Faser des Flachsstengels. — md. schebe, nd. scheve. 

Schelfe f. Schale von Früchten (bei den älteren Schlesiern). — obd. 
ostfränk. 

schmecköstern, schmagöstern, schmigösternZw. Mit einer gefloch- 
tenen Weidenpeitsche die Langschläfer am Ostermontage nach uraltem 
Brauche hauen. — Das Wort ist eine Ableitung aus schmecken, 
schmacken, schmicken : hauen, peitschen, und kommt ausser Schlesien 

r 



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220 Karl Weinhold, [64 

vor in Nordböhmen, der Oberlausitz, Oberhessen und Ostpreussen. 
0''/ k'y Mj£t Ostern (pascha) hat die Ableitungssilbe ostern nichts zu thun. — 
Meine Beitr. zu einem schles. Wörterb. 85 a . 

schmalgern, beschmalgern , Zw. schmieren, beschmieren (Stoppe, 
Steinbach). — Md. belegt durch Frisch, teutsch-lateinisches Wörter- 
buch 2, 205. Göpfert, Dialektisches aus dem Erzgebirge 2, 17. 
Annaberg 1873; oberd. durch Schindler, Bayr. Wörterb. 2, 550. 

schmettern Zw. schwatzen, ein altes ostfränkisches und bayrisches^ 
•-..*« Wort, ist enthalten in Schmetterhaus, wie in mehreren schlesi- 
' ' y sehen Städten ein neben dem Rathause befindliches, zu verschiedenen ■ ■■ ß. . 
Zwecken dienendes Gebäude hiess und noch heisst. Die Bedeutung 
des Wortes ergibt sich aus einer Brieger Urkunde von 1380 , ' 
(C. d. Sil. IX, Nr. 438): locutorium vulgariter eyn smetirhus, wozu >V'c£ 
in einer Krakauer Urkunde garrulatorium smetirhaus (nach Prof. Mark- 
grafs Mitteilung) stimmt. 

schmicken Zw. schlagen. — rhein- und mainfränkisch mit der Be- 
deutung stossen, schnellen. 

Schnörche, Schnürche f. Schwiegertochter, Schnur. — Auch ostfränk., 
hessisch, niederrheinisch; ferner in Nordmähren, Zips, Siebenbürgen. — 
Ableitung aus snur, snor : nurus. 

Schoren Zw. schaufeln; auch oberpfälz.-bayr. und hessisch. 

schrim Adj. schief, quer; schrimen Zw. quer abschneiden, namentlich 
einen Weg damit abkürzen. — obd. schraemen, nd. schrem, schre- 
men. — Das schles. i für e zeigt sich auch im Zipser schrimsen. 

schürgen, schergen Zw. stossen, schieben. — Obd. und md. verbreitet. 

schwadern, schwüdern Zw. plätschern; bei den älteren Schlesiern 
auch = trinken. — obd. und md. 

Seifen m. Wasserlauf, Bach. Das Wort ist in Bach- und davon stam- 
«7 ? j- < menden Dorfnamen namentlich erhalten im Löwenberger und Hirsch- 
berger Kreise, ausserdem im Kreis Habelschwerdt, im österreichischen 
Schlesien sowie im nördlichen Böhmen und Mähren und in der Zips. — 
Seife = Quellabfluss, Bach, sumpfige Wiese findet sich noch am Rhein, 
in der Wetterau, in Hessen, im Westerwald, wozu ribuarisch slf, nd. 
*' J sipen stimmt. 

selb Pron. in demonstrativer Bedeutung und mit Angleichung von lb zu 11 
in seller, silier, silter, der seile, süle, jener; dazu das örtliche und 
zeitliche Adverb selte (aus selbte), salte: dort, damals. — Oberlaus., 
meissn., thüring., hessisch, ostfränk. und obd. : meine Dialektforschung 
142. Schmeller, Bayr. Wörterb. IP, 263. Vilmar 382. 

Siede f. geschnittenes Stroh (Häckerling), das "mit heissem Wasser zu 
Viehfutter aufgesotten wird. — oberlaus., meissn., thüring. In Franken 
und Hessen die Sütt, das Gesött, Gesott. 

(solch) der seche, siehe (Ausfall des 1), demonstrativ: dieser, jener, 
Mit epithetischem t: der sechte, sichte, seichte. — Adv. sechte, seichte: 
dort, damals. 

(sötän) entstellt zu sette, sütte, sitte: so beschaffen, solch. Auch nord- 
böhm., mähr., bayr. Schmeller, Bayr. Wörterb. II 2 , 205. 

Spellen, spülen Zw. reden, plaudern: Spellen gehn, zum Besuch gehn. 
— thüring., ostfränk., hess., wetter, westerwäldisch. 



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(35] Die Verbreitung und die Herkunft der Deutschen in Schlesien. 221 

sterzen Zw. wandern, den Ort verändern. — Der Sterz, Umzug; das 
Hausgerät, womit umgezogen wird. — Die Schlesier des 17. Jahr- 
hunderts reimen sterzen: Herzen, scherzen, schmerzen, schwärzen. — 
Obd. sterzen, störzen. Schindler II 2 , 785 f. 

Strütt, Stritt m. Bergname bei Schömberg. Es ist das alte strut 
(obd. struot), Wald, Gebüsch, das obd. fränkisch und hessisch ver- 
breitet war. Die ostfränkiseh , rheinisch und siebenbürgisch durch 
Umlaut (eu) entstandene Form Streit findet sich auch schlesisch : der 
Streitberg bei Striegau und bei Blumenau, Kreis Bolkenhain. — Strüt- 
tich, Gestrüttich n. Gesträuch, Buschwerk, im 16. und 17. Jahr- 
hundert häufig: nd. struddik. — Schindler, Bayr.Wb. II 2 , 820 f. 
J. Wolff, Zur siebenbürgisch-sächsischen Agrargeschichte 1, 29 f. 

talken, talkern Zw. tasten; betalken, betasten. — Die Talken (Plur.) 
die tastenden greifenden Hände oder Finger. — österr., bayr. dalken, 
talken: etwas ungeschickt behandeln, herumgreifen. 

tatschen, taschen, tötschen Zw. betasten, streicheln; schlagen; die 
Tötsche f. die Tatze, Hand; der Linktötsch, ein Linkshändiger. — 
Md. und obd. Wort, D.Wb. II, 825, meine Beiträge 97. — Im Ab- 
laut zu tatschen steht 

titschen, schlagen, anwerfen (Rechenpfennige an die Wand im Spiel 
werfen). 

Teile f. Telke, Tilke f. kleine Bodenvertiefung; Thalgrund. Auch 
nordböhmisch, meissn., ostfränkisch; Delle hessisch, wetterauisch. 

tettern Zw. rasseln, zitternd tönen; eintettern, trans. zittern machen, 
einschüchtern. — Obd. dattern, tattern. 

tilazeln Zw. tändeln. — obd. dilläzeln Schindler, 1*, 499. ahd. 
tallazjan. 

tr ansehen, tratschen, traschen, tretschen, treschen Zw. klatschend 
aufschlagen, namentlich vom Regen oder anderm Wasserguss ge- 
braucht. — obd. und md. — Vgl. meine Beiträge 99. 

Walgern, weigern, wulgern Zw. rollen, wälzen. — meissn., fränk., 
wetter., zipserisch; obd. walgen, welgen. 

weibeln, webeln, Zw. wanken, schwanken. — Obd. 

Gewende n. viereckige, 50 Ruten lange Abteilung des Ackerlandes. — 
Gewende ostfränkisch, österreichisch (thüringisch bezeichnet Gewände 
die Grenze des Ackerstücks, wo der Pflug umwendet) ; Gewante, Ge- 
want oberpfälzisch, oberösterr. ; Gewenne, Gewanne rheinfränkisch; 
Wanne, Wände niedersächsisch. 

Werder n. Flussinsel. — md.; Werd, Wert m. obd. 

Wetz, Wetsch m. männliches Schwein. — ostfränk., hess., niederrhein. 
Watz. — Waezel m. säuischer Mensch. — Wetzenber, Wetzabär m. 
eine Zusammensetzung zweier Synonyma wetz und ber. Auch bayrisch. 

wibeln Zw. wimmeln; sich lustig regen. — fränk., wetter., rheinisch; 
auch obd. 

Wüne f. in die Eisdecke gehauenes Loch. — Auch oberlausitz. ; schwä- 
bisch, schweizer. Wone; nl. woene. 

Zeker, Zaeker m. doppelhenklige Tasche. — österr.-bayr. Zecker. 

Zauche, Zauke f. Hündin; Hure. — obd. und teilweise md. Im 
fränk., hess., rhein. Zaupe. 

Forschungen zur deutschen Landes- und Volkskunde. II. 3. 15 



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222 



Karl Weinhold, 



Züchtfrau f. Züchtjungfer, f. die Ehrmutter, Ehrjungfrau bei Hoch- 
zeiten. Auch oberlausitz., fränk., hessisch. 

zwirbeln, schwirbeln Zw. wirbeln. — Zwirbel, Schwirbel, m. Wirbel; 
unruhiger Mensch. — zwirblig, schwirblig Adj. wirbelnd, schwinde- 
lig. — fränk., thüring., raeissn. und auch obd. 



Diese, aus dem deutsch-schlesischen Wortschatz herausgehobenen 
Worte geben den Beweis für den entschieden mitteldeutschen Charakter 
unserer Mundart, für den starken ostfränkisch-hessischen wie auch für 
den thüringischen Bestand in ihr, endlich für die starke Uebereinstim- 
mung des Schlesischen mit dem Deutschen des östlichen Kolonisations- 
gebietes von der Saale bis in die Karpathen. 

Der Schlesier empfindet, auch wenn er kein Sprachforscher ist, 
sofort in der Oberlausitz, im ganzen Königreich Sachsen, im Alten- 
burgschen, ebenso an den böhmischen und mährischen Abhängen der 
Sudeten, dass hier überall derselbe Grunddialekt wie in seiner Heimat 
gesprochen werde, mag auch in dem Satzaccent und in manchen Aus- 
drücken ihm bewusst werden, dass er sich nur im vetterlichen Nachbar- 
hause, nicht im eigenen befinde. Aber diese Unterschiede sind nicht 
viel bedeutender als zwischen dem Schlesisch um Hirschberg, Reichen- 
bach, Neisse und dem um Breslau, Trebnitz oder Glogau. Ja, die bil- 
dende Lebenskraft der Sprache ist so gross, dass das Schlesisch im 
Gesenke und um Leobschütz von dem um Ottmachau und Frankenstein 
sich durch manche vokalische Eigentümlichkeiten sondert. 

Auf die Abgrenzungen der schlesischen Mundarten näher einzu- 
gehen, ist nicht die hier zu lösende Aufgabe. Doch wollen wir er- 
wähnen, dass die Mundart der Grafschaft Glatz mit dem Oppaländischen 
und der Mundart des böhmischen Riesengebirges ein Ganzes bildet, 
das als besondere Gruppe des Gebirgsdialekts dasteht. Es macht sich 
durch e für gemeines i, o für gemeines u, durch ä für ei und au 
kenntlich. 

Die Mundart des Flachlands um Breslau zeichnet sich durch Vor- 
liebe für ei und au aus. Die i und e diphthongisieren sich zu ei, die 
a und o zu au, altes au widersteht der Monophthongierung in ö, 1 und n 
werden gern moulliert gesprochen. Die Leute, welche dieses „Neider- 
ländische tt reden, sind meist Abkömmlinge germanisierter Polen. Diese 
Mundart reicht etwa 2*ft Meilen südwärts der Oder, d. h. so weit als 
das Polnische sich bis in neuere Zeit sehr zäh behauptete. 

Zwischen dieses „Neiderländische" und das Oberländische legt 
sich eine Uebergangsmundart etwa drei Meilen breit, welche mouilliertes 
1, n, d hat, ferner fe für e und in der die Endsilbe — en noch wie ä 
gesprochen wird. Auch hier ist der längere Bestand des Polnischen nicht 
ohne Einfluss gewesen. 

Diesen mittleren und niederen Dialekt auf Stammverschiedenheiten 
der Einwanderer zu bringen, würde ein vergebenes Wagnis sein, das 
durch die Geschichte der Germanisation der betreffenden schlesischen 
Gegenden in sich zusammenfiele, wie in den letzten Sätzen angedeutet 
worden ist. 



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07 | Die Verbreitung und die Herkunft der Deutschen in Schlesien. 223 



2. Die Orts- und Personennamen. 

Von den Ortsnamen in Schlesien können nur die reindeutscheu 
für unsere Untersuchung dienen. Dieselben bilden den kleineren Teil 
des ganzen Namenvorrates, da ein weit grösserer durch die um- und 
angedeutschten, ursprünglich slavischen gebildet wird, bei deren Ge- 
staltung *) die deutschen Einwanderer ganz ebenso verfuhren als in den 
- andern Slavenl'ändern des Ostens, worein sie zogen. 

Unter den deutschen Ortsnamen sind die auf. — dorf ausgehnden 
die häufigsten, die im ersten Teil den Genitiv eines Mannsnamens ent- 
halten. Ich habe in dem Knieschen Ortsverzeichnis *) aus den alt- 
schlesischen Kreisen der Provinz ungefähr 140 Namen gezählt, von 
denen wieder viele häufig vertreten sind, gegenüber den etwa 80, die 
in andere deutsche Worte wie: bach, berg, brunn, feld u. s. w. enden. 

Ueberall hören wir in den Gegenden, die wir als das alte deutsche 
Kolonisationsgebiet des Landes kennen, diese Namen in — dorf, von denen 
ganz besonders oft folgende erseheinen : 

Arnsdorf Arnoldsdorf, Bärsdorf Berthelsdorf Bertholdsdorf, Ditt- 
mannsdorf, Dittersdorf, Eckersdorf, Giersdorf, Hartmannsdorf, Haugs- 
dorf Hausdorf, Hennersdorf, Hermsdorf, Jakobsdorf, Kunnersdorf Kunzen- 
dorf, Ludwigsdorf, Märzdorf (Martinsdorf) . Michelsdorf, Olbersdorf 
Ulbersdorf (Albrechtsdorf), Petersdorf, Riegersdorf Rückersdorf Röhrs- 
dorf (Rüdegersdorf), Seifersdorf, Ullersdorf, Waltersdorf, Weigelsdorf 
(Weigandsdorf), Wernersdorf 3 ). 

In der Oberlausitz, in Nordböhmen, im alten Meissner- und 
Pleissenlande begegnen wir derselben Namensgruppe. Im Sieben- 
bürgener Sachsenlande kommen nicht weniger als 122 Namen in — dorf 
vor *). Es ist das alte, durch deutsche Besiedelung verbundene Gebiet, 
in denen die Gründer und beauftragten Aussetzer (locatores) der Orte 
im Neubruch dieselben nach ihrem eigenen Namen benannten: z. B. 
Arnoldsdorf, das Dorf des Unternehmers Arnold : Dietrichsdorf, das 
Dietrich gründete u. s. w. 

Es geschah, wie wir für das Osterland wissen, diese Namengebung 
unter ausdrücklicher Zustimmung des Grund- oder Landesherrn ö ). 

Auch m Brandenburg, Pommern, Mecklenburg, dem Östlichen Hol- 
stein, in Preussen, ferner in Niederösterreich und in Steiermark be- 
gegnen diese Namen in — dorf, da auch hier altes Kolonisationsland 
ist. Aber sie erscheinen auch in dem altgermanischen und immer 
germanisch gebliebenen Hessen und in den von dort wahrscheinlich 



') Ich verweise hierüber auf meinen Aufsatz: Zur Entwicklungsgeschichte 
der Ortsnamen im deutschen Schlesien, in der Zeitechr. f. Gesch. Schlesiens XXI, 
239-296. 

*) Alphabetisch - statistisch - topographische Uebersicht der Dörfer, Flecken, 
Städte der Provinz Schlesien von J. G. Knie, 2. Aufl. Breslau 1845. 

3 ) Vgl. meine Nachweise der älteren Gestalt dieser Namen in der Zeitechr. 
f. Gesch. Schlesiens XXI, 281 ff. 

4 ) J. Wolff, Deutsche Ortenamen in Siebenbürgen. Hermannstadt 1879/81. 
*') Vita Viperti, in Scriptor. rer. lusat. von Hoffmann 1, 19. 



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224 Karl Weinhold, [68 

besetzten Landschaften an der Mosel und am Main nicht selten '). Sie 
finden sich im Elsass, ferner auf altsächsischem Boden und in Däne- 
mark, wenn auch nicht so häufig als bei uns und in den verwandten 
Ländern. Ihre Bedeutung wird durch die Beobachtung Georg Hans- 
sens 2 ), die er an der dänischen Dorfgeschichte machte, nahe gebracht, 
dass bei dem Ausbauen aus einem alten Dorfe das in der Feldmark 
neu angelegte Tochterdorf einen Namen in — torp, — trup erhielt. 
Im schonischen wie im jütischen Gesetz bezeichnet torp stets das 
von dem Mutterdorf, dem adelbye, ausgesonderte neue Dorf. Daher 
liegt es nahe, in den mit — dorf benannten Orten auch auf altdeutschem 
Boden neue Ansiedelungen zu sehen, und die Häufigkeit dieser Orts- 
namen in den Kolonisationsländern steht daher in engem Zusammen- 
hang mit deren allgemein germanischer Bedeutung. 

Ausser den Namen in — dorf finden wir im deutschen Schlesien 
wie in den anderen deutschen Ländern Ortsnamen in au, bach, berg, 
born oder brunn, bürg, feld, hain, heide, kirch, see, stein, walde, 
wasser, wiese. 

Namen wie Falkenberg, Fischbach, Freiburg, Fürstenau, Gold- 
berg, Heiligensee, Hirschberg, Lauterbach, Neuhaus, Reichenau, Reichen- 
bach, Schönau, Schönbrunn, Steinbach, Waldenburg, Weissbach finden 
sich überall, namentlich in Ober- und Mitteldeutschland. Aber förder- 
lich für unsere Untersuchung ist, die Wanderung dieser und anderer 
Namen von Westen nach Osten in grösseren oder kleineren Entfer- 
nungen zu begleiten. 

Reichenbach, z. B. in Schlesien als Dorf und als Kreisstadt ver- 
treten, begegnet in der preussischen Oberlausitz, sechsmal im Königreich 
Sachsen, einmal im Altenburgschen , einmal im Meiningschen, achtmal 
im bayrischen Franken, viermal in Hessen, einmal in Nassau. Von dem 
Vorkommen des Namens in Süddeutschland sehen wir ab. Die Grün- 
dung der also genannten Orte in Meissen, Lausitz und Schlesien durch 
Franken wird wohl einleuchten. 

Reichenau kommt viermal in Schlesien, viermal in Oberlausitz 
und Meissen, fünfmal in Böhmen vor. Sonst in Bayern, Oberösterreich 
und in Alemannien. Der sich leicht selbst bietende Name mag im 
Ostlande zuerst einem Dorfe in Meissen gegeben und von da weiter 
getragen sein. 

Frankenstein, der Name der schlesischen Stadt, ist auch Name 
eines Städtchens bei Chemnitz und eines andern in Hessen wie eines 
Dorfes in der Pfalz. Auch nach Böhmen ist der Name von Westen 
übertragen worden, wo er seine erste Heimat hat. 

In Hessen in der Nähe von Kassel liegt ein Dorf Kaufungen. 
Der Name erscheint im Leipziger Kreise zweimal. Von dort wahr- 
scheinlich ist er nach Schlesien gebracht worden: mit Abstoss des 
flexi ven en haben wir Kaufung bei Schönau. 



') Arnold, Ansiedelungen und Wanderungen deutscher Stämme 1, 372 
berechnete die Orte in —dorf in Hessen, Lahngau, Wetterau und Nassau auf 
etwa 250. 

') Agrarhistorische Abhandlungen I, 45. 51. 



0*9] Die Verbreitung und die Herkunft der Deutschen in Schlesien. 225 

< 

Wir haben in Schlesien zwei Dörfer Alzenau, eines im Gold- 
berger, das andere im Brieger Kreise; ein drittes im Neisser Lande V. 1 '. 
ging unter. Sonst findet sich der Name nur einmal: im bayrischen '/'■ 
Unterfranken. Von dort werden die Einwanderer gekommen sein, die 
ihn an drei Orten in Schlesien ihren Gründungen gaben. 

Besonderen Wert für uns haben die Namen in —seifen, über t ^ 
welches Wort früher (S. 220 [b'4]) gehandelt worden ist. 

Wir haben in den Kreisen Löwenberg und Hirschberg die Dörfer 
Flach^enseifen, Görisseifen, Lauterseifen, Mühlseifen, Querseifen, Schmott- / ^ 
seifen, Steinseifen; Spiller im Kreise Löwenberg hiess ursprünglich 
Spillarsifen v ). Auch die Seifenhäuser in den Kreisen Löwenberg und 
Schönau sowie Seifenau bei Goldberg gehören zum selben Namenkreise. 

Im Habelschwerdter Kreise findet sich Stuhlseifen, im österreichi- 
schen Schlesien Braunseifen, Dornseifen, Rabenseifen, Stubenseifen, 
Vogelseifen; am böhmischen Abhang des Riesengebirges Hermannseifen 
und im ungrischen Berglande Metzenseifen. Die Bedeutung Bach für 
seifen ergibt sich noch unmittelbar aus einer Reihe von Bachnamen: 
so dem Lauterseifen und roten Seifen im Löwenberger Kreise ; den elf 
Seifen, aus denen die Elbe zusammenfliesst 2 ) , dem Bach Steinseifen, 
der im Freiwalder Thal bei Waldenburg im Gesenke in die Biele 
geht : ') u. a. — Im Westerwalde treffen wir nun die Dörfer Brucherte- 
seife , Grauseife , Rotenseife 4 ) , und auch in Deutsch-Lothringen, Kreis 
Saarlouis, kommt der Gemeindenamen Seifen vor. Der Schluss wird 
daher gestattet sein, die mit — seifen bei uns, in Böhmen und in der 
Zips benannten Dörfer auf mittelrheinische, fränkische Einwanderung 
zu gründen. 

Auch die Dorfnamen in — hübel sind bemerkenswert: Giesshübel 
(Kreis Löwenberg), Krummhübel (Kreis Hirschberg), Steinhübel (Kreis 
Habelschwerdt und Kreis Neisse), Grünhübel (Kreis Breslau). Zustim- 
mende Namen hat die Oberlausitz und Deutschböhmen. In Westfalen 
finden wir Ortsnamen in — hövel (aits. huvila), in den Niederlanden 
in heuvel. 

Die Wortform — hübel kommt, wie früher nachgewiesen ist 
(S. 218 [62]), in Hessen und am Rhein vor. Auch diese Namen werden 
von aus dem Westen kommenden Einwanderern gegeben worden sein. 

Von den bayrischen Ortsnamen in — ing, den schwäbischen in 
— ingen haben wir in Schlesien keine Spur. Die auf uralte Familien- 
ansiedelung weisenden Namen waren im Kolonistenlande nicht möglich, 
und dass sie selbst nicht hierher übertragen wurden, beweist, dass keine 
Bayern oder Schwaben im Oderthal und den Nachbarländern einwan- 
derten. Von dem hessisch-thüringischen — ungen gibt das oben er- 

') Registrum Wratislaviense. 

8 ) Prätorius, Daemonologia Rubenzalii 1, 41 1683): 1. der Elb-Brunn, Weiss- 
brunn und Mehdel-Brunn ; 2. der grosse Seiften; 8. der Gold-Seiffen ; 4. der grüne 
Seiften; 5. der krumme Seiften: 6. der Jehr-Seiffen; 7. der Wechsel- Seiften ; 8. der 
Hirsch-Brunnen; 9. der rote Fluss; 10. der Sperber Seiften ; 11. der Quaritz-Seiffen. 
„Diese eilff Seiften oder Flüsslein kommen alle zusammen oberhalb der grossen 
Clausen, nicht weit von der berühmten Silber-Zeche, St. Peter genannt." 

3 ) Prudlo, Höhenmessungen in Schlesien. Breslau 1837. S. 200. 2H2! 

*) Westerwäldiaches Idiotikon von K. Chr. L. Schmidt S. 217. 



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226 



Karl Weinhold. 



[70 



wähnte Kaufung den einzigen Beleg. Kein fränkisches (namentlich rhein- 
fränkisches) — heim ist hier nachzuweisen: die — dorf waren an die 
Stelle getreten, weil es sich um neue Orte handelte. Wir finden auch 
kein fränkisch - thüringisches — stett, kein anglisch - thüringisches 
— leben, kein — lär wie in Hessen und Niedersachsen, kein oberdeut- 
sches — hofen ( — koven, — kon), kein voigtländisches — grün, kein 
— reut, — rot, — rat. Nur drei — rode haben wir: Blumrode, Neu- 
rode, Weizenrode. Dabei einige gleichbedeutende — hau im Hirschberger 
Kreise: Rabishau, Schrei bershau, Seifershau, Wolfshau und Dörnhau 
im Kreis Waldenburg. 

Von den genitivischen Namen (possessiver Genitiv eines Personen- 
namens mit Weglassung der näheren Ortsbestimmung), die im Fuldischen 
und in Ostfranken besonders häufig sind, haben wir im eigentlichen 
Schlesien kein Beispiel, nur zwei in der Grafschaft Glatz : Reinerz Rein- 
erts (= Reinharts) und Rückerts. 

Sehr selten sind einfache Ortsnamen. Ich wüsste nur Hammer, 
Harte, Hain, Heide, Steine anzuführen, wozu noch das mit Präfix — ge 
versehene Gesäss (Kreis Neisse) tritt. 

Wo zwei gleichnamige Dörfer nahe bei einander lagen, unterschied 
man sie durch vorgesetzte Attribute, die aus der Bodenbeschaffenheit 
meist genommen wurden: im Nimptscher Kreise liegen Dürrharte und 
Grünharte, im Breslauer Dürrjentsch und Wasserjentsch, im Reichen- 
bacher Steinseifersdorf und Langseifersdorf, das in älterer Zeit (1374) 
Grossen Seifridisdorf genannt ist. 

Ueber die Unterscheidung zweier gleichnamiger, nahe gelegener 
Dörfer durch vorgesetztes Gross und Wenig oder Klein haben wir 
schon früher gehandelt (S. 167 [11]) und erwähnt, dass das alte sla- 
vische Dorf durch das vorgesetzte Wenig von dem als Gross bezeich- 
neten neuen deutschen Dorfe unterschieden ward, wie dasselbe auch im 
Osterlande geschah. 

Zuweilen erhielt auch das neugegründete das Attribut Deutsch, was 
die Benennung des alten als Polnisch zur Folge hatte. Bei Polnisch 
Weistritz ist das weiter nördlich, aber jenseits einer anderen Dorfmark 
(Burkersdorf) angelegte jüngere Dorf durch das Attribut Ober unter- 
schieden; beide haben den Namen von dem Bache Weistritz. 

Für die Unterscheidungen Alt und Neu bedarf es keiner beson- 
dern Bemerkung. 



Die Ortsnamen, welche im ersten Teil den Genitiv eines Manns- 
namen haben, der auf denjenigen zurückgeht, welcher das Dorf aus- 
gesetzt und eingerichtet hat, überliefern uns die Eigennamen der Führer 
oder mindestens bedeutender Männer unter den Einwanderern. 

Diese Eigennamen sind keine erblichen Familiennamen, denn 
dieselben lagen bei Bauern und Bürgern, und selbst beim Adel im 12., 
13. Jahrhundert noch in den ersten Anfangen, sondern sind Vornamen 
nach heutigem Begriff. 

Sammelt und prüft man dieselben, und stellt die aus Urkunden 
und andern Schriften erreichbaren altschlesischen Familiennamen hinzu, 



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Die Verbreitung und die Herkunft der Deutschen in Schlesien. 227 



die zum guten Teil aus sogenannten Vornamen hervorgegangen sind, 
so erhält man eine stattliche Menge echt deutscher Namen, die für das 
gute Blut der Ansiedler Zeugnis ablegen. 

Wir wollen einiges aus dem Schatz hervorheben, indem wir natür- 
lich die heute zum Teil verstümmelten und arg entstellten Namen in 
ihre rechte alte Gestalt zurückbringen. 

Namen aus der deutschen Heldensage. 

Aus der Dietrichsage: Dietrich, Dietpold (Diepold), Dietleib, Diet- 
mar, Dietwin, Hildebrand, Eckehart (Eckert), Witig Wittig, Ecke, 
Fasolt, Hunolt (Haunold). 

Aus der Nibelungensage: Siegfried (Seifert), Günther (Günzel), 
Gernot (Gernt, Girat), Giselher (Geisler), Rüdeger (Rieger), Volker 
(Volkert, Völker), Rumolt, Sindolt. — Ute. 

Aus anderen Sagen: Wieland. Neithart. — Walther (Welz, Wel- 
zel). — Rother. — Rolant, Rulant. 

Andere alte gute deutsche Namen sind: 

Alber, Albert, Adaiger Alger Elger, Arnold. 
Baldwin, Bero Berold Berbold Berwig, Berthold, Bodo Botwin, 
Bonhardt (Bunert), Boppe Poppe, Bruno. 

Degenhart (Deinert, Theinert), Diethart. 

Eberhart Eberhelm Ebernant, Eckebrecht, Eilhart (Ellert). 

Volkmar, Fricco, Frowin. 

Gebhard, Gerung Gerboto Gerhart Gerleich (Gerlach) Gerwig. 
Giselbert, Gobilo, Gosswin, Guotwin, Gundbrecht (Gumprecht Gumpert). 

Hadumar (Hettmer Hettner Hettwer), Hagenbert (Hampe Hempe), 
Härtung, Hartmar (Ertmar) Hartlieb Hartmund Hartwig, Heidenreich, 
Heilwig, Heimreich, Helmbrecht, Herbart Herdegen Herwig, Hug Hugolt. 

Ingram. 

Kuonrat. 

Lamprecht, Liebing (Liebig), Ludolf Lutolt Lutbolt Lutbrant 
Lutbrecht Lutwin. 

Mangolt. Markolt Markwart, Meinfrid Meinhart, Memming, Merboto. 
Nentwig, Nitbalt (Niepolt Niepelt). 
Ortilo (Oertel Ertel), Ortwin. 

Radolf, Ramolt Rambolt, Reginald Reginbolt, Reinboto Reinbrecht 
Reinhart Reinwart, Richolf Richolt (Reichelt) Richart (Reichert) Rich- 
mar Richwin. 

Sigbalt (Seibolt) Sigbert Sigbot (Seibt) Sighart (Siegert). 
Trutlieb Trutwin (Trautwein). 

Wachsmunt Wachsmuot, Wernher, Wigand Wigolt (Weigelt) 
Wigbart (Weigert Weichert) Wigmann, Winolt (Weinhold) Winher 
(Weiner) Winhart (Weinert), Wolfber Wolfger Wolfram. 

Sichere Schlüsse auf die Heimat der Träger dieser Namen lassen 
sich nicht machen, da es über ganz Deutschland verbreitete Namen 
sind. Einige geben allerdings einen Anhalt: so mein eigner Name 
Weinhold, aus altem Winolt Winiwalt unter Einfluss des Appellativs 
wineholt wineholde gestaltet, der früh bei den salischen und den rhei- 





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228 



Karl Weinhold, 



[72 



irischen Franken vorkommt und über das mitteldeutsche Kolonisations- 
gebiet sich verbreitet hat. Er kommt namentlich vor im sächsischen 
Erzgebirge, in der Oberlausitz, in Schlesien (besonders im westlichen) 
und erscheint auch im ungrischen Berglande und in Siebenbürgen (hier 
als Wengelt). 

lieber einige niederdeutsche Namen haben wir früher (S. 211. 212 
[55. 56]) gehandelt. 

Von Volksnamen sind in Schlesien von älterer Zeit her als 
Familiennamen nachzuweisen 

Beier (Baier Beyer), Böhme Böhm, Döring Düring, Franke, Friese, 

Hesse, Meissner, Pohl, Preuss, Schwabe, Unger, Wende, 
woraus sich einiges entnehmen lässt. 

Zu der Herkunftsfrage der deutschen Einwanderer in Schlesien 
können nun auch die Schutzpatrone der von ihnen in jedem Dorfe, 
das sie gründeten, erbauten Kirchen etwas beitragen, denn sehr natür- 
lich nahmen sie die Heiligen der alten Heimat mit hinüber in die neue. 

Wenn wir an der Hand von Herrn. Neulings nützlichem Buche 
„ Schlesiens ältere Kirchen und kirchliche Stiftungen. Breslau 1884" 
die Patrone der alten Kirchen aufsuchen, so erscheinen, abgesehen von 
Allerheiligen, Dreifaltigkeit, dem h. Kreuz, abgesehen von der Jungfrau 
Maria und der Landeschutzheiligen Hedwig, am häufigsten Andreas, 
Anna, Barbara, Catharina, Georg, Jacobus, Johannes der Täufer, Lau- 
rentius, Martinus, Michael, Nicolaus und Petrus Paulus. 

In den Kolonistendörfern waren Andreas, Barbara, Catharina. 
Johannes der Täufer, Laurentius, Martinus, Nicolaus, Peter Paul beson- 
ders beliebt. Das Patrocinium Johannis kann aus Rücksicht auf den 
Patron des bischöflichen Sprengeis der neuen Heimat gewählt sein. 
Laurentius war Patron des Merseburger, Petrus und Paulus des Naum- 
burger Bistums: es ergibt sich hierin also eine Erinnerung an die 
thüringischen Marken, aus denen nach unserer Behauptung ein Teil 
der Ansiedler gekommen ist. Martinus ward in den Bistümern Mainz 
und Utrecht als Schutzheiliger verehrt, von wo ebenfalls Zugänge 
gekommen sein können. 

Nikolaus, der Wasser- und Schifferheilige, weist durch seine 
Beliebtheit als Kirchenpatron in den Niederlanden (im weiten Begriff) 
auf die erste Einwanderung i ). Und wie Kläs in den Niederlanden heute 
noch ein ungemein häufiger Name ist, so war Nikläs Niklös im 14. bis 
16. Jahrhundert in Schlesien sehr beliebt. Fischart in seiner Geschicht- 
klitterung Kap. 10 führt Klaus als rechten Schlesiernamen auf. Daher 
ist Klose, die schlesische Kürzung des Namens 2 ), ein verbreiteter 
schlesischer Familienname noch jetzt, wie auch Nitschke, die polnische 
Koseform von Nikolaus, häufig im deutschen Schlesien als Familienname 
vorkommt. 

Bei Nikolaus stossen deutsche und polnische Kurzformen zusammen 
und beweisen durch ihre Häufigkeit die Verbreitung des Patrociniums 
des Heiligen unter beiden Völkern des Landes. 



') Er hatte übrigens auch das Patrocinium polnisch-schlesischer Kirchen. 
2 ) Cloze Heilwig, Cloze Schefer 1415. Cod. dipl. Sil. X, 20:3. 




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73] Die Verbreitung und die Herkunft der Deutschen in Schlesien. 229 

Im allgemeinen waren die kirchlichen Namen bei den Polen früher 
verbreitet als bei den Deutschen. Erst im 14., 15. Jahrhundert ge- 
wannen dieselben in ganz Deutschland das Uebergewicht Über die alten 
volkstümlichen. Daher finden wir bei den Einwanderern, soweit sich 
ihre, Namen durch die Gründer der Dörfer erkennen lassen, fast nur 
echt deutsche. Erst im 14. Jahrhundert gewinnen die kirchlichen auch 
im deutschen Schlesien Verbreitung, können aber nun nicht mehr für 
Erforschung der Heimat benutzt werden. 

Auf etwas sei noch aufmerksam gemacht. 

Während sich der Schlesier in Oesterreich und Bayern, in Schwaben 
und Schweiz, am Niederrhein, im alten Niedersachsen und in Ostfries- 
land von anderen Schichten der Familiennamen umgeben fühlt, empfindet 
er in der Oberlausitz, im Königreich Sachsen, in Thüringen überall 
wohlbekannte Namen, die an sein Ohr schlagen. Auch hier bewährt 
sich also die Stammesverwandtschaft der Bewohner des mitteldeutschen 
Kolonisationsgebietes. 



3. Haus und Hof. 

Alle, die bisher ihre Aufmerksamkeit auf Haus und Hof in den 
deutschen Dörfern Schlesiens gerichtet haben, erkannten darin jene 
fränkische Anlage, welche in einem sehr grossen Teil von Deutschland 
herrscht und sich von Westen bis in den slavischen und magyarischen 
Osten verbreitet hat 1 ). 

Das Merkmal des fränkischen Hauses ist die Trennung der Wohn- 
räume von der Scheune. Mit den Wohnräumen sind Pferde und Kuh- 
stalle gewöhnlich unter demselben Dache. Die Hausthür liegt nicht 
in der schmalen oder Giebelseite, sondern in der Langseite, die bei 
Hofanlage in den inneren Hof gekehrt ist. 

Das ganze als langes Viereck sich darstellende Haus ist auf eine 
Grundmauer aus Bruchsteinen gesetzt und entweder aus Schrotbalken 
(Bolenwänden) gezimmert, oder aus Fachwerk errichtet, dessen Fache 
durch Stecken ausgesetzt sind, die mit strohgemengtem Lehm von beiden 
Seiten beschlagen wurden. An die Stelle des Lehms ist später zu- 
weilen Ziegelfüllung getreten. 

Dies sind auch die Grundzüge des alten schlesischen Hausbaus 2 ). 

Der Schrotbau ist früher über ganz Schlesien verbreitet gewesen, 

') Vgl. die Kartenskizze bei Aug. Meitzen, Das deutsche Haus in seinen 
volkstümlichen Formen. Berlin 1882; ferner desselben Verfassers Der Boden und 
die landwirtschaftlichen Verhältnisse des Preussischen Staates, II, 136—142, und 
vornehmlich G. Landau, Der Haushau, Beil. zum Korrespondenzbl. des Gesamt- 
vereins der deutschen Geschieht«- und Altertumsvereine 1857/58. I. Ueber den 
nationalen Hausbau, Beil. zum Korrespondenzbl. September 1860. II. Der Bauernhof 
in Thüringen und zwischen der Saale und Schlesien. Beil. zum Korrespondenzbl. 
Januar 1862. 

') Ausser meinen eigenen Beobachtungen konnte ich einen Aufsatz des früh 
verstorbenen Dr. K. Drescher benutzen, der im Besitz der Flemmingschen Ver- 
lagsbuchhandlung inGlogau mir durch Herrn Kreis-SehulinspektorDr. Fr. Schroller, 
Verfasser des Werkes : Schlesien, Land und Leute (Glogau, Flemming), gütig mit- 
geteilt worden ist. 



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230 



Karl Weinhold, 



[74 



über das deutsche wie über das slavische. Der Waldreichtum des 
Landes in alter Zeit machte ihn möglich. Er gab überdies wärmere 
Wohn- und Stallräume als der Fachbau, der nur dünne und durch- 
lässige Wände, namentlich bei der Lehmfüllung gewährt. Das Bauern- 
haus nicht bloss, sondern auch nicht selten der Rittersitz haben bis, in 
das 17. Jahrhundert hinein, wenn nicht ganz, so doch teilweise Schrot- 
wände gehabt, wie Schloss Vogelsang bei Nimptsch für die Adelshäuser 
beweist, das in seiner noch bestehnden Gestalt 1604 erbaut ist, und 
auf einem steinernen Unterstock einen oberen Gadern (Stockwerk) aus 
Schrotbau zeigt 1 ). Wie beliebt diese. Zimmerung überhaupt gewesen, 
konnten die Gartenzäune in der südlichen Grafschaft Glatz bezeugen, 
welche bis in dieses Jahrhundert hinein aus starken Bolenwänden mit 
kleinem Schindeldach bestunden 2 ). 

Schrotbauhäuser finden sich heute noch in dem Gebirge und wer- 
den auch noch in den Waldgegenden Oberschlesiens und der rechten Oder- 
seite vorkommen. Bereits gegen Ende des 18. Jahrhunderts waren sie 
sehr zurückgedrängt. Zimmermann in seinen Beiträgen zur Beschrei- 
bung Schlesiens führt sie auf in den polnischen Dörfern des Leob- 
schützer und des Brieger Kreises. Im Ohlauer und Breslauer waren 
sie zu seiner Zeit schon selten, ebenso im Freistädter. Dagegen be- 
stunden sie noch häufig in den Waldgegenden von Oels Und Trebnitz. 

Die schönsten und anziehendsten Muster von Schrotbau geben 
bis heute die sogenannten Holzkirchen in Oberschlesien, welche den 
gotischen Baustil auf die Holztechnik unter Berücksichtigung klimati- 
scher Verhältnisse augewandt haben. Im Jahre 1(387 waren im Archi- 
diakonat Oppeln neben 122 gemauerten noch 268 hölzerne Kirchen, 
und neben sechs massiven Kapellen neun hölzerne vorhanden. Im Jahre 
1871 vermochte H. Luchs noch fast 200 in Oberschlesien und auf der 
rechten Oderseite des Breslauer Regierungsbezirkes aufzuzählen 3 ). 

Manche grosse Bauerhäuser der südlichen Grafschaft haben bis 
über die Mitte unsers Jahrhunderts schöne Muster des Blockverband- 
baus gegeben, wie er sich an dem Wohnhause mit malerischer Wir- 
kung hier zu Lande entwickelt hatte. Ein schönes Haus aus Kieslings- 
walde, Kr. Habelschwerdt, das leider jetzt verschwunden ist, in Abbildung 
nach Dreschers Aufnahme bei Schroller, Schlesien I, 160. Auch im 
mittel- und niederschlesischen Gebirge und in dem vorgelagerten Hügel- 
lande waren sie zu finden. 

Meist aber waren Schrot- und Fach werkbau in der Weise ver- 
einigt, dass von dem Unterstock das Drittel, welches die Wohnräume 

') Schlesiens Vorzeit in Bild und Schrift (Breslau 1868, I, 167) gibt eine 
Ansicht dieses Gebäudes. 

*) Vierteljahrsschrift f. Geschichte.* und Heimatskunde der Grafschaft Glatz 
IV, 239 (Habelschwerdt 1884). 

') H. Luchs, Die oberschlesischen Holzkirchen und Verwandtes in den 
Neuen schles. Provinzialblättem (Rübezahl) 1871, S. 109—121, dazu die Nachträge 
ebenda, 1872, S. 71 ff.; ferner: Luchs, Zur Kunsttopographie Schlesiens in Schle- 
siens Vorzeit, II, 11—31. Seine klaren Darlegungen des Stils dieser Schrotbau- 
kirchen sind die beste objektivste Widerlegung der Phantasie des Herrn R. Hen- 
ning (Das deutsche Haus, Strassburg 1882, S. 87 ff.), dass sich in diesen Kirchen 
der wandalisch-nordische Hallen- und Tempelbaustil erhalten habe. 



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75] Die Verbreitung und die Herkunft der Deutschen in Schlesien. 231 

enthielt, aus Bolen wänden, die zwei andern Drittel (mit den Ställen) 
gleich dem obern Gadern in Fachbau ausgeführt waren. Es gab aber 
auch und gibt noch jetzt sehr viele Häuser nur aus Fachhau. 

Wie beliebt dieser rasch und billig herzustellende Bindwerkbau 
noch im 18. Jahrhundert war, beweisen die vielen evangelischen Kirchen, 
die nach der preussischen Eroberung Schlesiens in Städten und Dörfern 
der unmittelbaren Fürstentümer Schweidnitz, Jauer und Glogau errichtet 
wurden. Auch die drei durch den westfälischen Frieden vom Kaiser 
in den drei Fürstentumshauptstädten Schweidnitz, Jauer, Glogau zu- 
gelassenen sogenannten Friedenskirchen sind aus Fachwerk. Denn auch 
in den Städten ist diese Bauart, besonders für den Oberstock und für 
die Hinterwand von jeher üblich gewesen l ) und erst in neuerer Zeit 
durch massives Ziegelwerk grösstenteils ersetzt. 

Zu der Zierlichkeit und Schönheit, welche man in niedersächsischen 
alten Städten an Fachwerkhäusern bewundert, hat man sich in Schlesien 
nicht aufgeschwungen. Doch fehlt es nicht hie und da an beschei- 
denen Hausbauten, die durch die Figuren der Ständerzimmerung nicht 
uneben erscheinen 2 ). 

Die Balken der Fachbauten wurden gewöhnlich schwarz oder 
braun, seltener rot gestrichen und die Lehmfelder weiss übertüncht. 
Die Streben zwischen den Ständern und Riegeln sind entweder einfach 
schräg gezogen, oder sie liegen im Andreaskreuz oder in Rautenform. 
Es kommen auch Fache ohne Streben vor. 

In den Gebirgsgegenden, namentlich im Löwenberger, Goldberger, 
Schönauer Kreise, wurden die weissgetünchten Lehmfelder mit geome- 
trischen Figuren beritzt oder mit Sprüchen beschrieben. Manches davon 
hat sich bis in die Gegenwart erhalten. 

Im Gebirge und im Vorlande, im westlichen Schlesien auch in 
der Ebene sind die Häuser gewöhnlich zweistöckig oder zweigadmig, 
wie es noch hie und da heisst. Der Oberstock tritt dann häufig um 
einen Fuss über den unteren heraus, und im Giebel wiederholt sich 
dann zuweilen dieselbe Ausladung. Mehr oder minder ausgeschnitzte 
Traghölzer oder auch ein Bogensims dienen als Träger. An dem Giebel 
und an den Dachrändern entwickelte sich dabei eine sonst bei uns wenig 
hervortretende Liebe zu kunstartigem Schmuck. 

Besondere Gelegenheit gewährte dazu die Laube oder Läube, Avie 
der Erker hiess, der in der Mitte der vorderen Langseite des Hauses 
über der Haus- und Pferdestallthür aus dem Oberstock hervorsprang. 
Das Wort Läube (mundartlich Lebe) ist jetzt veraltet und auf die Graf- 
schaft beschränkt. Dafür ist vom Queiss bis zum Eulengebirge der Sims 
verbreitet, um den Zobten und im Flachlande die Büne. Zuweilen 
ruht die Läube auf einem gemauerten vorspringenden Unterbau, der 
die Eingangsthüren zum Hause und zum Pferdestalle in sich hat. In 
älteren Häusern war dieser vorspringende Erker aus Bolenwerk. Selten 

') Barthol. Stein irrte in seiner Descriptio Silesiae (1512), wenn er Hausbau 
aus Holz und Lehm für das polnische, Backsteinbau für das deutsche Schlesien als 
Unterschiede aufstellte. 

8 ) Vgl. das Bolkenhainer Häuserbild bei Schroller. Schlesien, Land und 
Leute II, 172. 



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232 



Karl Weinhold, 



[70 



ist die in den Oberstock hineingezogene offene Läube (die Loggia des 
italienischen Hauses). 

Zuweilen war auch am Unterstock die Laube angebracht, wie das 
oben (S. 230 [ 74]) erwähnte Kieslingswalder Bauernhaus zeigte l ), um 
dessen ganzen unteren, sowie um den oberen Gadern des im Winkel 
hervortretenden Hauserkers eine Läube läuft. 

Als offene Bogengänge des Untergeschosses kannte auch das Stadt- 
haus die Lauben ; namentlich waren sie am Ring (dem Hauptmarktplatz) 
üblich und zogen sich an der einen Seite desselben hin. Es war dies 
eine weitverbreitete in Nieder- und Oberdeutschland wie in Italien, für 
Handelsverkehr und geschützten Lustgang geeignete Bauart, die früher 
wohl in den meisten schlesischen Städten sich fand, und von der sich 
/ meines Wissens in Hirschberg, Jauer, Bolkenhain, Landeshut, Striegau, 

CW*" Waldenburg, Neurode, Landeck, in Trebnitz, Konstadt, Rosenberg grössere 
oder kleinere Reste bis in die Gegenwart erhalten haben. Für Schweidnitz 
zeugt noch die höche Lebe, der Name des hohen Bürgersteiges auf der 
Hohgasse, so wie das Kinderspiel der Lebelmann. Die Läuben selbst 
sind hier aber längst verschwunden, ebenso wie in Breslau, wo aber 
früher bestandene laubenartige Kaufhallen durch die alt vorkommenden 
Ausdrücke die leinweterleubin, die huterleuben am ringe, die salzleuben 
(Leuben am Salzringe) verbürgt sind 2 ). 

Leider haben die letzten Jahrzehnte auch an den Bauerhäusern 
die Läuben arg hinweggeräumt. Nur der geschlossene Erkerbau über 
der Hausthür, der auf vier Pfosten ruht 3 ), hat sich aus Nützlichkeit - 
gründen bei Schmieden und Schenken oft erhalten, und ist im Gebirge 
sogar bei Neubauten zuweilen wieder angebracht worden. 

Auf die offene Läube (die Büne, den Sims) tritt man aus dem 
Oberstock durch eine oder zwei Thüren. Seltener führt vom Hofe eine 
Freistiege hinauf. 

Häufiger findet man diese schmale hölzerne Freitreppe vom Hofe 
auf den Gang (Büne), der sich über Pferde- und Kuhstall hinzieht und 
zu dem Heuboden führt, der über diesen Räumen liegt. In grösseren 
Bauerhöfen, die einen Schafstall haben, geht auch an diesem eine 
solche Aussenstiege auf den Gang, der längs des Heubodens hinläuft, 
der über dem Schafstall liegt. 

. Solche Gänge (Bünen) finden sich in ganz gleicher Art an den 
Haupt- und an den Nebengebäuden im oberlausitzischen und oster- 
ländischen Bauernhofe, wie die von G. Landau veröffentlichten Ab- 
bildungen beweisen '). 

Hie und da hat sich Stein- oder Ziegelbau schon recht früh in 
Teilen des schlesischen Bauerhauses eingedrängt. Als man in den 
Städten und auf den Rittersitzen den alten Holzbau durch Steinhäuser 
zu verdrängen begann, wollte der wohlhabende Bauer, der seine Frei- 



') Sehr oller, Schlesien, Land und Leute I, 100. 

4 ) A. Schultz. Topographie Breslaus. Zeitschr. f. Gesch. Schles. X, 242. 
244. 250. 

8 ) Die Abbildung eines Hauses mit solcher Laube bei Meitzen , Der Boden 
und die lantlwirtschaftl. Verhältnisse des preuss. Staates, II, 139. 

4 ) Korrespondenzblatt des Gesamtvereins, Januar 1862, Beil. S. 5. 9. 



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Die Verbreitung und die Herkunft der Deutschen in Schlesien. 233 



heit noch nicht ganz eingebüsst, nicht zurückbleiben. Rudolf Drescher 
erwähnt in seinem handschriftlich hinterlassenen Aufsatz alte stattliche 
Häuser in Dörfern des Löwenberger Kreises (Mois, Höfel), in denen 
der ganze Unterstock aus Stein aufgeführt ist, oder in denen Pferde- 
und' Kuhstall mit dem Gadern darüber aus Stein gebaut sind, während 
der Wohnraum unten aus Bolenwänden, oben aus Fachwerk besteht. 
Die steinernen Thür- und Fensterrahmen weisen nach Drescher durch 
Spitzbogen, Eselsrücken und Kantenabfassung noch auf das 15. Jahr- 
hundert. Lassen wir die Bauten aber auch aus dem 16. stammen, wo 
jene Thür- und Fensterfassung sich auch noch reichlich findet, so ge- 
hören jene Bauernhäuser doch mit zu den ältesten, die man in Deutsch- 
land kennt. 

Das am 1. Mai 1887 abgebrannte Geburtshaus des berühmten 
Goldberger Schulrectors Valentin Trotzendorf im Alten Gute zu Troit- 
schendorf (Kreis Görlitz) trug im oberen Thürbalken die Jahreszahl 
1497, in der Wetterfahne 1623. Es war im unteren Stockwerk ge- 
mauert, hatte im Oberstock Fachwerk mit Lehmfüllung und war mit 
Schauben gedeckt. 

In den wohlhabenden Bauerdörfern Nieder- und Mittelschlesiens, 
sowie in den deutschen Kreisen des südlichen Oberschlesiens hat der 
Ziegelbau den Fachbau grösstenteils oder sogar ganz verdrängt. Es 
gibt grosse lange Dörfer, in denen alle Häuser samt Scheunen und 
Stallungen die glatten, weissgetünchten Ziegelwände mit schmucklosen 
Fenstern und Thüren und dem roten Ziegeldach zeigen. Wo die Geld- 
mittel nicht zum ganzen Neubau reichten, begnügte man sich vorläufig 
mit einzelnen Teilen. 

Selbst in den Dörfern des höheren Gebirges hat sich der stil- 
und geschmacklose Ziegelbau in kleine Häuser eingedrängt. Doch sind 
hier der Wärme wegen die Bolenwände gerade an der Stube und 
Kammer nicht selten geblieben, während der übrige Hausteil ge- 
mauert war. 

Polizeiliche Vorschriften haben bei allen Neubauten die Schauben- 
und die Schindeldächer durch ijachwerkbedachung ersetzt. Das Schauben- 
(Stroh-) Dach ist oben am First mit Rasenstücken belegt, und die alten 
Schutzpflanzen des deutschen Hauses, Hauswurz und Johanniskraut, 
wuchern dort oben. 

Natürlich ist nun auch der Schornstein (die Feuermauer) gemauert. 
Früher war er aus Balken und Brettern oder höchstens aus Lehm mit 
äusserer Holzverschalung aufgeführt. 

Das Haus in und an dem Gebirge und in dem Vorlande der 
• Sudeten, auch in dem westlichen Flachlande ist in der Regel zweistöckig. 
Das gilt für den eigentlichen Bauerhof wie für die Gärtnerstellen. In 
der mittelschlesischen Ebene, sowie in hochgelegenen Gebirgsdörfern 
herrscht das einstöckige Haus, indem übrigens die Anlage die gleiche 
ist, d. h. neben den Wohnräumen liegen unter selbem Dache der Pferde- 
und Kuhstall 1 ). 



*) Abbildung eines solchen einstöckigen Bauernhauses aus Woischwitz bei 
Breslau, Fachbau mit Schaubendach, bei Schroller, Schlesien II, 397. 



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234 



Karl Weinhold, 



[78 



Sehr selten scheint in Schlesien die Raumverteilung so vorzukom- 
men, dass der Unterstock Pferde- und Kuhstall, der Oberstock die Wohn- 
räume (Stube und Kammern) enthält. Am Oberstock zieht sich die Laube 
hin, auf die vom Hofe eine Aussenstiege führt 1 ). Diese Anlage kommt 
im rheinischen Frankenlande oft vor. 



Nachdem wir über Baumaterial und den äusseren Aufbau der 
Hauser gehandelt, wollen wir die innere Einteilung des alten schlesi- 
schen Bauerhauses vorlegen. 

Von dem gepflasterten Gange, der sich zwischen der Düngergrube 
und dem Hause hinzieht 2 ) , tritt man über eine Holzschwelle , nicht 
selten aber über mehrere steinerne Stufen, die von einer Wangenmauer 
an beiden Seiten eingefasst sind und deren untere also von der Haus- 
wand vorspringen, in die Hausthür, die erste der drei Thüren, welche 
das Haus gewöhnlich an der Vorderseite hat. Die Hausthür ist in 
allen alten Häusern eine Doppelthür gewesen: vor der inneren lag das 
oder der Gatter, das nur bis zur halben Höhe der Thüröffnung reichte 
und nur durch einen Schnallendrücker geschlossen war. 

Durch die Thür tritt man in die Hausflur, in alter Zeit Hauseren 
auch in Schlesien genannt 8 ). Dieselbe geht durch die Breite des 
Hauses durch und enthielt nach ältester Anlage im hintern Teile den 
Herd, der an der Stubenwand angelegt war. Dieser Herdraum war 
durch eine Halbthür, das Kuchelgatter , von der übrigen Flur abge- 
trennt, wie ich noch in Dorf häusern im Reichenbacher Kreise in meiner 
Knabenzeit gesehen habe. Sehr oft war aber eine Scheidewand mit 
Thür aufgeführt und damit eine besondere Küche (oder Kuchel) her- 
gestellt. 

Von der Küche war der Backofen nach dem Garten hinaus gebaut 
und von aussen mit einem Schleppdache gedeckt. 

Der Herd war aber auch ganz aus der Hausflur verlegt. Dann 
liegt der vorderen Hausflur die Hinterthür gegenüber, welche in den 
Baumgarten hinaus führt. 

Ein Teil des Hauses ist unterkellert. Der Zugang zum Keller 
geht durch eine in der Hausflur liegende Fallthüre. 

In dem Hause, wie die Hausflur in der Regel heisst 4 ), stehn 



') Ich sah ein solche» Haus in Olbersdorf bei Landeck in der Grafschaft. 
*) In der Leobschützer Gegend sowie auf der böhmischen Seite des Riesen- 

Sebirgs, wo die schlesische Mundart noch herrseht, heisst dieser Gang dieGredel, 
eminut von die Grede, wie dieser stufenartige Gang am Hause im bajuvarischen 
Gebiete heisst. Ausser Grede kommt in Nordböhmen der Ausdruck die Saspe da- 
') für vor. 

*) Nach zwei Stellen in Lucaes Fürstenkrone, die Hoffmann von Fallers- 
leben in Frommanns Mundarten IV, 171 anführte. Das über Bayern, Schwaben, 
Franken. Hessen, Thüringen verbreitete Wort ist mir sonst aus Schlesien nicht be- 
kannt geworden. 

*) Ueber diesen weit verbreiteten Ausdruck Deutsches Wörterb. IV, 2. 644. 
J. Wölfl im Korrespondenzbl. des Vereins für siebenbürg. Landeskunde IV, 128 
sieht wohl mit Recht hierin eine Erinnerung an die Zeit, in welcher das Haus 
aus einem einzigen Raum bestund. 



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Die Verbreitung und die Herkunft der Deutschen in Schlesien. 235 



mancherlei Gefässe für die Milchwirtschaft; zuweilen auch ein Tisch, 
und regelmässig nahe der Stubenthür die Brotalmer, d. i. der grosse 
bemalte und früher geschnitzte Brotschrank. 

Aus dem „Hause" führt eine Thür in der vorderen Hälfte des- 
selben in die Stube. Ob rechts oder links hängt von der Stellung des 
ganzen Gebäudes zur Dorfstrasse oder dem sonst bestimmenden Gegen- 
stande ab. Der Stubenthür gegenüber liegt in der Regel die innere 
Thür zum Pferdestall. 

In älterer Zeit ging die Stube durch die ganze Breite des Hauses 
durch. War dieselbe bedeutend, wie in den Kretschams oder Schenken, 
so ruhte der Zwischenbalken (die Rispe) auf einem mächtigen Trag- 
pfosten, der sogenannten Säule. Licht empfängt die Stube durch nicht 
hohe Fenster in jeder Wand, die nach aussen grenzt. 

Gewöhnlich liegt aber hinter der Stube nach dem Baumgarten 
hinaus ein kleinerer Wohnraum, das Stübel. Zuweilen ist dieser Raum 
in zwei Teile zerlegt, das Stübel und die Küche. Thüren verbinden 
Stube mit Stübel, Stübel mit Küche, Küche mit Haus. 

Die Einrichtung der Stube entspricht der sonst im Gebiet des 
fränkischen Hauses üblichen. An den beiden (oder unter Umständen 
den drei) Fensterseiten zieht sich die gewöhnlich rotbraun angestrichene 
Wandbank entlang und vor dem Winkel, den sie macht, steht der 
grosse Esstisch, an dessen zwei bankfreien Seiten einige Schemel und 
zuweilen eine kleine, mit Lehne versehene Bank, die Lehnbank, stehn. 
In katholischen Dörfern sind in der Höhe der Ecke ein Kruzifix oder 
Heiligenbilder angebracht. Die Ecke heisst auch der Brautwinkel, weil 
bei Hochzeiten, die im Hause gefeiert werden, das Brautpaar hier seinen 
Ehrenplatz hat. 

Dem Tischwinkel schräg gegenüber liegt der Ofenwinkel, in dem 
sich der mächtige Kachelofen in zwei Absätzen erhebt, auf zwei Seiten 
von der Ofenbank umzogen und in der Höhe nahe der Decke von 
Stangen zum Wäschetrocknen umgeben. Auf den Oefen alter Art 
war oben eine warme Sitz- oder Liegerstatt, zu der man auf einigen 
hohen Stufen hinaufstieg. Zwischen Ofen und Wand liegt der kleine 
Raum, der (wie sonst in Deutschland) die Helle heisst. 

Am Ofen war früher, ehe die Petroleumlampen auch den Dorf- 
leuten eine bessere und billige Beleuchtung brachten/ eine Vorrichtung 
zum Einstecken der Schleussen, d. i. der langen Kien- oder Buchen- 
späne, deren Brand das einzige spärliche Licht gab. 

Neben der Stubenthür~steht auf einem aus der Wand heraus- 
tretenden Brett das irdene Hand- oder Waschbecken, mit einem Hand- 
tuch darüber. 

Auf der anderen Thürseite hängt das Topfbrett, ein offener 
Schrank, in dem in mehreren Reihen übereinander das nötigste Koch- 
geschirr aufgestellt ist. 

In der Nähe des Ofens, gewöhnlich zwischen ihm und der Stübel- 
thür, steht das Seigerhaus, das Gehäuse des Seigers, d. i. der grossen 
Wanduhr. 

Unter der Stubendecke läuft der sogenannte Rechen um die Wände, 
ein hölzerner breiter Rand mit kleinem Geländer, auf dem das bessere 



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Karl Weinhold, 



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Geschirr aufgestellt ist. Auch liegen hier in evangelischen Häusern 
alten guten Schlages Bibel und Gesangbuch, eine Postille und andere 
Erbauungsbücher. In grossen Stuben mit einem Querbalken (der Rispe) 
hat auch dieser einen solchen Rechen. 

Auf der anderen Seite der Hausflur liegt der Pferdestall, in den 
gewöhnlich eine Thür aus dem Hause führt. Der Hauptzugang ist 
natürlich vom Hofe aus. 

Hinter dem Pferdestall im letzten unteren Abschnitt des Ge- 
bäudes liegt der Kuhstall mit der Hauptthür nach dem Hofe; zuweilen 
aber mit einer zweiten Thür nach einem Gange, der vom Pferdestall 
ausgespart ist und die Verbindung mit der Hausflur herstellt. 

In manchen Häusern liegt zwischen Flur und Pferdestall ein 
Raum, der vorn ein Stübel und hinten eine Kammer enthält. Er 
scheint besonders in einstöckigen Häusern vorzukommen als Ersatz der 
oberen Räume der zweistöckigen. Stübel und Kammer werden auch 
durch einen schmalen Gang getrennt, der in den Pferdestall führt 1 ). 

In dem Hause des Stellers (Stellenbesitzers) oder Gärtners, der 
kein Pferd hält, fehlt natürlich auch der Pferdestall und der Kuhstall 
grenzt unmittelbar an die Hausflur. 

Aus dem Hausflur geht eine hölzerne schmalstufige Treppe mit 
Geländer in den Oberstock, in einstöckigen Häusern auf den Dach- 
boden. 

Der obere Gadern lässt sich in drei Abschnitte zerlegen. 

Ueber den Wohnräumen liegt zunächst der der Hausflur ent- 
sprechende sogenannte Boden (im Stadthause der Saal genannt), aus 
dem eine Thür in das Oberstübel (Aeberstibl) führt, das über der 
Stube des unteren Geschosses liegt und sich in neuer Zeit zu einer 
„guten Stube" entwickelt hat, während es früher eine unheizbare 
Schlaf kammer war, die zugleich die Laden und Truhen für Wäsche 
und Frauenkleider enthielt. 

Aus diesem Oberstübel geht eine Thür in einen ofenlosen Neben- 
raum, worin der Bauer mit Weib und Kindern schläft. Die Fenster 
dieser Kammer sowie alle anderen Fenster des Oberstocks (ausgenommen 
das modernisierte Oberstübel) sind im alten Bauernhause nur mit engen 
Holzgittern ohne Glas geschlossen. Die Fensterläden, die wenigstens 
an der Schlaf kammer nicht fehlen, geben bei Nacht und im Winter 
den nötigsten Schutz gegen Wetter und Kälte. 

Den Raum über dem Pferdestalle nehmen nach der Vorder- und 
Hinterseite kleine Kammern ein, zwischen denen ein dunkler Gang vom 
„ Boden 44 aus läuft. Sie dienen als Vorratsräume und Schlafkammern 
des Gesindes. Rechts liegt die Menscherkammer, wo die Mägde liegen, 
links die Kammer der Knechte und Jungen. 

Der Zwischengang endet am Heuboden, der über dem Kuhstall 
liegt und vom Hofe aus auf einer Leiter zugänglich ist, die zu dem 
Heukaffer führt, d. i. der äussern Heubodenthür. 



l ) Vgl. den Grundri88 beiMeitzen, Boden und landwirtschaftliche Verhalt- 
nisse II, 139. 



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Die Verbreitung und die Herkunft der Deutschen in Schlesien. 237 



Wo eine Läube (Büne, Sims) das Haus schmückt, tritt man 
von der Bodenflur auf dieselbe durch eine Thür hinaus. 

Aus dem Oberstock führt eine schmale Stiege auf den Oberboden 
(Aeberböden) , der teils als Getreidesöller 1 ), teils als Heuboden dient. 
Zuweilen findet sich hier auch eine Rumpelkammer und sehr oft der 
Taubenschlag, der Taubensöller. Die Ausfluglöcher liegen entweder im 
Giebel oder sind kafferartig aus dem Stroh- oder Schindeldache heraus- 
gebaut. 



Als Kennzeichen der fränkischen Hausanlage haben wir im An- 
fang dieses Abschnitts die Trennung von Haus und Scheune gegebeu. 
Das Kennzeichen bewährt sich auch in Schlesien bei allen Bauerhäusern 
und bei den „Stellen", zu denen ein irgend ausgiebiges Ackerland ge- 
hört. Nur in ganz kleinen Wirtschaften liegt die Scheune unter dem- 
selben Dache mit Wohnräumen und Stall (Kuhstall). Es folgen sich 
Haus, Stall, Scheune. Auch diese Anlage begegnet ausser in Schlesien 
im fränkischen Hausgebiet. 

In jeder grösseren Wirtschaft aber, also im Bauergut wie in der 
Stelle, steht die Scheune zum Hause im Winkel, von demselben durch 
einen schmalen Raum getrennt. 

Aus Haus und Scheune besteht der kleine, gewöhnlich offene 
Hof des Stellers oder des Stellbesitzers, wie er vornehmer sich nennt, 
des Gärtners, wie die ältere Bezeichnung ist. 

Der Bauerhof dagegen ist, wie früher schon gesagt, ein ge- 
schlossenes längliches Viereck, über dessen Ordnung wir das Nötige 
bemerken. 

Der Hofraum mit den einschliessenden Gebäuden heisst in Schlesien 
Hofreite, mundartlich die Höverete. Das Wort begegnet alemannisch 
und bayrisch, ist aber besonders in Hessen und Oberfranken gebräuch- 
lich und gleichbedeutend mit Hofstatt 2 ). 

Der Zugang zur Hofreite geht entweder durch ein gemauertes 
Doppelthor, rechts der breitere und höhere Bogen für Wagen, links 
die schmälere und niedrigere Gangpforte, oder durch eine Durchfahrt, 
die in dem nach der Dorfstrasse liegenden Schuppen angelegt ist und 
gewöhnlich die Pforte für Fussgänger neben sich hat. Die Pforte ist 
bei Tage immer unverriegelt ; das grössere Thor wird nur zum jedes- 
maligen Gebrauche geöflnet. 

Auf der rechten oder linken Seite der Hofreite zieht sich das 
vorhin beschriebene Haus mit den Querabschnitten von Wohnung, 
Pferde- und Kuhstall entlang, den Giebel mit den Wohnräumen nach 
der Dorfstrasse gerichtet. 

Dem Hofthor gegenüber liegt die Scheune, die eine Durchfahrt, 

') Söller war früher die gewöhnliche Benennung des unter dem Haus- 
dach liegenden Raumes. Bei Steinbach, Deutsches Wörterbuch (Breslau 1734) 2, 579 
ist Seiler, wie er schreibt, durch contignatio aedificii superior erklärt. Die schle- 
sifiche Bedeutung von Söller weist auf die niederdeutsche Einwanderung. 

2 ) Deutsch. Wörterb. IV, 2, 1697. Lex er, Mittelhochd. Wörterb. 1, 1365. 
Sch melier, Bayr. Wörterb. II 2 , 172. 

Forschungen zur deutschen Land«!- und Volkskunde. II. 3. 16 4 



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238 



Karl Weinhold, 



[82 



zuweilen deren zwei oder drei, nach dem Wege hat, der auf die Felder 
des Gutes führt, die sich in langen Streifen von der Hofreite aus bis 
zu der Grenze der Dorfflur hinziehen. 

In der Scheune liegen zu beiden Seiten der aus Lehm geschla- 
genen Tenne die Bansen mit den aufgeschichteten Garben. In grösseren 
Gütern hat die Scheune zwei oder drei Tennen. 

Auf der Hofseite, die gegen das Haus sieht, liegt in der Regel das 
Ausgedinge oder Auszughaus, worin der frühere Besitzer des Gutes, 
naohdem er es abgetreten oder verkauft hat, im Ausgedinge oder Aus- 
zuge sitzt. An dieses meist kleine Haus sind Ochsen- und Schafstall 
zuweilen unter einem Dache angebaut. Im oberen Stockwerk oder unter 
dem Dach befindet sich der Strohboden. 

In anderen Höfen sind Schafstall und Schuppen unter demselben 
Dach und liegen der . Scheune entgegengesetzt. Der Schuppen birgt 
die Wagen, Pflüge und Eggen. Neben ihm liegt oft eine Schirrkammer, 
worin die nötigen Stellmacher- (Wagner-)Arbeiten gemacht werden. 

Einen grossen Teil der Hofreite nimmt der Misthaufen, die Dünger- 
grube, ein. Sie liegt dem Pferde- und Kuhstall und damit auch dem 
Hause ganz nahe. 

Der Brunnen, der früher allgemein ein Schwengelbrunnen war, 
jetzt aber häufig, besonders in den wohlhabenderen Gegenden, in eine 
Plumpe verwandelt ist, findet sich meist in der Nähe der Scheune; 
doch wird seine Lage natürlich durch den Wasserquell bestimmt. 

Vor dem Stubengiebel des Hauses liegt in der Regel ein um- 
zäuntes Blumengärtchen , das Ziergaertel, dessen Vorderzaun die Hof- 
mauer an dieser Stelle ersetzt , welche im übrigen , wo nicht Gebäude 
an die Strasse stossen, die Hofreite samt dem Gras- und Obstgarten 
umschliesst, der mindestens auf einer Seite zwischen der Hofreite und 
dem Nebenhofe liegt. 

Bei Gärtnerstellen genügt ein Stangenzaun statt der Mauer. 

Auch der grösste Bauerhof des Dorfes, der Scholzenhof, die 
Scholtisei oder Schölzerei, ist nach jenem Grundriss angelegt, und ebenso 
der Dominialhof in den Dörfern, welche ein Rittergut haben. Es ist 
die weit überwiegende Menge. 

Im sogenannten Dominium bildet in der Regel das (stets Schloss 
genannte) Herrenhaus die eine Seite des Geviertes. Die anderen sind 
durch das Gesindehaus, mit welchem Pferde- und Kuhstall meist unter 
einem Dache liegen, durch den Schafstall, die Scheunen und die Schuppen 
besetzt. Den Verhältnissen entspricht die bedeutendere Grösse der 
Gebäude: nach Bedürfnis ist die Zahl derselben auch doppelt oder 
dreifach. 

Wer mit vergleichendem Auge diese Beschreibung des schlesischen 
Hofes und Bauerhauses gelesen hat, wird die Behauptung, dass die 
fränkische Haus- und Hofanlage bei uns herrsche, ohne Einwendung 
zugeben. 

Durchwandern wir die Oberlausitz, Nordböhmen, Meissen, das 
Osterland, Thüringen und Hessen, die bayrischen Kreise Ober-, Mittel- 
und Unterfranken, das mittelrheinische Gebiet, so finden wir überall 
dieselbe Grundanlage und meist auch dieselben Einzelheiten. 



Die Verbreitung und die Herkunft der Deutschen in Schlesien. 239 



Der geschlossene Hof, die Stellung des Wohnhauses mit der 
Langseite gegen den Hof, der Eingang zum Hause in der Langseite, 
die Verbindung der Stallung mit den Wohnräumen unter einein Dache, 
die Trennung von Haus und Scheune, die überwiegende Zweistöckig- 
keit, der Bolen- und der Fachbau seien als bestimmende Merkmale 
bezeichnet. 

Anm. Zur Vergleichung dienen die oben (S. 229 [73)] angeführten Ausführungen 
Landaus und Meitzens. Ueber den Hausbau im bayrischen Franken sehe man 
Bavaria III, 1, 187 ff., 2, 895 ff, IV, 1, 154 ff; in der Rheinpfalz ebenda IV. 2, 
195 ff. Ueber die Verhältnisse in Siebenbürgen J. Wolff. Unser Haus und Hof. 
Hermannstadt 1882. 



4. Volkstümliches. 

Aus der Lage Schlesiens am Ostrande des Reiches, zwischen Polen 
und Tschechien, abseits der grossen Weltstrassen und des deutschen 
Reisezuges, erklärt es sich, dass man Land und Volk im übrigen Deutsch- 
land wenig oder gar nicht kennt. Wir gelten kurzweg für Wasser- 
polacken; von unserm deutschen Volksleben weiss man nichts, und 
pragmatische Literarhistoriker finden sehr scharfsinnig, dass gerade 
der Schlesier Martin Opitz die gelehrte Zeit unsrer Dichtung einleiten 
musste, weil er volkstümliches deutsches Leben und Dichten in seiner 
Heimat nicht kennen und lieben lernen konnte. 

Alles das ist Unwissenheit. Wie sehr das deutsche Volkslied 
und die deutsche Volksweise noch vor wenig Jahrzehnten in Schlesien 
geblüht hat, weiss der Kundige längst aus einer der besten Samm- 
lungen deutschen Volksgesanges, den Schlesischen Volksliedern mit 
Melodien. Aus dem Munde des Volks gesammelt von Hoffmann 
von Fallersleben und Ernst Richter (Leipzig 1842. SS. 362) 

Für uns ergibt sich aus diesem Liederreichtum der Schluss auf 
eine kräftig fortlebende deutsche Blutfülle in den Nachkommen der 
alten Einwanderer aus dem Westen. Denn diese selbst haben den 
musikalisch-poetischen Hausschatz bei ihrem Einzüge nicht mitbringen 
können, weü auch der älteste Teil desselben, wie er sich Überblicken 
lässt, nicht bis in die Zeit der Einwanderung zurückreicht. Als sich 
aber im 15. und 10. Jahrhundert in den alten deutschen Gauen das Lied 
in üppigster Fülle entfaltete, da flog es auch in die östlichen Kolonisten- 
länder und fand auf dem schlesischen Boden, als eine Gabe der alten 
Heimat, die offenste Aufnahme und Verbreitung. 

Eigentümlich schlesische Lieder gibt es sehr wenige 2 ). Fast 
alle sind deutsches Gemeingut und begegnen mit grösseren oder klei- 



') Ergänzungen bei En s, Das Oppaland oder der Troppauer Kreis. Wien 1836, 
III, 73 — 101. A. Peter, Volkstümliches aus Oesterreichisch-Schlesien. Troppau 1865. 
Bd. I. Den Liederreichtum der polnischen Oberschlesier bezeugt die Sammlung 
.1. Roger, Piesni ludu polskiego w Görnym Szlasku z muzyka. Wroclaw 1863. 
SS. 271. 

*) Th. Paur, Versuch einer Charakteristik des Volksliedes, insbesondere des 
schlesischen. Neisse 1844, S. 5. 



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240 Karl Weinhold, [$4 

neren Veränderungen in den andern Gebieten des grossen Vaterlandes 1 ). 
Sie breiteten sich von dem Orte, da sie entstunden, durch wandernde 
Sänger und durch die fliegenden Drucke Über die Lande weit und breit, 
und blieben im Gedächtnis der sich wandelnden Geschlechter, freilich 
sich selbst dabei oft wandelnd. 

Nur für den Zusammenhang der deutschen Schlesier mit dem 
Mutterlande und seinem geistigen Leben zeugt also die Fülle der 
schlesischen Volkslieder. Für die Herkunftsfrage der Einwanderer 
können wir nichts daraus entnehmen. 

Dagegen bieten sich Beweismittel in der Volks sage und in der 
Volkssitte. 

In dem Baurat der thüringisch - fränkischen Einwanderer sowie 
vorher der niederdeutschen kamen die Geister der heidnischen Vorzeit 
des Volkes mit, die trotz des Christenglaubens nicht aus der Phantasie 
und dem Gedächtnis der Deutschen gewichen waren. In den Sudeten 
und in dem Thale der Oder trieben sie das Wesen weiter, das sie an 
der Saale, am Main, an der Lahn und am Rhein getrieben hatten, und 
fanden hier ebensogut Wasser, Wald und Steine, Burghügel und 
Kreuzwege, auf denen sie sich niederlassen konnten, als dort. 

Die Gebräuche an den altheiligen Zeiten des Jahres, die durch 
Wachstum, Blüte und Vergehen des Naturlebens gegeben sind, beging 
der Ackermann und der Hirt im neuen Lande ebenso genau, als aut 
der Flur und der Weide des Westens. 

So hat denn in Schlesien derselbe Glaube an die elementaren 
unteren Mächte des deutschen Heidenturas fortgelebt wie in den andern 
deutschen Landen, und er ist auch heute noch nicht ganz erloschen. 

Von den oberen Gottheiten blieben nur verdunkelte Erinnerungen. 
Doch lässt sich Wuotan und die grosse vielnamige Göttin noch einiger- 
massen erkennen. Wuotan führt noch ein gespenstisches Dasein als 
Nachtjäger, wie der Sturmgeist heisst, der in anderen Landschaften 
Wode oder Wuot, auch wilder oder wütender Jäger benannt ist. Er 
jagt zur Nachtzeit durch Wald und Luft an der Spitze einer Schar 
von Hunden, Wölfen, Graumännlein und wandernden (unseligen) Geistern, 
unter Jagdruf, Peitschenknall und Rüdengebell. Der Name Nachtjäger 
erinnert an das Nachtgejaid, wie die wilde Jagd im bajuvarischen Ge- 
biete heisst. 

Von dem Nachtjäger wird besonders im Gebirge erzählt, dass er 
die Holz-, Busch- oder Moosweiblein jage und töte. Die Namen 
dieser kleinen weiblichen Baumgeister begegnen auch sonst in Deutsch- 
land, sind aber namentlich in den mittleren fränkisch -thüringischen 
Landschaften verbreitet. Am gewöhnlichsten hört man in Schlesien sie 
Puschweiblan nennen. 

An viele alte Burgberge und verfallene Schlösser ist auch in 
Schlesien die weitverbreitete Sage von der weissen Jungfrau gebunden, 

') Vgl. die Anmerkungen Hoffmanns zu vielen Liedern seiner Sammlung; 
auch die liedvergleichenden Anmerkungen Alex. Reifferscheid« zu seinen West- 
fälischen Volksliedern in Wort und Weise. Heilbronn 1877. Auch im allgemeinen 
A. F. C. Vilmar. Handbüchlein für Freunde des deutschen Volksliedes. Mar- 
burg 1868, 2. Aufl. 



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85] Die Verbreitung und die Herkunft der Deutschen in Schlesien. 241 

welche der Erlösung harrt, die von manchem Burschen versucht, ge- 
wöhnlich aber vereitelt ward. Der Kern der Sage ist der uralte Mythus 
von der Befreiung der im Wolkenberge verschlossenen Sonnengöttin. 

An Holle (Holda), wie in Franken und Thüringen die in Wolken 
und Wasser herrschende Göttin hiess, die auch an dem häuslichen Leben 
der Menschen teilnahm und darum das weibliche Geschäft des Spinnens 
behütete, hat sich eine entstellte Erinnerung in der Spillenholle (Spilla- 
höle) erhalten, wie im Eulengebirge und in der Grafschaft Glatz das. 
gespenstische alte Weib heisst. das fleissige Spinner belohnt und faule 
straft. In andern schlesischen Gegenden heisst sie Spillendrulle, Spillen- 
lutsche, Spillenliese, Spillenmarte. . 

Ende des vorigen Jahrhunderts nannte man in Jauer und Liegnitz 
das weibliche Schreckgespenst für Kinder die Popelholle Als Wolken- 
göttin zeigt sich Holle noch in der in Langenau bei Katscher erhaltenen 
Redensart, die gebraucht wird, wenn es schneit: JTrä Hülle schüttelt ^ . 
die Federn aus. % /Vrx^^* 1 J yV^> &y~^"' 4 *> 

Riesensagen kennt Schlesien nicht. YM*?K.*m ^ J/f ^ 

Dagegen leben die Unterirdischen, die Zwerge unter verschiedenen 
Namen im Gebirge wie in der Ebene. Verbreitet ist die mitteldeutsche 
Namensform der Zwerge : Querge, Querxe, Querg- oder Quargmänn- 
lein. Sie hausen in Berg- und Felslöchern, den Querx- oder Quarg- 
löchern oder -steinen. 

Den ehrenden Namen der Herrlein trugen sie im Eulengebirge, 
wo der Herrleberg bei Langenbielau die Erinnerung an sie erhält. 

Das Dunkle, Erdfarbene ihrer Erscheinung bezeichnet der Name 
Graumännlein, der im Gebirge wie im Flachlande verbreitet ist und 
auch in Obersachsen und Niederhessen vorkommt. 

Der Begriff des Verhüllten, Vermummten tritt auch in ihrer 
Benennung Popel heraus. Die Popel hausen in Bergen und Steinen, 
in Erd- und Wasserlöchern. Popelberge liegen in den Kreisen Hirsch- 
berg, Schönau, Bolkenhain, Schweidnitz; ein Popelstein auf der hohen 
Eule und bei Gotschdorf (Kreis Hirschberg); in diesem ist ein Popel- 
loch. Popellöcher werden mehrfach im Riesengebirge gezeigt ; eine tiefe 
Stelle im obersten Iserlauf heisst die Popelteufe. Der gespenstische 
Hausgeist, mit dem die Kinder geschreckt werden, heisst der Popel- 
mann. Die Popelholle erwähnten wir vorhin. Wichtig für die Her- 
kunftsfrage ist nun, dass Popelberge und der Popelmann auch in Ost- 
franken vorkommen 2 ). 

Im österreichischen Schlesien heissen die Zwerge auch Berg- 
männlein. 

Ebendort sowie in den angrenzenden deutschen Strichen des 
preussischen Oberschlesiens nennt man sie auch Fenesleute, F£ns- 
mannla oder -waiwla, Fenske Dinger. Gelehrt sein Wollende schreiben 
Fenixleute oder gar Venusleute, Venusmänner oder -weiber. 
. Diese Wesen hausen in den Fönssteinen oder Fenslöchern. 



') „In Schlesien heisst der männliche Unhold der Popeiniann, der weibliche 
die Popelhole. 1 Flögel, Geschichte des Groteskkomischen. Liegnitz 1788. S. 24. 
*) Panzer. Beitrag zur deutschen Mythologie 2. 107. 109. 

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242 



Karl Weinhold, 



[86 



Dieselben Benennungen begegnen auch in der Oberlausitz. Im En- 
gadin kennt man die gleichartigen Fensleute; zu Marburg in Nieder- 
hessen zeigt man das Finisloch d. i. ein latinisirtes Fensloch. Die Venus- 
berge bei Eisenach und bei Rottenburg in Niederbayern, der Fenibuck 
bei Ansbach enthalten dasselbe verdunkelte und daher hin und her ge- 
wandelte Wort, dessen Erklärung durch das thüringisch-fränkische Zek- 
wort famern (phantasieren, schwärmen mittelhochdeutsches vienen, alt- 
hochdeutsches feihnön (betrügen) geboten wird. Die fenischen Dinger 
lassen sich Übersetzen trügerische Wichte, wofür alle elbischen Geister 
galten. Angeknüpft hat sich dann der Name Venediger, der für diese 
Erd- und Berggeister und die mit ihnen vermischten italienischen Gold- 
und Edelsteingräber über Süd- und Norddeutschland verbreitet ist. 

Ein trügerischer Berggeist des böhmischen und schlesischen Riesen- 
und Isergebirges ist der Rübezahl, der im übrigen Sudentenzuge öst- 
lich des Landeshuter Passes nicht erscheint. Eine Menge Spuk- und 
Landfahrergeschichten sind auf ihn übertragen worden. 

Der elbische quälende Nachtgeist ist als Alp auch in Schlesien 
bekannt. Ein uraltes Spiel, bei dem die Elben oder Elbentrötsche ge- 
fangen wurden, hat sich in Schlesien unter dem entstellten Namen hilt- 
pritschen gerade so erhalten, wie es in Hessen als hilpentritschen bis 
in unser Jahrhundert gespielt ward. In Schwaben kannte man es als 
jagen des Elpentrötsch 2 ). 

Von dem Alp erzählt man in Schlesien ebensoviel als von dem 
feurigen Drachen und dem schwarzen Huhne, die ihren Besitzern 
Geld und Getreide zutragen. Es sind Teufelstiere, die in die Gewalt 
der Hölle bringen. Christliche Mythologie spielt hier ebenso mit herein 
als bei den Feuermännern, die man in Schlesien auch Leuchter nennt, 
und welche erlösungsfähige brennende Seelen sind. 

Die Flüsse und Teiche .sind vom Wassermann und von den 
Was s erlixen oder Wasserlissen 3 ) bewohnt, von denen in Schlesien 
dasselbe erzählt wird, wie in anderen Ländern von diesen mythischen 
Wasserelben. 



Unter den Gebräuchen, die im altgermanischen Kultus ihre 
Wurzeln haben, sind in Schlesien die Frühlingsgebräuche besonders 
treu bewahrt worden. 

Die Sommerankündigung in festlichen von Liedern begleiteten Um- 
zügen lebt in dem Sommersingen am Sonntag Lätare fort. Die ge- 
schmückten Tannenwipfel oder Tannenzweige, welche die Sommerkinder 
tragen, bezeugen die wiederkehrende grüne Zeit. Unter deu viel ent- 
stellten Liedchen sind noch solche erhalten, die es verkündigen, wie die 
Singenden den lieben Sommer mit den mancherlei Blümlein und Zweig- 
lein bringen. 



') Vgl. auch schlesisch fanzeln, Po9sen treiben. Oben S. 21G [60]. 

2 ) Meine Beiträge zu einem schles. Wörterb. 35 1 >. Vilmar, Kurhessisch. 
Idiotikon 168 f. Diefenbach in Kuhns Zeitschr 7, 392. 

s ) Lixe (assimiliert Lichse zu bisse) für Nixe, mit Tausch von 1 und n, wie 
in lympha und nympha. 



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Die Verbreitung und die Herkunft der Deutschen in Schlesien. 243 



In der Grafschaft Glatz und im Oppalande erhielt sich auch der 
Kampf von Sommer und Winter als gesungenes Spiel. 

Wenn in Schlesien in vielen Gegenden der Tod an die Stelle des 
Winters gesetzt wird und an Lätare eine Puppe, die den Tod vorstellt, 
in das Wasser oder über die Dorfgrenze geworfen wird, so macht sich 
der slavische Boden des Landes damit kenntlich. Die Marzana, der 
Tod, ist eine polnisch-mythologische Gestalt. Wenn nun in Meissen, 
Thüringen und Ostfranken ebenso der Tod statt des Winters in den 
Frühlingsgebräuchen auftrat, so ist auch hier der Einfluss slavischer 
alter Bewohner jener Landschaften der Grund. Von diesem Gebrauche 
erhielt der Sonntag Lätare auch den Namen Totensonntag. Das Tod- 
austreiben war früher über das ganze schlesische Flachland verbreitet. 
Heute hat es sich noch in polnischen und den polnischen benachbarten 
Orten Oberschlesiens erhalten. 

Ostfranken, Thüringen, Meissen, Oberlausitz, Schlesien, Mähren 
und Böhmen bilden in diesen Gebräuchen eine grosse Gruppe, wie in 
manchen anderen Beziehungen, die wir darlegten. 

An Fastnacht zogen mancherorts die ledig gebliebenen Mägde 
die Knechte auf einem Pfluge durch das Dorf. Die Umführung des 
Pfluges ist das uralte Zeichen von dem Wiederbeginn der Feldbestel- 
lung, und die Anspannung der ledigen Mägde eine uralte Strafe für 
die überlange Ehelosigkeit. Der Gebrauch hat mit dem Dienste der 
mütterlichen Göttin der Fruchtbarkeit zusammengehangen. Er ist ur- 
deutsch. 

Am Ostermontag schlagen Kinder und Knechte die Langschläfer 
mit neunfach geflochtenen Weidenpeitschen, was schmagostern, 
schmigostern, schmackostern, schraeckostern *) heisst. Der Brauch lässt 
sich durch Mähren, Böhmen, Lausitz, Voigtland bis Oberhessen verfolgen 
und ist eine weitverbreitete, zu verschiedenen Zeiten übliche Sitte, die 
im Glauben wurzelt, dass Gesundheit und frische Lebenskraft durch 
solches Schlagen zu heiligen Zeiten gegeben werde. 

Aehnliche Bedeutung hat das Begiessen mit Wasser an Ostern, 
das auf das polnische Schlesien beschränkt ist. 

Die Pfingstgebräuche sind jetzt bis auf das Schmücken der 
Häuser mit grünen * Zweigen und das Bestreuen von Hausflur und 
Stuben mit Kalmus zusammengeschrumpft. An manchen Orten werden 
Maibäume aufgestellt. Früher lebte auch in Schlesien zu Pfingsten das 
Austreiben des letzten Wintergeistes, des Rauchfusses 2 ) , wie er hier 
hiess; und ein Wettreiten der jungen Burschen. 

Sehr zäh werden die Johannisfeuer (Johannestagsfeuer, Johanns- 
tichfoierla) festgehalten, die am Vorabende des Tages Johannis des 
Täufers auf und an dem ganzen Sudetenzuge angezündet werden. Viele 
mitteldeutsche Landschaften und ebenso die süddeutschen kennen sie 
bekanntlich auch. Sie sind wieder ein Beweis, dass die fränkische Ein- 
wanderung die niederdeutsche überbot. Denn die im alten Nieder- 



l ) Ueber das Wort, das weder mit schmecken noch mit Ostern etwas zu 
thun hat, vgl. oben 8. 220 [641. 

») Zu Rauchnest, Rauchfiez entstellt. 



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244 Karl Weinhold, Die Verbreitung u. die Herkunft der Deutschen in Schlesien. [88 

Sachsen besonders vorkommenden Osterfeuer erscheinen nur im Leob- 
schützer Kreise 

Die Pfingstfeuer, deren Vorkommen in Schlesien ich nur aus 
J. G. Berndt (Versuch zu einem schlesischen Idiotikon. Stendal 1787) 
kenne, sind ganz erloschen. 

Allen diesen Feuern, die auf Bergen und freien Plätzen ange- 
zündet werden, mass der fromme Glaube der Vorzeit segnende Wirkung 
auf Gedeihen und Wachsthum des Lebens in Menschen, Tieren und 
Pflanzen zu, und abwehrende Kraft gegen feindliche, das Leben schä- 
digende Mächte. 

So konnte von der Höhe des Sommers getrost der Ernte entgegen 
gesehen werden, an deren Einbringung sich Bräuche anknüpften, in 
denen Spuren von Dankopfern für die Gottheit bis in die Gegenwart 
fortleben. Namentlich die an die letzte Garbe des Feldes (den alten 
Mann, die Weizenalte, die Weizenbraut) sich lehnende Feier ist noch 
nicht ganz erloschen. 

Auch hier erscheint fester Zusammenhang der deutschen Schlesier 
mit den Vettern „im Reich" draussen. Wie vermindert und erschüttert 
auch das bäuerliche Leben und damit die alte Bauernsitte seit der Mitte 
des Jahrhunderts bei uns wie anderwärts ist, wir haben das vollste 
Recht zur Behauptung, dass in unserem Lande echtes deutsches Wesen 
durch viele Jahrhunderte auch in den Sitten und Bräuchen des Hirten 
und des Ackermanns gewaltet hat, in treuem Gedächtnis dessen, das 
die Vorfahren einst hierher getragen haben. 

Beziehungen des deutschen Schlesiens zu dem von uns umschrie- 
benen ostdeutschen Ländergebiete, Beziehungen zu Main- und Rhein- 
franken, Hessen und Thüringen liegen auch hier dem kundigen Auge 
offen, so gut wie in den Sagen und dem Aberglauben, so gut wie im 
Bau von Haus und Hof, wie in den Namen der Orte und Leute, so 
gut wie endlich in der Mundart. 

Ein guter Teil der deutschen Schlesier hat ein Recht darauf, die 
Franken und Thüringer als Vettern von alter Zeit zu begrüssen. 



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l ) Vgl. oben S. 213 [57]. f S> or tue 

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